HB ohne Filter vom 17. April 2009
präsentiert von

Heute zu den Themen: Die Weltregierung, Abwrackprämien-Echo, Karmann Ghia – Maßstäbe, GM und Carl-Peter Forster, EDV-Branchenentwicklungen, Reinhold Würth und Kurzarbeit, Bahn-Chef Rüdiger Grube.
Steigen Sie ein in die Diskussion! Am Ende des Beitrags finden Sie den Button “Kommentare”. Klicken Sie darauf und kommentieren Sie Prof. Brachats Kommentar.
12. April – Ostersonntag
Die Weltregierung. In London probten ab 2. April die Staats- und Regierungschefs der 20 mächtigsten Volkswirtschaften den "Status" einer Weltregierung. Gesucht sind neue Wege aus der schlimmsten Wirtschaftskrise der letzten hundert Jahre. US-Präsident Barack Obama: "Die Krise hat in den USA begonnen. Ich übernehme die Verantwortung." Wichtigste Weichenstellungen: Kontrolle über die Finanzmärkte, die Ächtung der Steueroasen sowie Kreditzusagen für die ärmeren Länder. Das bedeutet Abkehr vom angelsächsischen Turbokapitalismus mit seinen ungeregelten Kreditmärkten, zweistelligen Renditeversprechen (Ackermanneffekt) und astronomischen Bonuszahlungen. Die Forderung der Chinesen, Weltmacht von morgen: "Schattenbanken" und Hedgefonds gehörten abgeschafft! In Folge soll nun eine neue internationale Aufsichtsbehörde geschaffen werden. Und wie lange wird die Umsetzung in der Praxis nun dauern?
Die internationalen Bankbilanzen sind weiter mit einem Billionenrisiko wertlos gewordener Kreditpapiere belastet, auch wenn die Gruppe der 20 drei Billionen Dollar für Banken und Konjunkturpakete ausgibt. Auch die stockenden Welthandelsgespräche zeigen die fundamentalen ökonomischen Gegensätze. Die Afrikaner, die Ärmsten der Welt, wollen auch eine Chance bekommen, die Auswirkungen der Krise zu bewältigen. Wie können sie im freien Handel ihre weltweit gefragten Rohstoffe wie Baumwolle, Diamanten oder Kupfer zu Preisen verkaufen, mit denen sie ernsthaft am globalen Wirtschaftskreislauf teilhaben können? In fünf Monaten soll in Kopenhagen das Kyoto-Protokoll abgelöst werden. Wie sehen die konkreten Umweltziele (Klimaschutz) aus? Die Themen Armut und Umwelt entscheiden langfristig über Wohlstand und Frieden. Die Weichenstellung für deren Lösung war in London ausgeklammert. Dennoch sagte die Bundeskanzlerin als Fazit: "Es ist ein sehr, sehr guter Kompromiss, ein fast historischer Kompromiss erreicht worden." Sie weiß um all die Details und Rangeleien der Vorabstimmungen im Hintergrund. Und Weltbank-Präsident Robert Zoellick: "Man muss das Unerwartete erwarten. 2009 wird ein gefährliches Jahr."
Mag sein, dass die G20-Veranstaltung nicht das richtige Treffen dafür ist. Über die Bonuszahlungen an diverse Top-Banken-Manager wurde gesprochen, wann und wo werden aber die Verantwortlichen für ihre Giftprodukte sichtbar zur Rechenschaft gezogen? Beispielsweise auch bei der HRE-Bank? Bei den Landesbanken?
13. April – Ostermontag
Abwrackprämien-Echo. Das Bundeskabinett hat den Rahmen der Abwrackprämie für Altautos von 1,5 auf fünf Milliarden Euro aufgestockt. Wer diverse Kommentare in einschlägigen Magazinen und Tageszeitungen liest, kann über die Einseitigkeit der Darstellungen nur staunen. Die SZ schreibt: "Es sind vor allem die ausländischen Autohersteller und VW, die von der Prämie profitieren." Und Opel und Ford? Sie werden nicht erwähnt. Opel wäre ohne die Abwrackprämie heute schon zahlungsunfähig? Und die Beseitigung der Kurzarbeit bei Ford und Opel? Sie wird totgeschwiegen. In der SZ ist weiter vom Öko-Schwindel die Rede. Derweil ist für die Neufahrzeuge Euronorm 4 vorgegeben, ab 1. September Euronorm 5. Jeder Käufer sieht sich sehr wohl beim Neuwagenkauf die künftigen Spritverbrauchswerte an. Wer sich jetzt einen Diesel zulegt, wird dies nur mit Partikelfilter tun.
Die Allerweltsjournalisten mögen sich beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg erkundigen, welche "Ökoschüsseln" endlich aus dem Verkehr gezogen wurden. Noch schlimmer, mindestens vier Millionen "Umweltschänderschüsseln" müssten noch aus dem Verkehr gezogen werden. Von der Frage der Verkehrssicherheit ganz zu schweigen. Daher wäre sogar strategisch zu überlegen, ob ab 1. Januar 2010 die Prämie nicht in der Form fortgesetzt werden sollte, dass grundsätzlich ein Umsteigen auf das Fahren sauberer Autos belohnt wird. Das käme gleichermaßen den Premiummarken zugute, wobei natürlich eine Obergrenze festzulegen wäre. Ein Ferrari 599 mit 490 Gramm CO2/km muss da ja nicht gemeint sein.
Der Spiegel zitiert Daimler-Chef Zetsche, der meint, dass die Autokäufe nur vorgezogen würden. Das mag bei jedem zweiten Auto der Fall sein. Tatsache aber ist, dass die "Schrottprämie" hinsichtlich der geschalteten Konjunkturprogramme die bislang erfolgreichste Auswirkung zeigt. Da muss sich bei Hausdämmung, Straßen- und Schienenbau, hinsichtlich der Bildungsinvestitionen noch viel rühren, bis das konjunkturelle Wirkung zeigt. Da ist das Jahr rum! Das tiefe Tal, den großen Einbruch, haben wir jetzt. Klar, wenn morgen neben Opel Daimler, BMW und andere nach staatlichen Fördergeldern beispielsweise für die Entwicklung neuer Techniken rufen, wird die Politik für den Autosektor politisch weniger Offenheit zeigen. Das sagen die Herren Zetsche, Stadler und Reithofer aber nicht, denken es jedoch.
Richtig ist die Feststellung, dass die Prämie kein sich selbst finanzierendes Perpetuum mobile der Steuerpolitik ist. Wer den Autokauf vorzieht oder wer ein Auto zu Lasten neuer Möbel oder Reisen erworben hat, verlagert die Umsatzsteuerzahlungen.
Es wird dann immer vom großen Einsturz nach Beendigung der Abwrackprämie gesprochen. Oben wurde eine sinnvolle Erweiterung für Umweltautos aufgezeigt. Italien hat die Prämie auch mehrfach verlängert. Sinnvoll wäre ferner eine Veränderung der Dienstwagenbesteuerung. Auch von dort könnten neue Impulse ausgehen. Aber da schweigt sich die Automobilindustrie in den Forderungen bewusst aus. Warum? Weil wir hier bereits eine absurde Subventionierung haben. Bei uns kann ein Zahnarzt einen Maserati 384 als Dienstwagen fahren. Wohin denn? Für welche Patienten? In Österreich sind Dienstwagen beispielsweise bis 44.000 Euro steuerlich absetzbar. Man will also keine schlafenden Hunde wecken. Die Reichensteuer lässt grüßen.
Es gibt derzeit einige dunkle Löcher, für die keine Lösungen sichtbar sind. Die Permiumhersteller mögen sich auf attraktive und erschwingliche Neufahrzeuge konzentrieren! Sie haben die vergangenen Jahre viel überzogenen Preisrahm in die eigenen Kassen abgeschöpft. Jetzt ist eben die Welle der Kleinfahrzeuge dran. Sie mögen sich ihre A-Klassen einmal ansehen und mit dem i10 von Hyundai vergleichen!
14. April – Dienstag
Karmann Ghia – Maßstäbe. Wer an das schnittige Coupé Karmann Ghia-Design aus den 60er Jahren denkt und jetzt die Insolvenzmeldung auf sich wirken lässt, reiht dies ein in die Ära der Traditionsfirmen Märklin, Schiesser, Hertie, Woolworth, Rosenthal. Ob das Firmenmanagement, Audi oder Mercedes die letzten Gründe für das nahende Ende bei Karmann sind, sei dahingestellt. Aber immer mehr Zulieferbetriebe geraten unter die Räder – Edscha, TMD, möglicherweise sogar Schaeffler/Conti u.a. Wir sprechen hier von klassischen Mittelstandsbetrieben. Es geht also auch ganz massiv um Arbeitsplätze im Mittelstand. Je nach Hersteller werden bis zu 60 Prozent der Wertschöpfung eines Automobils inzwischen über Zulieferer erbracht. Die drohende Dominowirkung kann gar massive Auswirkung auf die gesamte Automobilbranche haben. Ein denkbares Händlersterben sei erinnernd hinzugezogen.
15. April – Mittwoch
GM und Carl-Peter Forster. Vor zwei Wochen monierte ich die Rolle von Carl-Peter Forster. Die zentrale Frage: Wer verkörpert in der deutschen Öffentlichkeit eigentlich die Marke Opel? Bislang der Opel-Betriebsratsvorsitzende Klaus Franz. Siehe da, Carl-Peter Forster stellt sich endlich in einem Spiegel-Interview der Situation um Opel. Forster: Opel ist durch eine ungewöhnliche Situation in Schwierigkeiten geraten, über die man zeitlich befristet hinweghelfen kann. Opel kann derzeit nur deshalb im Wettbewerb nicht mithalten, weil GM Europe kein eigenes Finanzpolster hat. Nach Forster können die europäischen Aktivitäten von GM ausgegliedert und unter dem Dach eines neuen Unternehmens Opel Europa zusammengefasst werden. Es geht darum, wie stark die Autobranche künftig in Deutschland und Europa sein wird. Opel investiert jährlich rund 1,5 Milliarden Euro in neue Technologien. Die Zulieferer noch einmal den gleichen Betrag. Inzwischen hat Opel alle Modellreihen erfolgreich erneuert. Die Talfahrt ist beendet. Forster: "Wenn ein Auto technisch gut ist, das Design stimmt und auch noch der Preis und der Service, kann man es auch in der Krise ordentlich verkaufen." Das Prinzip Hoffnung ist ein starker Begleiter!
16. April - Donnerstag
EDV-Branchenentwicklungen. Auf einem IT-Expertenforum von AUTOHAUS im Rahmen der AMI zu Leipzig wurden folgende Inhalte erarbeitet. Hier die zentralen Aussagen in Kurzform:
1. Die Zahl der IT-User im Kfz-Gewerbe wird sich trotz Branchenkrise nicht drastisch verändern.
2. Die Automobilhersteller haben die Zahl der Mitarbeiter in den IT-Abteilungen für die Händler reduziert. Je nach Marke sind hier verstaubte Gegebenheiten anzutreffen. IT-Entscheidungen seitens der Automobilhersteller sind fürchterlich zäh.
3. Die Händlerverbände sind hinsichtlich IT-Empfehlungen und einschlägigen Aussagen überfordert.
4. Die Hersteller wollen die IT konzentrieren, internationalisieren und harmonisieren.
5. Große Händler lassen sich in Sachen IT nicht mehr gängeln.
6. Die Zahl der IT-Hersteller wird sich weiter reduzieren.
7. Niederlassungen sind hinsichtlich EDV-Programme an die "Mutter" angebunden.
8. Die IT-Anbieter sollten dem Handel die Prozessdarstellung anbieten. Die möglichen Aktionen in der Umsetzung hat der Handel selbst zu fahren. Dabei hat die zentrale Frage zu lauten: Welche Prozesse sind sinnvoll?
9. IT-Entscheidungen im Autohaus können nicht mehr für zehn, allenfalls noch für vier Jahre getroffen werden.
10. EDV-Kosten lassen sich mit einer Neuinstallation nicht senken. Der Mehrwert liegt in der neuen Leistungsstärke, den Mehrinformationen, dem besseren Handling, den besseren Vernetzungsmöglichkeiten.
11. Die EDV-Kosten sind in Relation zu den verkauften Neuwagen-Einheiten in den vergangenen Jahren gesunken.
12. Jede EDV-Implementierung ist ein strategisches Projekt. Der Handel möchte einerseits für die Umsetzung mehr funktionelle Sicherheit haben. 100 Prozent Sicherheit aber gibt es nicht.
13. In der Verbindung von IT und Internet hätte man sich seitens der IT-Landschaft eine andere Verknüpfung als die reine Prozessunterstützung oder nur integraler Bestandteil für den Handel zu sein vorstellen können.
14. Wer Schnittstellen liefern kann, macht das Rennen. Es bedarf weniger Ansprechpartner. Alles wird unkomplizierter.
15. IT-Schulungsaversionen der Händler sollten aufgelöst werden. 80 Prozent der Fragen via Hotline beschäftigen sich mit Themen, die in den ersten fünf Stunden der IT-Grundlagenschulung vermittelt werden. 50 Prozent der Mitarbeiter im Autohaus habe noch nie eine IT-Schulung erfahren. Dies liegt zugleich an der hohen Fluktuationsrate im Autohaus.
17. April – Freitag
Reinhold Würth und Kurzarbeit. Der schwäbische Schraubenmilliardär und vorbestrafte Steuersünder Reinhold Würth kommt derzeit ins Fahrwasser von nachhaltigem Glaubwürdigkeitsverlust. Vom 1. April an hat er 1.250 seiner deutschlandweit rund 5.000 Beschäftigten Kurzarbeit und 15 Prozent Gehaltskürzung verordnet. Den Innendienstlern wurde ein Gehaltsverzicht von fünf Prozent abverlangt. Umgekehrt nahm Prof. Dr. Würth seine neue Superyacht "Vibrant Curiosity" – 85 Meter lang – in der Nähe von Rotterdam in der Preisklasse von rund hundert Millionen Dollar in Betrieb. Die Gäste nahmen den Stapellauf mit großer Diskretion an! Fazit: Die Musik – Kontraste! Die Kunst – Absolutismus!
Bahn-Chef Rüdiger Grube. Nachdem das Ressort des bisherigen Daimler-Strategievorstandes Rüdiger Grube in der Daimler-Zentrale zu Untertürkheim nicht mehr besetzt wird ist jedem klar, welche Rolle der "König der Charts" alias "Slide-Master" Grube u.a. spielte. Eine größere operative Einheit hat er bis zum heutigen Tage nicht geleitet. Und jetzt soll er für 240.000 Mitarbeiter die Verantwortung tragen? Das Schienennetz – so die EU – soll 2010 auch ausländischen Konkurrenten offenstehen. Geht die Reise der Bahn zu mehr Internationalität, zu einem Mobilitätskonzern oder zurück zu einem reglementierten Schienenverkehrsladen? Welche strategischen Überlegungen bringt der Daimlermann in Sachen Güterverkehr (Bahn-Tochter Schenker) ein? Ob er es schafft, die Dezibelgrade der nunmehr seit 1835 gleichlaufenden Eisenräder auf den Schienen wenigstens um 50 Prozent zu reduzieren? In einer Produktionskooperation mit Siemens? Verkehrsminister Tiefensee, Grubes Chef, brauchte bei deren ersten Treffen nicht ganz eine halbe Stunde, dann hatte Grube das Du seines Chefs in der Tasche. Das kann der!
Spruch der Woche:
"Wenn die Wirtschaft so unberechenbar ist, dann ist die Statistik auch nicht mehr so belastbar."
Mit meinen besten Grüßen
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
Dietrich Gross
Ralph
Striker
Striker