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Maut-Untersuchungsausschuss: Scheuer weist Vorwürfe zurück

02.10.2020 08:35 Uhr
Andreas Scheuer Untersuchungsausschuss
Verkehrsminister Andreas Scheuer vor dem Untersuchungsausschuss um die geplatzte Pkw-Maut.
© Foto: picture alliance/dpa/Michael Kappeler

Tief in der Nacht wird Minister Scheuer im Maut-Ausschuss vernommen. Er versucht, brenzlige Punkte abzuräumen. Politisch aus dem Schneider ist er aber nicht - auch vom Koalitionspartner SPD kommt Druck.

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Bei der Aufklärung des Debakels um die Pkw-Maut steht jetzt Aussage gegen Aussage: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Manager der einstigen Betreiberfirmen widersprachen sich in einer Marathonsitzung des Untersuchungsausschusses bis in den frühen Freitagmorgen in zentralen Darstellungen. Die Opposition zweifelte die Glaubwürdigkeit des Ministers weiter an, auch aus der SPD kommen kritischere Töne.

Eins steht fest: Endgültige Klarheit gibt es nicht. Eine wichtige Rolle in der Ausschusssitzung spielte ein Frühstück von Scheuer und seinem damaligen Staatssekretär Gerhard Schulz mit den Chefs der Firmen CTS Eventim und Kapsch am 29. November 2018 - noch bevor die Bietergemeinschaft beider Firmen Ende 2018 den milliardenschweren Zuschlag für die Erhebung der Pkw-Maut bekam.

Im Kern geht es um die Frage: Haben die Manager damals angeboten, mit dem Abschluss des Betreibervertrags zu warten, bis der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet? Denn Scheuer wird vorgeworfen, die Verträge Ende 2018 geschlossen zu haben, bevor Rechtssicherheit bestand. Die Maut lag da schon beim EuGH - der sie dann im Juni 2019 kippte, weil sie Fahrer aus dem Ausland benachteilige. Direkt nach dem Urteil kündigte der Bund dann die Verträge, und die Betreiber fordern inzwischen hohe Entschädigungen - zu Lasten der Steuerzahler.

Für die spätere Betreiberseite saß im November 2018 der Chef des Ticketspezialisten CTS Eventim, Klaus-Peter Schulenberg, mit am Tisch. Schulenberg berichtete, er habe Scheuer angeboten, mit der Vertragsunterzeichnung auf das Urteil zu warten - auch weil zwischen dem Angebot der Firmen und den eingeplanten Haushaltsmitteln ein großes Loch klaffte. Scheuer habe das aber "entschieden" abgelehnt. Der Maut-Start müsse 2020 sein, im Wahljahr 2021 sei das inakzeptabel. Der Chef des zweiten Konsortialpartners Kapsch, Georg Kapsch, der ebenfalls teilnahm, bestätigte die Darstellung.

Aussage gegen Aussage

Zunächst widersprach Ex-Verkehrsstaatssekretär Schulz diesen Aussagen - der jetzige Chef des bundeseigenen Lkw-Mautbetreibers Toll Collect war von der Union kurzfristig als "Entlastungszeuge" Scheuers aufgeboten worden. Schulz sagte, ein Warte-Angebot der Firmen habe es seiner Erinnerung nach nicht gegeben. Es sei gar nicht mehr Zeit benötigt worden: "Wir waren uns sicher, dass der EuGH uns Recht geben wird."

Eine halbe Stunde vor Mitternacht begann dann die Vernehmung Scheuers, sie sollte fast fünf Stunden bis in den frühen Morgen dauern. Der CSU-Mann holte erstmal zu einem weiten Bogen in Sachen Maut aus - und verteilte die politische Verantwortung großflächig.

"Die Infrastrukturabgabe ist nicht ein Projekt von Minister Scheuer." Er erinnerte an die Ansage von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), kein Inländer dürfe draufzahlen. Das habe alles anspruchsvoller und die Umsetzung schwieriger gemacht. Schließlich sei das Maut-Modell ein Kompromiss geworden. Und das Gesetz habe samt einer geänderten Version zweimal "alle politischen Prozesse" durchlaufen, mit Bundestag, Bundesrat und zwei Bundespräsidenten. Seine Aufgabe als Minister sei dann gewesen: "Die Exekutive setzt Gesetze um."

Und dann zur brisanten Sache: Ein Angebot der Betreiber zu einer Verschiebung eines Vertragsschlusses bis zu einem EuGH-Urteil habe es nach seiner Erinnerung nicht gegeben. Es habe auch kein Anlass bestanden, über eine Verschiebung zu sprechen, sagte Scheuer. "Vom Vertragsschluss war zu diesem Zeitpunkt noch nichts zu sehen." Denn das Angebot des Konsortiums lag da noch eine Milliarde Euro über dem von Bundestag bewilligten Rahmen von zwei Milliarden Euro. Außerdem sei man nach breiter Expertise davon ausgegangen, dass die Maut vor Gericht durchgeht und eine Niederlage "total unwahrscheinlich" sei.

Der Minister verteidigte es zudem, die Betreiberverträge direkt nach dem EuGH-Urteil zu kündigen - und zwar nicht nur deswegen. "Wir konnten nicht zufrieden sein mit dem Stand der Umsetzung." Auch damit widersprach er den Betreibern, die von einer politisch motivierten Kündigung sprachen. Die Gründe der Kündigung sind wichtig für ein laufendes Schiedsverfahren. Die Betreiber fordern 560 Millionen Euro Schadenersatz. Der Bund hält dagegen, dass die Firmen bei einer Kündigung aus mehreren Gründen gar keine Ansprüche hätten.

Union zweifelt an Schilderungen der Manager

Vor diesem Hintergrund meldete die Union denn auch ausdrückliche Zweifel an den Aussagen der Manager an. Unions-Obmann Ulrich Lange (CSU) sagte, Scheuers Aussage sei überzeugend gewesen. "Die Betreiber konnten dagegen nicht den Anschein entkräften, dass ihre Aussagen möglicherweise von wirtschaftlichen Eigeninteressen im parallelen Schiedsverfahren motiviert sind."

Aus der CSU in München hieß es am Freitag, Scheuers Auftritt sei kein Freispruch - aber er habe sich besser geschlagen, als viele Kritiker gefürchtet haben. Scheuer habe sich Luft verschafft. Weiterhin würden die Vorwürfe aber schwer wiegen und man müsse abwarten, wie es im Ausschuss weitergehe.

Die Opposition sieht Scheuer schwer belastet. Er sei in "schweres Fahrwasser geraten", sagte Grünen-Obmann Stephan Kühn. "Er hat sich nicht verteidigen können, weil er an den entscheidenden Stellen Erinnerungs- und Wissenslücken hat." Sein Fraktionskollege Oliver Krischer sagte: "Die Glaubwürdigkeit des Ministers dürfte jetzt endgültig ruiniert sein." Es werde immer einsamer um ihn. Oliver Luksic (FDP) hielt Scheuer vor, die Unwahrheit gesagt und den Betreibern "gedroht" zu haben, den Sachverhalt anders darzustellen. "Erinnerungslücken sind keine Entlastung für den Minister."

Auch der Koalitionspartner SPD sieht nach den widersprüchlichen Aussagen Scheuers und der Firmen Klärungsbedarf. "Es geht um sehr ernste Vorwürfe gegen den Minister", sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Und fügte noch hinzu: "Jede Partei entscheidet, wer für sie als Minister im Kabinett sitzt." CSU-Chef Markus Söder könne sich "nicht länger wegducken". Scheuer, Schulenberg und Kapsch könnten nun gemeinsam im Ausschuss befragt werden, in einer Art "Kreuzverhör" - jedenfalls wollen das Oppositionspolitiker beantragen. Die Aufklärung der Maut ist noch lange nicht am Ziel. (dpa)

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