HB ohne Filter vom 24. April 2009
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Heute zu den Themen: Händler vs. Hersteller, BGH-Urteil vs. Banken, Inhaber vs. Manager, Theo Waigel wird 70 und Fahrrad-Abwrackprämie.
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20. April – Montag
Händler vs. Hersteller. Heute saßen wir in einer Händlerrunde hoch über dem Rhein bei Oberwesel zusammen. Dabei ging es u.a. um die Relation Händler–Hersteller. Da meint der Stärkere, der Hersteller, immer noch, er müsse stets siegen. Aber David hat Goliath auch zugesetzt. Siehe Porsche VW. Zwei grundlegende Missverständnisse wollen "die da oben" immer noch nicht wahrhaben:
1. Ein eigenständiger Direktvertrieb seitens der Hersteller/Importeure ist unbezahlbar.
2. Ein Autohaus mit dem heute geforderten Leistungsaufwand, einer Minusumsatzrendite von 0,6 Prozent und dem persönlichen Risiko als Inhaber würde "von denen da oben" niemand betreiben.
Warum erwarten sie das aber von ihren wichtigsten Kunden? Es gibt in der ganzen Branche zwei Hersteller bzw. einen Importeur, der offen vor seine Händlerschaft hintritt und sagt: "Sie, die Händler, sind unsere wichtigsten Kunden. Nur wenn sie Geld verdienen, verdienen wir auch!" Hyundai und Subaru! Dahinter steht – wie könnte es anders sein – ein Privatimporteur, die Emil Frey-Gruppe. Alle anderen Organisationen haben dem (internationalen) Konzerndruck "von oben" zu gehorchen.
Diese Woche können wir davon Notiz nehmen, dass neben Woolworth weitere Kaufhäuser vor der Pleite stehen. Karstadt, im Verbund damit Hertie und das mit den Nobelhäusern KaDeWe (Berlin), Alsterhaus (Hamburg) und Oberpollinger (München). Für Februar hatte Thomas Mittelhoff noch weitere Luxushäuser für Frankfurt und Dresden angekündigt. Liegt es bei den Kaufhauspleiten nur an den Umsatzeinbrüchen, an den hohen Mieten, am wirtschaftlichen Umfeld? Hat das klassische Warenhaus ausgedient, obwohl es in den 1960er-Jahren die ersten Rolltreppen im Handel einführten? Die Kaufhäsuer haben zumindest zahlreiche mittelständische Betriebe zur Aufgabe gezwungen. Jetzt hängen sie selbst in den Seilen. Offensichtlich muss das so sein und gehört zum Alltag des Systems, egal wer da auf der Strecke bleibt.
Noch immer ist die Mär vom Auto-Kaufhaus unterwegs – vor allem bei den Herstellern. Als Beispiele sind die AutoCity Wolfsburg und das BMW-Kundenzentrum München genannt. Jetzt gönnt sich noch Daimler neben seinem Museum und Auslieferungszentrum eine weitere Erlebniswelt in Untertürkheim. Das war es dann auch. Wenn jetzt Volkswagen im Rahmen des "Bottom-up-Ansatzes" über Zusatzboni die Schauräume weiter auf Hochglanz bringen möchte, dann mag das im einen und anderen Fall erforderlich sein. Mir wäre aber ein "Bottom-up-Ansatz" auf den freien Dächern der Autohäuser mit Solaranlagen für die eigene Stromerzeugung viel lieber und wichtiger.
Da schreibt mir ein Kunde: "Gestern war ich im Allgäu in einem BMW Betrieb. Ich habe den sehr schönen und sauberen Betrieb betreten und hoffte, mir den neuen 7er anschauen zu können. Die Damen an der Zentrale nahmen mich mit einem leisen 'Grüß Gott' zur Kenntnis und überließen mich der BMW Welt. Ich finde das neue Auto klasse und habe es mehrere Minuten angeschaut, nur ich fand keine Beachtung. An den ganz nah an der Ausstellung der Fahrzeuge aufgestellten Schreibtisch bemühten sich zwei Verkäufer am PC darum, mich zu ignorieren (…) Auf meiner weiteren Fahrt hörte ich im Radio, dass BMW im Januar 20 Prozent Auftragseingang zu 2008 verloren habe!" Das schönste Outfit nützt nichts, wenn das Infit nicht stimmt. Wenn jede zweite E-Mail nicht beantwortet wird, dann möge man endlich zur Kenntnis nehmen, dass der Internetvertriebskanal wichtiger als überzogene Glaspaläste ist. Der rote Teppich gehört längst auf der Online-Plattform gleichgewichtig auf- und ausgerollt. Es ist außerdem die wirtschaftlichere und zukunftsgerechtere Lösung.
Wer sich gegenüber dem Internet differenzieren möchte, kann dies vor allem über die handelnden Personen im Verkaufsraum tun – siehe zitiertes Kundenbeispiel. Da sollte jede Begegnung für den Kunden zum Erlebnis werden. Das kann aber nicht gelingen, wenn Verkäufer mit 1.750 Euro netto nach Hause gehen und 40 Prozent ihrer Tätigkeit mit administrativen Tätigkeiten zugedeckt sind. Wenn aufgrund der "atmenden Fabrik" ganze 60 Prozent der Neuwagenauslieferungstermine verbindlich gehalten werden, dann möge man an dieser Kundenzufriedenheitsschraube endlich massiv arbeiten, vor allem seitens der Hersteller! Da gehört eine verkäuferische Qualifizierungs- und Emotionalisierungskampagne in Form des Coachings vor Ort in den Autohäusern her. Direkt im Betrieb! Es geht um Verhaltensveränderung. Das braucht Zeit und muss Zug um Zug wachsen. Die Pleite der Kaufhäuser zeigt ferner, dass die Zukunft nicht in den Glaspalästen liegt. Die möchte der Kunde nicht haben. Warum? Weil er sie nicht bezahlen möchte! Weniger ist mehr! Wer als Hersteller über Kundenbefragungen andere Erkenntnisse vorliegen hat, möge sie offen auf den Tisch legen.
21. April – Dienstag
BGH-Urteil gegen Banken. Heute fällte der BGH quasi ein Anti-Willkür-Urteil. Die Richter in Karlsruhe untersagten den Sparkassen eine Klausel, die es erlaubt, Zinsen und Gebühren nach Willkür festzulegen und die Kunden zu benachteiligen. Mal sehen, welche einfachen und verbraucherfreundlichen Formulierungen die Banker nun entwickeln. Die Finanzer stehen derzeit schwer unter Feuer, nachdem die Bundesregierung jetzt die Banken entgiftet. Das ist auch so eine Art "Schrottprämie" für "Schrottpapiere". Diese windigen Zertifikate wurden ja auch Kleinsparern angedreht. Da wird im "Fokus" dieser Woche unser Branchenexperte Erwin Wagner abgebildet und zitiert: "Ich halte es in der aktuellen Wirtschaftssituation für unangemessen, dass die Deutsche Bank von mir für eine kurzfristige Kontoüberziehung 18,75 Prozent Zinsen fordert." Wagner hatte sich die die kurzfristige Überziehung seines Disporahmens zuvor bewilligen lassen. Guthaben werden dagegen mit 0,75 Prozent verzinst. Minizinsen gegen Maxisätze!
Die nun getroffene Anti-Willkür-Rechtssprechung – längst überfällig – bietet zumindest die Chance, ein Stück verlorenen Vertrauens wieder gut zu machen, zumal die Banken sich billiges Geld bei der Zentralbank leihen und es teuer an die Kunden weiterverleihen. Wie lausig Guthaben verzinst werden, darüber schweigt die Ackermann-Branche. Der Abschied von der 25 Prozent-Kapitalverzinsung – Ackermann-Strategie – ist auf alle Fälle eingeläutet.
22. April – Mittwoch
Inhaber vs. Manager. Die Wirtschaft ist unser Schicksal. Das spürt derzeit jeder. Wir stehen aber auch an der Weichenstellung, dass mehr und mehr selbständige, vor allem mittelständische Existenzen vernichtet werden. Die eigentlichen Wohlstandsträger werden abgehalftert. Immer weniger sind bereit, persönlich ins Risiko zu steigen. Lieferanten wie Banken begünstigen diese Entwicklung, weshalb die Bedeutung des Inhaber-Unternehmers einmal deutlich in Thesenform herausgearbeitet sei.
1.Der Grund für Solidität und Langlebigkeit liegt außerhalb des streng Wirtschaftlichen. Jedes inhabergeführte Unternehmen hat einen nichtmateriellen Kern.
2.Mit der richtigen Anwendung von bewährtem Managementwissen allein sind langfristige Unternehmenserfolge nicht zu erklären.
3.Ein gut inhabergeführtes Autohaus in der Hand einer Familie ist besser als jeder anonyme Kettenbetrieb. Das Inhaberunternehmen ist schwer kopierbar und voller erfolgsträchtiger Überlebensenergie. Familienunternehmen müssen mit dem wirtschaften, was sie haben. Damit gibt es natürliche Grenzen, die oftmals den Aktionsradius bestimmen.
4.Der Inhaber ist die Energiequelle und der Erfolgsmotor des Unternehmens. Energiequellen von Inhaber-Unternehmen sind Lebenskraft, Zielbewusstsein und Durchhaltevermögen. Sie sind oftmals keine Freunde schneller Entschlüsse. Anders: Strategien sind bedeutend kurzlebiger als das Engagement einer Inhaberfamilie.
5.Inhaber-Bonus schafft Kundenbindung und wirkt auch bindend auf die Mitarbeiter. Das will erarbeitet sein. Dahinter steht Kontinuität und Verlässlichkeit.
6.Die Person des Unternehmers kann eine Marke stärken und überhöhen. Die Energie des Inhabers, seine Art zu führen wird zum Wettbewerbsvorteil. Die Person und die Präsenz vor Ort im Betrieb ist wichtiger als das System.
7.Ein Inhaber bindet sich in den meisten Fällen für sein gesamtes Berufsleben an den Betrieb.
8.Inhaber sind keine Einheitstypen. Sie alle verbindet Disziplin, Willensenergie, sie sind sorgfältig und verantwortungsbewusst. Das ist Kapital, das nicht in der Bilanz steht.
9.Die persönliche Strategie des Inhaber-Unternehmers stellt sicher, dass seine Schaffenskraft über Jahrzehnte erhalten bleibt. Er pflegt die Arbeitsfreude, die Gesundheit und persönliches Wohlbefinden.
10.Die einfachsten Mittel sind oft die wichtigsten. Das Denken vom Kunden her, Intuition, Mut und Entschlossenheit. Das wird in Inhaber-Unternehmen gelebt!
11.Disziplin ist für Inhaber-Unternehmer die Antwort auf die Frage: "Wie wichtig ist mir das, was ich erreichen will?"
12.Perfektion hat ihre Grenzen. Man möge den Topf nicht solange scheuern bis er bricht. "Nobody is perfect". Auch in Sachen Kundenzufriedenheit nicht.
13.Manager beziehen ihre Analysen aus Zahlen. Zahlen sind aber leblos. Im Unternehmen arbeiten Menschen. Führungspersönlichkeiten sind Künstler. Sie verstehen es, das Individuum, jeden ernst zu nehmen.
All die genannten Stärken sind gewichtige Pfunde für unser gesamtes Wirtschaftssystem.
23. April – Donnerstag
Theo Waigel wird 70. Theo Waigel war Bundesfinanzminister, als er die Nachfolge von CSU-Chef Franz-Josef Strauß antrat. In der Nachfolge von Ministerpräsident Max Streibel als Bayerischer Ministerpräsident zog er gegen seinen Rivalen Edmund Stoiber 1993 den Kürzeren. Er blieb in der Bundespolitik. Waigel leistete im Rahmen der Deutschen Einheit entscheidende Beiträge u.a. den Überleitungsvertrag, der den Abzug der sowjetischen Truppen regelte. Er war auch der maßgebliche Vertreter für die Einführung des Euro. Der damalige ZDK-Präsident Fritz Haberl war über seine Zeit als CSU-Bundestagsabgeordneter nahe an Waigel dran. Mit ihm schaffte er 1990 die Einführung der Differenzbesteuerung. Das leidige Agenturgeschäft, die reine Steuerpest, die von 1968 bis 1990 andauerte, war endlich abgeschafft! Die Finanzminister zuvor, Stoltenberg & Co. lehnten das ab. So hat der Jubilar auch ein Stück sinnvoller Branchenpolitik gestaltet. Das verdient Gratulation!
24. April – Freitag
Fahrrad-Abwrackprämie. Toll! Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) protestiert seit Monaten gegen die Auto-Abwrackprämie und riet dazu, das Formular für Umweltprämie in einen Fahrradkauf umzuwidmen und an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu schicken. Dort gingen zur Stunde 10.000 Anträge ein. Die Stadt Mannheim zahlt nun ab 2. Mai für jedes einigermaßen fahrtaugliche Fahrrad 50 Euro. Da wird aber nicht abgewrackt, sondern eine Beschäftigungsinitiative gestartet. Diese restauriert die Fahrräder und verkauft sie wieder weiter. Im Gegensatz zur Automobilwirtschaft steht das deutsche Fahrrad nicht in der Krise. Jährlich werden rund 2,3 Millionen Fahrräder verkauft. 68 Millionen sind im Bestand. Allerdings mit einer unglaublichen Haltedauer – wie Traktoren: 20 Jahre! Hoffentlich gibt es noch weitere Abwrackideen! Auch die Optiker hätten reelle Chancen.
Spruch der Woche:
"Die Mobilität der Zukunft muss stressfrei, vernünftig und ohne schlechtes Gewissen möglich sein. Die wachsende Bedeutung von Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit führt zum Verlust an (automobiler) Erotik."
Mit meinen besten Grüßen und Wünschen
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
Erwin Wagner
Günter Strauf
Striker
Rick Marlowe Investigations
Stephanie
Scheintso
Striker
Wolfgang Börsch