Ausgabe 09/2007: Bremsentuning / Viel sinnvoller als eine ...

Bremsentuning / Viel sinnvoller als eine Steigerung der Motorleistung ist die Optimierung der Bremse eines Fahrzeugs. Ein Gespräch dazu mit Christoph Diwo, dem technischen Leiter der KÜS.Steherqualität von Thomas SeidenstückerTuning liegt weiter im Trend, doch die Tuningkundschaft ist sehr vielschichtig. Der eine liebt den spektakulären Auftritt, hat aber nichts unter der Haube, der andere mag es eher dezent und verblüfft gerne an der langen Autobahnsteigung mit sattem Durchzug, ein anderer lebt seine Tuningemotionen mit hohem Invest in technische Raffinessen aus. Ein tuningaffines Autohaus sollte sich auf alle Kundenwünsche einstellen, doch dabei stets den Blick auf seriöses und gesetzkonformes Tuning richten. Dazu gehört auch ein Bereich, der in der Praxis eher verborgen hinter der Felge bleibt, doch in Zusammenhang mit leistungsgesteigerten Motoren oder auch separat ein interessantes Zusatzfeld für Autohäuser eröffnet: Bremsentuning. Denn die Bremse eines Autos kann nie gut, sondern immer nur besser sein. Doch worauf ist beim Bremsentuning zu achten? Wir sprachen mit Christoph Diwo, technischer Leiter der Kraftfahrzeug-Überwachungsorganisation freiberuflicher Kfz-Sachverständiger e.V. (KÜS). Keine generelle AussageAH: Herr Diwo, ab welcher Leistungssteigerung muss die Bremse eines Autos angepasst werden?C. Diwo: Wenn wir den Begriff Leistungssteigerung verwenden, ist in der Regel eine Veränderung der Antriebsmaschine gemeint um die Motorleistung oder das Motordrehmoment oder beides gleichzeitig zu steigern. Zwingende Forderung nach derartigen Tuningmaßnahmen ist eine ausreichende Betriebs- und Verkehrssicherheit unter allen üblichen Fahrzuständen. Dazu zählen Fahrten mit Höchstgeschwindigkeit und das Bremsen aus der Höchstgeschwindigkeit. Generell ist es aber nicht möglich aus technischer Sicht zu sagen, ab einer Leistungssteigerung von X Prozent ist eine Änderung der Bremsanlage vorgeschrieben. Hier muss eine detaillierte Prüfung im jeweils vorliegenden Fall erfolgen, die von einer Vielzahl Parametern abhängig ist.Bei einer Steigerung der Leistung bis 20 Prozent ist die Grundlage für die Urteilsfindung das Prüfverfahren der Typgenehmigung des unveränderten Fahrzeuges in Bezug auf die Bremsanlage. Dieses Verfahren findet zunächst auch bei einer Leistungssteigerung über 20 Prozent Anwendung, wird allerdings um gesonderte Fahrversuche zur Prüfung des Bremsverhaltens aus hohen Geschwindigkeiten erweitert.AH: Auf welcher gesetzlichen Grundlage basiert das?C. Diwo: Die Fahrzeuge müssen auch mit der erhöhten Motorleistung die gesetzlichen Forderungen der EU-Richtlinie des Rates 71/320/EWG erfüllen. Dies wird bei Leistungssteigerungen im Rahmen der Erstellung von gültigen Prüfgrundlagen über die Anforderungen des VdTÜV-Merkblattes Nr. 751 abgeprüft.Aerodynamische GründeAH: Welche anderen Bedingungen neben der Steigerung der Motorleistung gibt es, die ebenfalls eine Änderung/Anpassung der Bremse notwendig machen?C. Diwo: Stellvertretend kann man hier nachträglich angebaute Luftleiteinrichtungen oder Fahrwerksänderungen erwähnen. Bereits ein Frontspoiler kann die thermische Belastung der Bremsanlage unzulässig erhöhen und damit Änderungen der Bremsanlage erforderlich machen. Im Falle einer Fahrwerksänderung ist beispielsweise zu beachten, dass bei Fahrzeugen, die mit einem federweg- oder federdruckabhängigen Bremsdruckregelventil (ALB-Regler) ausgerüstet sind, dieses Ventil voll funktionsfähig bleibt. Gegebenenfalls ist durch geeignete technische Maßnahmen sicherzustellen, dass das Fahrzeug nicht mit unzulässiger ALB-Reglerfunktion betrieben werden kann.AH: Welche Empfehlungen geben Sie Autohäusern bezüglich Bremsentuning?C. Diwo: Generell sind technische Änderungen im Bereich der Bremsanlage nur vorzunehmen, wenn für die beabsichtigten Änderungen eine gültige Prüfgrundlage vorliegt. Unzulässige Änderungen führen zum Erlöschen der Betriebserlaubnis. AH: Worauf muss man bei den Bremsentuningteilen achten?C. Diwo: Wird für Änderungen der Bremsanlage auf die Produkte namhafter Hersteller zurückgegriffen, so sind in der Regel im Rahmen des Genehmigungsverfahrens die notwendigen Prüfungen absolviert worden und einer Änderungsabnahme nach §19(3) StVZO steht nichts im Wege. Sollte der Fahrzeughalter beabsichtigen, eine für sein Fahrzeug nicht genehmigte Bremsanlage zu verwenden, so kommen auf den Halter unter Umständen deutlich höhere Kosten zu, mit der Ungewissheit, ob das Ergebnis der Prüfung nicht lautet: "Die Änderungen an der Bremsanlage sind unzulässig." Nicht sparenAH: Ist es einfacher, statt einer Tuningbremse auf die Bremsanlage eines leistungsstärkeren Fahrzeugs des gleichen Fahrzeugherstellers zurückzugreifen?C. Diwo: Beim Rückgriff auf Bremsanlagen anderer Fahrzeuge sind insbesondere die installierte Leistung, die jeweiligen Achslasten und die Schwerpunktlage des Spender- und Aufnahmefahrzeuges zu beachten.AH: Wie erfolgt die Eintragung einer anderen Bremsanlage? C. Diwo: Hier sind in der Regel aufwändigere Untersuchungen bis hin zu Fahrten im Höchstgeschwindigkeitsbereich und so genannte Heißbremsungen erforderlich. Diese können meist nicht in der jeweiligen Prüfstelle, sondern nur im Testgelände durchgeführt werden. Hier ist in jedem Fall eine Begutachtung bei einer Technischen Prüfstelle erforderlich. AH: Wie sind Ihre Praxiserfahrungen – was wird in Verbindung mit der Bremsenoptimierung häufig falsch gemacht?C. Diwo: Gerade im Bereich der Bremsen sollte man nicht am falschen Ende sparen und generell auf Original- und Markenersatzteile/-verschleißteile zurückgreifen. Plagiate, die man beispielsweise zu Dumpingpreisen über Internetportale erwerben kann, haben meist eine geringere Lebensdauer oder stellen gar eine Gefahr für Leib und Leben dar. Zusammengefasst lässt es sich plakativ unter dem Motto einer Kampagne, die wir unterstützen, auf den Punkt bringen: "Tune it! Safe"! AH: Herr Diwo, herzlichen Dank für das Gespräch!

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