Laut den Aussagen von 1.075 Befragten haben sich die Ängste der Bundesbürger durch Corona und die Folgen - leere Straßen, verwaiste Büros und Geschäfte, ein Leben auf Distanz - deutlich verändert. So ist die Furcht vor einer Verschlechterung der Wirtschaftlage sprunghaft angestiegen: Sie klettert um 23 Prozentpunkte auf 58 Prozent und damit auf den höchsten Wert seit zehn Jahren, als die Finanzmarktkrise Rezessionsängste schürte. Die Sorgen sind laut Prof. Dr. Manfred G. Schmidt, Politikwissenschaftler an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, begründet: "Wenn die Corona-Pandemie länger dauert, könnte der Absturz schwerer ausfallen als 2009. Damals schrumpfte die Wirtschaftsleistung in Deutschland um 5,6 Prozent." Bemerkenswert: Frauen (61 Prozent) beurteilen die Aussichten für die deutsche Wirtschaft skeptischer als Männer (54 Prozent). Jüngere Befragte bis 30 Jahre (51 Prozent) sind in dieser Frage hingegen etwas optimistischer als die ältere Generation (59 Prozent).
Angst vor Krankheit größer als vor Arbeitslosigkeit
Um den eigenen Job bangt nur jeder vierte Bundesbürger (24 Prozent), hier machen sich vor allem die jüngeren (36% der unter 30-jährigen) und weiblichen (28 Prozent) überdurchschnittlich Sorgen. Ihren Höchststand hatte die Angst vor Arbeitslosigkeit in den Jahren 2004/05, als die Quote der Personen ohne Beschäftigung 11,7 Prozent erreichte. Professor Schmidt sieht solche Entwicklungen aktuell noch nicht auf die Bundesrepublik zukommen: "Das Kurzarbeitergeld verhindert Entlassungen mehrerer Millionen Arbeitnehmer, das Hilfspaket der Bundesregierung unterstützt zudem große, mittlere und kleine Wirtschaftsbetriebe. Zudem ist ein Teil der Beschäftigten, etwa systemrelevante Berufe im Gesundheitswesen oder im staatlichen Sektor, gegen den Wirtschaftseinbruch geschützt."
Die Angst, schwer zu erkranken, ist nur leicht angestiegen – um sechs Prozentpunkte auf 41 Prozent. Überraschenderweise ist die Sorge in allen Altersgruppen annähernd gleich hoch, die sonst deutlich sorgloseren Jüngeren haben laut Schmidt erkannt, "dass Covid-19 nicht nur Ältere treffen kann".
Vertrauen in die Politik
Mit 46 (2019: 47) Prozent befürchten weniger als die Hälfte der Befragten, dass die Politiker von ihren aktuellen Aufgaben überfordert sind. Dies stellt eine der besten Bewertungen der vergangenen 20 Jahre dar, während in der Finanz- oder Flüchtlingskrise mehr als 60 Prozent die Führungsriege der Bundesrepublik anzweifelte. "Das Krisenmanagement der Regierung in der Corona-Krise wird anerkannt", bestätigt Professor Schmidt.
Etablierte Langzeitstudie
Seit fast 30 Jahren untersucht das R+V-Infocenter in der Langzeitstudie "Die Ängste der Deutschen" im Sommer die Sorgen der Bundesbürger rund um Politik, Wirtschaft, Umwelt und Gesundheit. Für die aktuelle Sonderbefragung hat die R+V vier Bereiche ausgewählt, die in der Corona-Krise große Bedeutung haben:
• Steigt durch die hohen Infektionsraten die Angst vor einer schweren Erkrankung?
• Befürchten jetzt mehr Menschen eine Rezession?
• Wie groß ist die Angst vor dem Verlust des eigenen Jobs?
• Wie beurteilen die Deutschen die Arbeit der Politiker?
"Uns hat in dieser Ausnahmesituation besonders der Vergleich zum vergangenen Sommer interessiert – zu einer Zeit, in der sich kaum jemand eine solche Pandemie hätte vorstellen können", sagt Brigitte Römstedt, Leiterin des R+V-Infocenters. (kt)