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Goslar-Institut: Telematik-Tarife machen Kfz-Versicherung fairer und anfassbar

11.02.2020 19:24 Uhr
Goslar-Institut: Telematik-Tarife machen Kfz-Versicherung fairer und anfassbar
Sie diskutierten unter Leitung von Moderatorin Carola Ferstl (mi.) auf der Veranstaltung der Studiengesellschaft für verbrauchergerechtes Versichern im Rahmen des Verkehrsgerichtstages in Goslar die Chancen und Risiken von Telematik-Tarifen in der Kfz-Versicherung (v.l.): Datenschutzexperte Sven Hermerschmidt, Publizist Guido Reinking, Verbraucherschützer Hermann-Josef Tenhagen, HUK-Coburg Kfz-Vorstand Dr. Jörg Rheinländer und Versicherungsforscher Prof. Dr. Fred Wagner.
© Foto: Goslar Diskurs

Laut den Experten beim Goslar Diskurs bieten Pay-as-you-Drive-Policen Chancen für mehr Sicherheit und Wirtschaftlichkeit im Straßenverkehr. Probleme in Sachen Datenschutz sehen sie nicht – solange entsprechende Angebote transparent und freiwillig sind.

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Immer mehr Autofahrer entscheiden sich bewusst für auf Basis des tatsächlichen Fahrverhaltens individuell eingepreiste Versicherungsverträge. Branchenprimus HUK-Coburg hat laut Kfz-Vorstand Dr. Jörg Rheinländer bereits rund 200.000 Telematik-Policen im Bestand. Die Gründe dafür liegen nicht nur im wirtschaftlichen Vorteil – wer sicher und vorausschauend unterwegs ist, erhält bis zu 30 Prozent Nachlass auf die Versicherungsprämie. Viele Kunden sind laut Dr. Rheinländer auch dafür offen, regelmäßig Feedback zu ihrem persönlichen Fahrstil zu bekommen: "Kfz-Versicherung wird anfassbar, man kann selbst erleben, wie risikobewusst man fährt." Der digitale Schritt in Richtung individuellere Prämiengestaltung funktioniert bei der HUK-Coburg über einen Sensor, der an die Frontscheibe geklebt und mit einer Smartphone-App gekoppelt wird. Er ermittelt Informationen rund um Geschwindigkeit, Beschleunigungs- und Bremswerte und liefert für jede Fahrt entsprechende Rückmeldungen aufs Handy.

Gerechtigkeit und echter Mehrwert

Da der Versicherungsnehmer durch sein persönliches Fahrverhalten Einfluss auf die Höhe seiner Jahresprämie nehmen könne, werde ihm echter Mehrwert zuteil, unterstrich Prof. Dr. Fred Wagner vom Institut für Versicherungslehre (IVL) der Universität Leipzig. Laut einer Untersuchung zum Umgang der Bundesbürger im Umgang mit Big Data kam Wagner mit seinen Kollegen Prof. Dr. Susanne Knorre und Prof. Horst Müller-Peters unter anderem zu folgendem Ergebnis: "Bei allen Big-Brother-Szenarien in der Debatte über Massendaten dürfen die tatsächlichen Vorteile nicht vergessen werden, die sich durch die Verwendung von persönlichen Daten ergeben können." Solange der Nachlass adäquat sei, werde auch das Versicherungskollektiv nicht ausgehebelt, ganz im Gegenteil: "Bisher für die individuelle Tarifierung herangezogene Informationen wie Autotyp, Zulassungsregion, Dauer des Führerscheinbesitzes, Jahresfahrleistung oder Garagenunterbringung sind nur Ersatzmerkmale für Unfallrisiken. Das tatsächliche Fahrverhalten zu berücksichtigen führt zu ehrlicheren Prämien – für jedes Risiko wird der Preis in Form des korrekten Schadenserwartungswerts bezahlt."

Vertrauen als Grundvoraussetzung

Verbraucherschützer und Finanztip-Chefredakteur Hermann-Josef Tenhagen vertrat die Ansicht, dass die Preisgabe der eigenen Fahrdaten im Gegenzug zu einer Vergünstigung von realistisch betrachtet 15 bis 20 Prozent "ein Deal ist, den man machen kann". Entscheidend ist für ihn, dass der Versicherungsnehmer weiß, welche Daten erhoben und wie diese verarbeitet werden. Die Verbraucher müssen ihrem Versicherungspartner vertrauen können, forderte Tenhagen und betonte: "Informationen zur Tageszeit und zum Stadtteil sollten nicht herangezogen werden dürfen. Eine Krankenschwester darf nicht mit höheren Versicherungskosten dafür bezahlen, dass sie zur Frühschicht muss." Solange jedem Autofahrer bewusst sei, dass zu schnelles Fahren die Prämie erhöhen kann, sei "Telematik völlig in Ordnung". Schließlich bestehe das Risiko nicht nur im Beschädigen des eigenen Fahrzeugs, sondern auch in der Verletzung oder gar Tötung anderer Menschen: "Wenn die Technik dazu beiträgt, diese Gefahren besser einzufangen, muss man gesellschaftlich gesehen eigentlich dafür sein."

Enge Zweckbindung notwendig

Auch Sven Hermerschmidt, Referatsleiter beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, sieht Telematik als mögliche Chance für "Benefit von der Digitalisierung". Wer seine Daten preisgebe, verdiene eine Garantie, dass diese nur für den angegebenen Zweck verwendet würden – auch gegenüber staatlichen Interessen beziehungsweise Einrichtungen. Gemessen an den ohnehin durch moderne Fahrzeuge gesammelten Informationen sind Kfz-Versicherungen mit PAYD-Tarifen laut dem Datenschutzexperten ein "geradezu simples Geschäftsmodell. Abgesehen von den Lokalisierungsdaten ist die Sensibilität der Informationen vergleichsweise gering und muss nicht zu einer unerwünschten Diskriminierung führen". Solange Vertrauen über Freiwilligkeit, Transparenz und Datensicherheit hergestellt wird, "sei gegen zweckgebunden verwendete Telematik-Daten nichts einzuwenden".

Telematik hilft Unfälle verhindern

Bereits heute würden Automobilhersteller eine Vielzahl von Informationen über das tatsächliche Fahrverhalten ihrer Kunden erhalten, berichtete Publizist Guido Reinking. Ein modernes Fahrzeug warne bereits vor Geschwindigkeitsüberschreitungen, generell würden aber noch zu wenige Services per Connectivity aus Fahrzeugdaten generiert. Durch die Verbindung zum jeweiligen Fahrer leisten Telematiktarife laut Reinking genau das, obwohl Systeme wie das der HUK-Coburg deutlich weniger Informationen sammle: "Wenn der Kunde das wünscht, könnten Informationen über die Querbeschleunigung oder das Eingreifen von ABS, ESP und Co. schon heute zur Verhinderung von Unfällen herangezogen werden." Dass Telematik dies leisten könne, zeige eine Testgruppe der HUK-Coburg: "Die Schadenhäufigkeit wird durch genaues Feedback, wann und wo sich ein Fahrer hinter dem Steuer unvorteilhaft verhalten hat, deutlich verringert. Versicherungsnehmer lernen so zum Wohle der Verkehrssicherheit."

Datenzugang muss frei sein

Deswegen setzten sich die Kfz-Versicherer bei der Automobilindustrie intensiv für einen diskriminierungsfreien Zugang zu Fahrzeuginformationen ein. "Die Daten gehören letztlich dem Kunden und er alleine hat darüber zu bestimmen. Wenn er einen Telematik-Tarif möchte, warum soll er Informationen aus seinem Auto nicht an seine Kfz-Versicherung geben?", stellte Dr. Rheinländer die aktuelle Situation in Frage. Am Ende wird laut Prof. Dr. Wagner der Erfolg verhaltensbasierter Systeme wie PAYD dadurch entschieden, ob Anbieter Vertrauen bei den Nutzern etablieren können. Neben der Herausstellung des tatsächlichen Mehrwerts sei deshalb tunlichst zu vermeiden, "Kundendaten über die vereinbarte Nutzung hinaus auszuwerten", so der Leipziger Wissenschaftler. Vorgaben, die die HUK-Coburg laut Dr. Rheinländer komplett erfüllt: Die Versicherungsbedingungen erklärten genau, welche Informationen zu welchem Zweck gesammelt werden. (kt)

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