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Ab Juli FAS-Pflicht für Neuwagen: "Schäden werden weniger, aber dafür teurer"

24.06.2024 11:57 Uhr | Lesezeit: 6 min
Bosch
Neuwagen müssen ab 7. Juli 2024 mit einer ganzen Reihe von Fahrerassistenzsystemen verpflichtend ausgestattet sein und definieren Sicherheit damit immer mehr über Software. Versicherer rechnen aber erst ab dem Jahr 2035 mit signifikant geringeren Schadenkosten.
© Foto: Bosch

Neuwagen müssen ab dem 7. Juli europaweit mit verschiedenen Assistenzsystemen ausgestattet sein. Bis 2038 will die EU-Kommission damit mehr als 25.000 Unfalltote und mindestens 140.000 Schwerverletzte vermeiden. Die Versicherer rechnen mittel- und langfristig mit weniger, dafür aber teureren Schäden.

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Die EU-Verordnung 2019/2144 vom 6. Juli 2022 führt bereits seit zwei Jahren entsprechende Pflichten für Fahrerassistenzsysteme (FAS) mit sich. Die umfangreichste Pflicht aber greift jetzt zum 7. Juli 2024. Ab diesem Tag dürfen Neuwagen EU-weit nurmehr dann in Verkehr gebracht werden, wenn sie über eine ganze Reihe von FAS sowie eine Blackbox zur Speicherung von Unfalldaten und eine Alkolock-Vorrichtung verfügen, die bei Bedarf Fahren unter Akoholeinfluss verhindert.

Bei einer Neuwagen-Zulassung ab dem 7. Juli 2024 müssen folgende FAS zwingend vorhanden sein:

Intelligent Speed Assistent (ISA)

Der so bezeichnete Geschwindigkeitsassistent erkennt Geschwindigkeitsbegrenzungen (z.B. mittels Verkehrszeichenerfassung) und warnt den Fahrer optisch und akustisch, wenn die Höchstgeschwindigkeit überschritten ist.

Müdigkeits- und Aufmerksamkeitswarner

Der sogenannte Müdigkeits- und Aufmerksamkeitswarner erkennt den Konzentrationszustand und Aufmerksamkeitsgrad des Fahrers. Im Gefahrenfall kommt es zu optischen sowie akustischen Warnungen. Die körperliche Gesamtverfassung des Fahrers wird indirekt überwacht. Dazu wertet eine KI z.B. Fahr- oder Lenkmuster dahingehend aus, ob auf eine verringerte Aufmerksamkeit aufgrund von Müdigkeit zu schließen ist. Auch sogenannte Augenkameras können zum Einsatz kommen.

Aktiver und Notfall-Spurhalteassistent

Ab einer Geschwindigkeit von 60 km/h ist ein Spurhalteassistent Pflicht. Er warnt zuerst mit optischen, akustischen oder haptischen Signalen (Lenkradvibrieren). Der Notfall-Spurhalteassistent warnt den Fahrer und korrigiert die Fahrtrichtung aktiv, wenn der Fahrer unbeabsichtigt die Fahrspur verlässt.

Erweiterter Kopfaufprallschutz

Um die Überlebenschancen von Fußgängern und Radfahrern bei einem Unfall zu verbessern, wurden in Bereichen, in denen im Normallfall der Kopfaufprall stattfindet, werden die Anforderungen der Crashtests verschärft. Das soll zu erhöhter passiver Sicherheit und einem besseren Personenschutz der Karosserie beitragen.

Notbremsassistent

Der Notbremsassistent überwacht Abstand, Beschleunigung, Lenkwinkel und Pedalstellung. Bei einer Gefahrensituation bremst er das Fahrzeug selbstständig ab oder unterstützt den Bremsvorgang. Häufig helfen sogenannte LiDAR-Sensoren bei der Identifizierung von Objekten im Verkehrsfluss. Bereits seit Juli 2022 muss das Notbrems-Assistenzsystem verbindlich eingebaut werden, um die Typgenehmigung zu bekommen. Ab Juli 2024 ist der Notbremsassistent dann Pflicht für die Neuzulassung von Autos und leichten Nutzfahrzeugen.

Notbremslichter

Das Notbremslicht (auch bekannt unter "adaptives Bremslichr") kommt bei Vollbremsungen ab 50 km/h zum Einsatz. Dabei müssen jetzt alle roten und gelben Rückleuchten aufleuchten. Dieses System soll anderen Verkehrsteilnehmern unmissverständlich und deutlicher als bisher zeigen, dass man sich in einem abrupten (Not)-Bremsvorgang befindet.

Rückfahrassistent

Dieses FAS unetrstützt beim Rückwärtsfahren und soll vor allem dazu beitragen, dass andere Verkehrsteilnehmer hinter dem Fahrzeug besser erkannt werden. Bisher war diese Ausstattung bei vielen Herstellern optional, in 14 Tagen wird es zum Standard in Neufahrzeugen.

Reifendrucküberwachung

Die Reifendrucküberwachung informiert den Fahrer mit entsprechender Anzeige im Display oder einer Warnung über den vorhandenen Reifenluftdruck oder einen plötzlichen Druckverlust z.B. bei Beschädigung des Reifens.

NBA: Pro Jahr 200.000 weniger Unfälle mit Personenschaden

Laut EU-Statistik sind aktuell noch 95 Prozent auf menschliches Versagen zurückzuführen. Zur Vermeidung von Unfällen wird nach Prognosen der Kfz-Versicherer hauptsächlich der Notbremsassistent beitragen. "Wir gehen davon aus, dass der Notbremsassistent die Häufigkeit von Pkw-Unfällen, bei denen Dritte zu Schaden kommen, um insgesamt 8 bis 9 Prozent bzw. mehr als 200.000 Unfälle pro Jahr senken kann – wenn alle Autos damit ausgestattet sind", sagt der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen.

Da sich Neuwagen und mit ihnen die verpflichtenden Assistenzsysteme aber nur langsam im Fahrzeugbestand verbreiten, werde es bis dahin noch mehr als ein Jahrzehnt dauern. Mit einer vollständigen Verbreitung der Notbremsassistenten rechnen die Versicherer nicht vor dem Jahr 2035.

Zusätzliche Technik verteuert Reparaturen

Andere Helfer hätten hingegen deutlich kleinere Effekte: So dürfte der ebenfalls verpflichtende Spurhalteassistent die Unfallhäufigkeit um weniger als ein Prozent senken. „Assistenzsysteme haben auf viele Schäden gar keinen Einfluss und verhindern in der Praxis weniger Unfälle als in der Theorie“, so Asmussen. Er weist zudem auf einen weiteren Effekt der Assistenzsysteme hin: Die zusätzliche Technik macht Reparaturen teurer.

"Neue Technik wie Sensoren und Kamerasysteme müssen im Schadenfall ausgetauscht oder neu kalibriert werden. Ein Assistenzsystem macht etwa den Austausch einer Windschutzscheibe um rund 25 Prozent teurer“, sagt Asmussen.

Trotz der Teuerungen bei nötigen Instandsetzungen geht die EU-Kommission ihrerseits  davon aus, mit der Assistenzsystem-Pflicht bis 2038 mehr als 25.000 Unfalltote und mindestens 140.000 Schwerverletzte in Europa vermeiden zu können.

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