HB ohne Filter vom 18. Mai 2012
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18.05.2012Heute mit den Themen:BMW-Rekord-Dimensionen, Fiats ewige Kontraste und Die Autohaus-Zukunft: Personal!
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14. Mai – Montag
BMW-Rekord-Dimensionen. Wenn ein Konzern dabei ist, im dritten Jahr in Folge Superrekorde aufzustellen, so zeigt das, dass er vieles richtig gemacht hat und macht. Es soll sich bei BMW dieser Weg quasi selbstläuferisch in den nächsten zwei Jahren fortsetzen. Mit 40 Milliarden Euro Unternehmenswert liegt BMW nahezu auf dem Level von Daimler. 2011 setzte der weiß-blaue Konzern weltweit 1,67 Millionen Fahrzeuge ab. Das sind 400.000 Autos mehr als im Krisenjahr 2009. 2016 – BMW feiert 100-jähriges Firmenjubiläum – wollen die Münchner die Zwei-Millionen-Einheitengrenze knacken. Blenden wir auf das Krisenjahr 2008 /09 zurück. Ganze vier Jahre ist das her! Damals entließ BMW sage und schreibe 10.000 Mitarbeiter. Seit 2010 wird wieder kräftig eingestellt. Aber, auf Basis von Zeitarbeit. Das ist auch ein Stück des fragwürdigen BMW-Gesichtes.
Der China-Boom hält derzeit BMW wie Mercedes und Audi in unglaublicher Höhendimension. Die Absatzahlen sind das eine, die Rendite aus diesen Geschäften das andere. Mögliche Gewinne der Marken Mini und Rolls-Royce hält BMW gezielt unter der Decke. Ebenso die aktuellen Gewinne aus den wichtigsten Märkten wie Brasilien, Russland, Indien, Korea oder der Türkei. Der Betriebsgewinn ist 2011 auf sage und schreibe auf 8,018 Milliarden Euro gestiegen. Die Umsatzrendite der 100.000 Beschäftigten kletterte nach Steuern auf den Top-Level von 7,1 Prozent. Dabei macht allein der Betriebsgewinn aus dem Bereich Finanzdienstleistungen, sprich BMW-Bank, 2,497 Milliarden Euro aus. Man sollte in der Branche den Anteil Finanzdienstleistungsanteil am Gesamtgewinn von 31,14 Prozent zum Handlungsmaßstab im Autohaus übertragen. In der Tat, gute Autohäuser erwirtschaften zur Stunde 25 Prozent ihrer Gewinne im Verkauf (Neu- und Gebrauchtwagen) aus dem Bereich Financial Services. Bei 31 Prozent Anteil am Gesamtgewinn stehen wir noch lange nicht!
BMW steht im Verbund mit seinem 48-Prozent-Großaktionär (Quandt/Klatten) finanziell auf besten Füßen. Man staunt dann immer wieder, weshalb gerade bei der Händlernetzgestaltung für ausscheidende Händler fürchterliche Daumenschrauben statt monetärer Mittel eingesetzt werden. Allein der BMW-Gewinn im ersten Quartal 2012 liegt bei der Rekordmarke von 1,8 Milliarden Euro. Premiumgestaltung anständiger Machart sieht in Sachen Händlernetzentwicklung aber ganz anders aus. Auch hier zeigt BMW angestammt mehr Fratze als solide Gesichtszüge. Mit Respekt vor der Leistung des Automobilhandels hat das alles nichts zu tun. Die Welt ihrer Niederlassungen sehen diese Herren natürlich ganz anders. Oder holen wir die Werte der Leasingrückläufer hoch. Da schwingen die Auseinandersetzungen im Verbund mit Dekra und der Händlerklage noch ganz massiv nach. Der BMW-Händlerverband lebt bei alledem vom Prinzip Relativität. Warum? Weil die meisten Händler inzwischen so groß sind, dass sie ihre ureigensten Interessen gegenüber BMW gleich selber wahrnehmen. Es zählt in der BMW-Handelsorganisation weniger die Sicht für das Ganze, sondern stets der individuelle Opportunismus. So läuft seit Jahren gezielt das BMW-System, die vielgerühmte BMW-Händlerkultur. Auf dieser Schiene läuft Daimler mit seinen Vertretern meilenweit voraus.
Nach außen versteht es BMW glänzend, andere Markenwerte zu setzen. Man denke an die BMW Welt in München. Das 500-Millionen-Werk am Olympiapark zieht heute schon mehr Besucher an, als Ludwig II. auf Schloss Neuschwanstein. Man kann nur den Hut ziehen, wie es BMW nach dem Rover-Debakel (1994 ff.) verstanden hat, aus der britischen Marke Mini ab 2000 eine neue Kultmarke zu zaubern. VW ist das mit dem Beetle bis heute nicht gelungen. Für 2012 sind 300.000 Minis geplant. Und das alles zu einem Preis für einen Kleinwagen, der jenseits von 20.000 Euro liegt. Wenn nun auch in der Handelsorganisation die Marken BMW und Mini ganz markant räumlich getrennt werden sollen, so setzt dieser Schritt eine Erweiterung der Mini-Modellpalette voraus.
Wenn BMW-Konzernchef Norbert Reithofer meint: "Wir sehen bis 20025 keinen nennenswerten Serieneinsatz des Wasserstoffantriebs", dann liegt das sicher daran, dass das Wasserstoffauto, das BMW ursprünglich entwickelte, seit 2009 im Deutschen Museum in München steht und BMW in Sachen Brennstoffzelle zur Stunde nichts vorzuweisen hat. Sie werden ihre Sicht der Dinge in diesem Punkt ändern müssen. Umgekehrt – wenn auch mit deutlicher Verspätung –, wird BMW Ende 2013 mit der Submarke BMW i groß in den Bereich der Elektroautos eintreten. Der BMW-Händlerverband ist gar der Auffassung, dass es sich dabei um den kompetentesten Ansatz in der Branche handele. Das sagen die Renault-Händler und andere auch von sich. Aber bitte. Diese neuen BMW i-Fahrzeuge erhalten die erste Karosserie aus Kohlefaser. BMW plant mit der Serie eine Großoffensive für das Großkundengeschäft! Freuen wir uns auf die Sicht der Dinge, was gerade die deutschen Premiumanbieter nach und nach an automobilen Innovationen offerieren werden!
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15. Mai – Dienstag
Fiats ewige Kontraste. Als Ferrari-Chef Luca Cordero di Montezemolo (64), Spross einer piemontesischen Adelsfamilie, neulich das teuerste und ambitionierteste Privatprojekt Italiens vorstellte, an dem er mit eigenem Geld beteiligt ist, nämlich 25 Hochgeschwindigkeitszüge für Strecken zwischen Mailand und Neapel einzusetzen, war das für die Autowelt unvorstellbar. Ein Automann schwärmt für die Welt der Züge! Die geplanten "Ferrari-Züge" haben das beste Essen Italiens an Bord, einen Kinosaloon, ein Waggon fürs Relaxen usw. 90 Prozent des Güterverkehrs in Italien rollt gegenwärtig über die Straße. Montezemolo: "Das ist gleichzusetzen mit Umweltbelastung, Staus, Ineffizienz." Das sagt ein mutiger Ferrari-Chef, ein Italiener! Montezemolo holte einst Niki Lauda nach Maranello, war Organisator der Fußball-WM 1990 in Italien, Verwaltungsratsvorsitzender bei Fiat und gilt bei den Neuwahlen 2013 in Italien als möglicher Monti-Nachfolger. Seine Botschaft: "Erst müssen wir den italienischen Staat ändern, dann die Italiener. Wir brauchen jetzt eine Politik, die Vertrauen stiftet." Wie oben, so unten! Vertrauen stiften!
Offensichtlich trifft man auf der Fiat-Achse über Sergio Marcionne (59) auf eine gänzlich andere Welt. Dessen Motto: Erst Kostensenkung, dann neue Modelle. Gehen wir nun von den Höhen um Fiat-Chrysler hinunter in den deutschen Fiat-Händler-Alltag. Da wurde vor gut eineinhalb Jahren europaweit um den so genannten "Master-Vertrag" für Lancia im wahrsten Sinne des Wortes gestritten. Jetzt sollte die damals gefundene Lösung beim neuen Fiat-Händlervertrag übernommen werden. Und siehe da, Fiat tritt – wie könnte es anders sein – mit eigenständigen Vertragsänderungen auf. Man fordere acht neue Änderungen, um dann die entscheidenden zwei durchzudrücken. Die Gangart: zwei vor, einen zurück! ADEFIL, der europäische Fiat- und Lancia-Händlerverband, verhandelt. Und siehe da, die gekündigten italienischen wie französischen Händler, die im wahrsten Sinne am Tropf von Fiat hängen, sind bereit, alles zu unterschreiben – nur damit es für sie irgendwie weitergeht. Der italienische Automobilmarkt ist keine Goldgrube mehr. Fiat schrieb 2011 für Europa einen Verlust von 500 Millionen Euro. Die Losung lautet daher: Drücken, beschneiden, einsparen, ja nichts bezahlen! Es schließen sich weitere grundsätzliche Fragen an: Wie soll Fiat die Gewinnschwelle in Europa wieder erreichen? Mit welchen Produkten soll die Kernmarke auf Kurs gebracht werden? Wie soll die Renaissance von Alfa Romeo aussehen?
Andere Länder – wie die Schweiz oder Österreich oder Deutschland – setzen daher in der aktuellen Händlervertragsfrage inzwischen auf länderspezifische Lösungen, um unhaltbare Zumutungen abzuweisen. Dazu wollte sich der deutsche Fiat-Händlerverbandspräsident Wilfried Blöbaum mit Rücksicht auf die laufenden Verhandlungen nicht näher äußern. Wir halten fest: Ein Vertrag ist eine freiwillige Selbstverpflichtung und setzt eine inhaltliche Übereinstimmung der Willenserklärung voraus. Getroffene Vereinbarungen können demnach nicht einfach einseitig geändert werden. Oder anders: Einseitige Änderungen von Standards, einseitige Margenkürzungen entsprechen einer unfairen Handelspraxis. Und das wird für Blöbaum dann Anfang Juli 2012, wenn die Verträge unterschriftsreif vorliegen, zum Beurteilungsmaßstab seiner gegenwärtigen Zurückhaltung werden.
Fiat sieht im neuen Händlervertrag Standards vor, die nach Vertragsunterzeichnung im Zeitraum X einseitig vom Hersteller geändert werden können. Selbiges gilt auch für die Händlermarge. Klar, für neue Modelle. Wann spricht man von neuen Modellen? Bei Fiat, sobald eine neue Motorvariante aufgelegt wird. Es mag schon so sein, wie Fiat-Präsident Blöbaum sagt, dass es beim neuen Vertrag keine Verschlechterungen geben wird. Die Betonung liegt aber bei "zunächst"! Die vereinbarte Händlerforderung heißt doch aufgrund der Vertragsvereinbarung im Mastervertrag Lancia klar, dass Standards und Margen erst dann verändert werden dürfen, wenn auch der jeweilige Händlerverband damit einverstanden ist. Eine einseitige Änderung von Fiat ist nicht hinnehmbar.
Und dann interessiert natürlich, welche Händler aus welchen Gründen zukünftig keinen Händlervertrag mehr erhalten? Darüber herrscht großes Schweigen. Es geht nicht nur um eine mögliche Abfindung bzw. um eine mögliche standardisierte Abfindungsregelung. Der Verband geht davon aus, dass Fiat allen bisherigen Händlern die neuen Verträge anbieten wird. Warum geht man davon aus und weiß das nicht ganz konkret?
Man darf ferner gespannt sein, was in der Herkunftsfrage der Autos bei diversen Neuwagenbörsen herauskommen wird. Wenn man richtig hinschaut, steht Fiat als Lieferant selber dahinter. Das würde mich – siehe das Fiat-Outletcenter in Giebelstadt/Würzburg – nicht wundern. Fazit: Wir werden sehen, ob der Vorstandsvorsitzende der Fiat Group Automobiles Germany AG, Martin Rada (42), das stoppen wird bzw. kann, was der Konzernnetzentwickler Bistone von Turin aus durchzudrücken hat. Mit einer Vertrauensebene, die Luca di Montezemolo im politischen Sinne ansprach, hat das wenig gemein!
16. Mai – Mittwoch
Die Autohaus-Zukunft: Personal! In Königstein fand heute der AUTOHAUS-Personalkongress 2012 statt. AUTOHAUS-Chefredakteur Ralph Meunzel und Prof. Dr. Ralf Mertens moderierten die hochkarätig besetzte Veranstaltung. Nachstehend gewichtige Thesen aus dem impulsierenden Tag, alle Referenten finden Sie auf AUTOHAUS Online:
- Hinter jeder Zahl im Autohaus steht ein Mensch.
- Die Zukunft im Autohaus wird über das Personal entschieden.
- Zahlreiche Autohäuser haben mehr Fans bei den Kunden als bei den eigenen Mitarbeitern.
- Gesucht sind vorrangig Mitarbeiter, die als Markenbotschafter fungieren.
- Der demografische Faktor ist das eine, der Weg zum transparenten Autohaus über die neuen Medien das andere.
- Die Branche sollte das Gehaltsniveau stets mit anderen Branchen abgleichen.
- Ein Gramm Mitarbeiter-Auswahl wiegt schwerer, als ein Kilogramm Ausbildung!
- Heute finden 80 Prozent der Bewerbungen über E-Mail statt.
- Die heutige Bewerbermenge kann nur über moderne Systeme abgewickelt werden.
- Eine Papierbewerbung verursacht in der Abwicklung elf Euro Kosten.
- Es gibt in Deutschland eine große Menge an Jobbörsen. AUTOHAUS hat seit einer Woche die erste branchenspezifische Börse initiiert: www.autojob.de Über diese neue Plattform wird die gesamte Branche zusammengeführt.
- Die IT-Lösung www.tool24.de zeigt, wie über Google, Facebook & Co. Personalsuche (Recruiting) zu gestalten ist und wie die Potenziale von Bewerbern einfach per Software zu analysieren sind.
- Die unterschiedlichen Berufsbilder im Autohaus stellen gleichermaßen hohe Anforderungen für Ausbilderinnen und Ausbilder.
- Man findet nach wie vor genügend qualifizierte Mitarbeiter, so man sich engagiert.
- Über die neuen Medienkanäle gilt es, gezielt Employer-Branding (Arbeitgeber-Marke) zu gestalten. Originalität schlägt Kapital! Es gilt, die Botschaften als Handelsmarke zu schärfen.
- Die wichtigsten Erfolgsfaktoren im Autohaus bilden der Bereich Personal und die Prozesse in den einzelnen Leistungsbereichen.
- Ein Verkäufer arbeitet so gut, wie er geführt wird.
- Ein gutes Betriebsklima ist das Resultat von zufriedenen Mitarbeitern.
- Wie sehen die Berufsbilder im Autohaus in Zukunft aus?
- Wie sind in Zukunft für die Mitarbeiter Lernformen am Arbeitsplatz oder für zu Hause zu gestalten?
- Was wir in Zukunft im Autohaus brauchen, sind mehr Lenker, Verkaufs- und Serviceleiter.
- Wie sieht die Personalplanung im Autohaus der Zukunft aus?
- Wie gelingt es, im Autohaus einen Talent-Pool zu schaffen?
- Es gilt heute, das Festgehalt mit einer leistungsorientierten Vergütung zu kombinieren.
- Zielprämie statt Fixum!
- Die Orientierung aller Vergütungskomponenten hat am Bruttoertrag zu erfolgen.
- Materielle und immaterielle Mitarbeiterbeteiligung im Autohaus macht Sinn. Sie setzt eine Vertrauensbasis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer voraus.
Spruch der Woche:
"E-Mobilität mit dem Fahrrad ist gelebte Realität – hier ist die saubere Antriebskraft bereits angekommen und voll praxistauglich." (K. Dohnke)
Mit meinen besten Grüßen und Wünschen
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
Verkaufsleiter
Serviceleiter
Automobilverkäufer
Derek Finke