Ausgabe 19/2007: Druntergeschaut

IAA / Rund eine Million Messebesucher stürmten die Messehallen in Frankfurt und sahen eine Branche im CO2-Fieber. Erwartungsgemäß drehten sich die meisten technischen Neuheiten um alles, was Autos sauberer und sparsamer macht.DruntergeschautVon Thomas SeidenstückerOb grüne Woche oder Ökoschau – die meisten Aussteller der IAA 2007 verstanden es meisterlich, das Thema CO2-Einsparung und saubere Antriebe ins rechte Licht zu rücken. Obgleich das manchmal sehr gekünstelt wirkte. Bemerkenswert die zahlreichen Wortkreationen der verschiedenen Fahrzeughersteller, die allesamt ausdrücken wollen, dass es sich jeweils um äußerst effiziente Vehikel handeln soll. Doch egal ob nun Bluetec, Blue Motion, Bio Lion, Airdream, Ecofuel, Greenline, e-concept, Recharge, Biopower, i-Blue, E-Flex, ECOnetic, H2-Renesis, Efficient Dynamic etc. – viele sparsame Fahrzeugkonzepte und Modelle auf der IAA waren Studien und kommen erst in den nächsten ein bis vier Jahren auf den Markt. Diesbezüglich traf das Motto der IAA – "Sehen, was morgen bewegt" – voll ins Schwarze. Manche mögen die Verzögerung kritisieren, doch wenn man Kühlschränke noch bis 2020 mit Ozonschichtschädigenden Kohlenwasserstoffverbindungen befüllen darf, sollte man das verschmerzen können.CO2-Einsparung ist wichtigWie drückte es Brabus Chef Bodo Buschmann in einem FAZ-Interview trefflich aus: "Solange man in Chinas Flüssen noch Filme entwickeln kann, weiß man doch, wo der Hebel für mehr Klimaschutz angesetzt werden muss." Da hat er sicher Recht (auch wenn er nach Rechtfertigungen für seine hochgezüchteten Fahrzeuge sucht) und man muss sich am Ende fragen: Warum fahren so viele auf diese mediengemachte CO2-Hysterie ab? Warum lassen sich die Fahrzeughersteller so aus der Reserve locken und färben ihre Stände mit Gewalt blau und grün, kleben grüne Bäumchen und Sonnenblumen an die Messecounter und lassen Vögel aus den Lautsprechern zwitschern? Nun, jeder will mitschwimmen im aufgeblasenen Erwartungsstrom und bloß nicht als Klimaschutzignorant gelten. Die CO2-Einsparung beim Straßenverkehr ist ohne Zweifel wichtig, und das, was durch Verbesserungen an Antrieb, Gewicht und Aerodynamik der Autos möglich ist, sollte man auch umsetzen. Doch leider wird hier ein Produkt von einigen auf üble Weise verteufelt, das seinerseits nur zu etwa zehn Prozent als Ursache einer Misere herangezogen werden kann. Wo blieb auf der IAA in Frankfurt die Aufklärung der Verbraucher zu den tatsächlichen Verhältnissen? Und vor allem: Wer garantiert uns, dass moderne Antriebstechnologie auch in anderen Regionen der Erde angenommen wird und wir uns am Ende nicht nur über teure Insellösungen freuen dürfen, die in der weltweiten CO2-Bilanz aber nur untere Prozentbereiche optimieren? PreisfrageWird es wirklich einen kurzfristigen Technologietransfer in Wachstumsmärkte geben? Warum setzten China und Indien dann nicht von vornherein auf Euro-5-Abgasnormen und Klimaanlagen mit CO2-Kältemittel? Kann sich der Verbraucher in Deutschland die neue Technologie überhaupt leisten, wenn gegenwärtig laut HU-Statistik immer mehr Leute nicht mal Geld für den Austausch der Bremsklötze ihres Fahrzeugs haben? Über acht Millionen Autos auf der Straße sind mit gravierenden, sicherheitsbedenklichen Mängeln unterwegs! (Doch das interessiert kaum jemanden. Über die Stoßdämpferprüfung diskutiert man seit 30 Jahren, die jährliche HU älterer Fahrzeuge steht auch in den Sternen.) Unterm Strich bleibt also fraglich, ob der vom VDA erwartete Schub für den schwächelnden deutschen Automarkt tatsächlich eintritt. Umfragen behaupten, dass jeder vierte Messebesucher im nächsten halben Jahr ein Auto kaufen will. Das wären bei 1.000.000 IAA-Besuchern 250.000 Zulassungen. Ob Neu- oder Gebrauchtwagen bleibt offen. Klarer sind da einige technische News der Frankfurter Autoschau, die die Bilder auf diesen Seiten zeigen. Ein langfristiges Ziel bei BMW ist weiterhin die Nutzung von Wasserstoff. Zudem zeigte man im Concept X6 ActiveHybrid einen Achtzylinder-Benzinmotor, der mit einem "Two-Mode"-Aktivgetriebe kombiniert ist. Je nach Fahrsituation wird das Drehmoment hier optimal genutzt und der Verbrauch im Vergleich zum konventionellen Fahrzeug um ca. 20 Prozent gesenkt. Die Produktion der Hybridkomponenten soll 2009 beginnen.Mitsubishi ersetzt bei seinem i EV-Modell (Innovative Electric Vehicle) den Verbrennungsmotor und Tank durch einen 47 kW Elektromotor und einen Lithium-Inonen Batteriepack. Gedacht ist das Fahrzeug für den Flottenbetrieb. Die Zielreichweite beträgt ca. 160 Kilometer, getankt wird zu Hause an der Steckdose (ca. sieben Stunden) oder an Schnellladestationen in 30 Minuten.Nicht nur Daimler kann Diesotto: Auch VW zeigte auf der IAA (wie schon mehrmals) eine Kombination aus Diesel und Ottomotor und sieht einen Markteinsatz ab 2015. Besondere Kennzeichen aus heutiger Sicht: Homogene Gemischbildung, hohe Abgasrückführung, Selbstzündung, Direkteinspritzung und Aufladung. Das höchste Potenzial für Kraftstoffersparnis und niedrige Emissionen ergibt sich hierbei mit synthetischen Kraftstoffen.

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