Bereits Mitte Dezember informierte Rüdiger Hackhausen (56) unsere Redaktion vorab von seinem bevorstehenden Ausscheiden. Er war AUTOHAUS gegenüber bereits aus seinen früheren Tätigkeiten ein stets verlässlicher und fachkundiger Gesprächspartner, bezog zu aktuellen Branchenthemen offen Stellung und reihte sich u.a. auch in den hochkarätigen Referentenkreis von Allianz-Schadenverantwortlichen mit ein, die seit 2005 auf den jährlichen AUTOHAUS-Schadenforen in Potsdam und Dresden vortrugen.
Von den insgesamt 37 Jahren seiner Tätigkeit in der Assekuranzwirtschaft verbrachte Rüdiger Hackhausen insgesamt 24 Jahre in unterschiedlichen Führungsfunktionen bei der Agrippina Versicherung, der DA Direkt, bei Deutscher Herold Allgemeine Versicherung und der Zurich Versicherung. Bis zu seinem Wechsel zur Allianz Versicherung AG war er als Mitglied des Holdingvorstands und Chief Claims Officer für das Ressort Schaden der Zurich Gruppe Deutschland verantwortlich.
Erstes zentrales Assekuranz-Betrugsdezernat
In dieser Funktion gründete er im Jahr 2010 auch eine eigene Abteilung zur Bekämpfung von Versicherungsbetrug. Erstmals in der deutschen Assekuranz gab es damit bei der Zurich ein zentrales Betrugsdezernat, welches für alle Bereiche des Unternehmens gleichzeitig zuständig ist. Hackhausen hatte damit eine wirksame Maßnahme ins Leben gerufen, um dem Versicherungsbetrug, den er damals auch in öffentlichen Auftritten beispielsweise bei der TV-Moderatorin Sandra Maischberger bereits mit vier Milliarden Euro jährlich für die deutsche Versicherungswirtschaft bezifferte, den Kampf anzusagen. Während seiner Zeit bei der Zurich in Köln war er zeitgleich Vorstandsmitglied der ADAC Autoversicherung AG.
Die "Ära" Allianz – sogar der ADAC "folgte" ihm nach München
Nach Gründung des Ressorts Schaden bei der Allianz wechselte Hackhausen 2012 nach München in die Geschäftsleitung Schaden der Allianz. Als Leiter des Fachstabs Schaden war er damit insgesamt neun Jahre lang für die strategische Weiterentwicklung des Ressorts Schaden verantwortlich und trug als Geschäftsführer gemeinsam mit Dr. Christoph Lauterwasser zudem Verantwortung für das Allianz Zentrum für Technik (AZT) in Ismaning.
Nachdem die Zurich-Versicherung ihren 51-Prozent-Anteil an der 2007 gegründeten ADAC Autoversicherung-AG vorvertraglich bereits zum 1. Januar 2019 an die Allianz übertragen hatte, war Hackhausen die letzten beiden Jahre neuerlich (wie zuvor bereits in seiner Zurich-Zeit) auch für das Schadengeschäft der ADAC Autoversicherung mit verantwortlich.
AZT, Crashs & Instandsetzungspraxis
Überhaupt zählte er über alle Jahre zu den "Aktivposten", die in der deutschen Assekuranz-Schadenwelt regelmäßig vernehmbar waren. Und er scheute auch keine Themen aus der Instandsetzungspraxis. So hielt er beispielsweise 2013 eine gute Tradition des AZT aufrecht und untersuchte gemeinsam mit Dr. Lauterwasser auf dem Testgelände von Volkswagen in Wolfsburg das 64 km/h-Crashverhalten eines VW Up!, nachdem dieser zuvor insgesamt dreimal nach typischen Stadtschäden instandgesetzt worden war. Die Kardinalfrage: Funktionieren alle Sicherheitssysteme auch nach mehreren vorangegangenen Unfallreparaturen noch verlässlich?
Online-Portal und Kriminalitätsbekämpfung
Ebenfalls 2013 wurde unter der Verantwortung von Rüdiger Hackhausen der sogenannte "Werkstatt-Service mit Online-Portal" ausgerollt und schon 2015 stellte er zusammen mit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Allianz Versicherungs-AG, Dr. Alexander Vollert (heute CEO des AXA-Konzerns in Köln), auch in München Maßnahmen gegen vorsätzlichen Versicherungsbetrug vor. Dieses Thema trieb er bis zuletzt bei der Allianz im engen Schulterschluss mit Schadenvorstand Jochen Haug und auch für die deutschen Versicherer insgesamt in seiner weiteren Funktion als Vorsitzender der Kommission Kriminalitätsbekämpfung im GDV stark voran. Zuletzt im Herbst des vergangenen Jahres, als die von ihm benannte Schadensumme aus Betrug – "durch die Corona-Folgen zusätzlich befeuert" – auf mittlerweile rund fünf Milliarden Euro angewachsen war.
Wie ereignisreich die Allianz-Jahre von Hackhausen als Leiter des Schadenstabs gemeinsam mit zunächst Mathias Scheuber (heute Vorstandschef der ERGO Versicherung AG) und seit 2018 mit Jochen Haug als jeweiligem Schadenvorstand waren, zeigt auch ein Blick in die Redaktionschronik des AUTOHAUS-Schadensmanager:
Beherrschung von Hagel- und anderen Kumulschäden
2016 wurden neue Projekte und Maßnahmen zur verbesserten Kumulschäden-Abarbeitung umgesetzt und Hagelschaden-Besichtigungen mit eigenen Hagelscannern professionalisiert. Auch die End-to-End-Bearbeitung in Kraftschaden und neue Methoden der Schadenhöhenfeststellung am Beispiel von Allianz SchadenAssistent und Scannern waren wichtige Themen, die Hackhausen exklusiv 2016 auf dem AUTOHAUS-Schadenforum präsentierte.
Digitalisierung als Corona-Vorteil
Überhaupt wurden bereits vor fünf Jahren Digitalisierung und Automatisierung massiv angeschoben. 2019 endgültig umgesetzt war zudem die sogenannte Live-Stream-Kalkulation (LSK): Für die Allianz war das schon ein Jahr später ein wichtiger strategischer und Wettbewerbs-Vorteil im Kampf gegen Corona, da man vom ersten Tag des Lockdowns an in der Lage war, Schadenkalkulationen kontaktlos und in Echtzeit via LSK abzuwickeln.
SPN und neue Strukturen
Mit Hackhausen und seinem heutigen Kraftschadenchef Dominik Hertel, der als Mitgeschäftsführer der Service-Partner-Netzwerk GmbH zusätzlich entscheidende Richtungsvorgaben bei der Schadenabwicklung in den SPN-Partnerbetrieben mit initiierte, war es für Vorstand Jochen Haug denn auch vergleichsweise unproblematisch, das gesamte Schadenressort neu zu strukturieren. Kernpunkt der Maßnahme: Durch eine bundesweite Zusammenziehung von Mitarbeitern sollten regionale Großschadenereignisse ihren "Schrecken" verlieren. Die Neuordnung zeigte bereits beim großen Pfingstmontagshagel von Juni 2019 denn auch die erwünschte Wirkung, als mehr als 20.000 Kfz-Schäden in wenigen Wochen fallabschließend besichtigt und reguliert werden konnten.
Abschied mit Wehmut und Verständnis
Es nimmt nicht Wunder, dass Haug gegenüber AUTOHAUS kürzlich erklärte, er verliere nur sehr ungern seinen Stabs-Chef, habe gleichzeitig aber vollstes Verständnis dafür, dass Rüdiger Hackhausen sich zugunsten seiner Familie nach gut 37 Berufsjahren in der Versicherungswirtschaft eine selbstgewählte Auszeit gönnen möchte, ehe er danach möglicherweise nochmals auf die Suche nach einer "ganz neuen Herausforderung in Heimatnähe" (O-Ton des mit Wohnsitz in Köln ansässigen Hackhausen) geht.
Christopher Iwanowski – der neue Schaden-Stabschef
Hackhausen‘s Nachfolger heißt Christopher Iwanowski und ist 38 Jahre alt. Iwanowski studierte in Karlsruhe und Dublin Wirtschaftsmathematik. Nach seinem Studium war er im In- und Ausland zunächst im Bankenwesen tätig, ehe er 2011 in die Allianz als Assistent des Vorstands eintrat. Im Anschluss leitete er diverse Projekte in verschiedenen Bereichen. Im Vertrieb übernahm er die Leitung einer Geschäftsstelle und führte so Teile des operativen Vertriebs.
2017 wechselte Iwanowski zurück in den Innendienst als Leiter Produkt und Account Management im Bereich Automotive. Hier verantwortete er die Produktgestaltung und Hersteller- sowie Importeurkooperationen der großen Automobilmarken. 2019 schließlich übernahm er die Leitung im Fachstab Privat und Firmen Operations in der Allianz Versicherungs-AG, wo er seitdem für die Harmonisierung und Digitalisierung der Prozesse mit Fokus auf den Kunden zuständig ist. Offiziell zum 1. Januar 2021 übernahm Christopher Iwanowski nun die Leitung des Fachstabs Schaden und berichtet direkt an den Schadenvorstand Jochen Haug. (bs)