HB ohne Filter vom 6. März 2009
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Heute mit den Themen: BMW-Vertriebspolitik, 79. Genfer Autosalon, Saab-Liquiditätsenge, Dudenhöffers Jammertal, Der unmöglichste Kunde, Zum Tode von Franz Dotterweich und Fritz Ritzinger.
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1. März – Sonntag
BMW-Vertriebspolitik. Am 20. Februar habe ich mich an dieser Stelle zur Netzstrategie von BMW geäußert. Prompt folgt der nächste Hammer. Es ist die Insolvenz des großen, wohl ältesten BMW-Händlers, Automag Buchner und Linse in München. Offensichtlich scheiterte ein Sanierungskonzept am Mitgehen der BMW Bank. Wir sprechen hier von einem attraktiven BMW-Autohaus an der Landsberger Straße. Dahinter stand ein Investment von 24 Millionen Euro, wovon, so ist zu hören, die BMW Bank mit 15 Millionen an direkten Investitionsmitteln beteiligt ist. Das ist wichtig zu wissen. Denn bislang lehnen die Hersteller und deren Banken Hypothekenfinanzierungen von Autohäusern ab, obwohl dies ein dringlicher Bestandteil des neuen Geschäftsmodelles Hersteller-Handel 2009 sein muss. Weshalb hat sich die BMW Bank an der Sanierung nicht beteiligt, zumal einer der wesentlichen Konkursgründe die geschrumpften Restwerte von Leasingrückläufern war? Klar, so kommt BMW am Ende für München "am billigsten" zu einem für die eigene Niederlassung und sich selbst nahezu bereinigten Marktgebiet.
Tatsache ist: Hätte die Händlerin damals nicht das Investment angegangen, hätte man ihr in der dritten Generation nach 80 Jahren den Vertrag entzogen. München ist also für die Zukunft gleichzusetzen mit nahezu exklusivem BMW-Herstellervertrieb. Spaeth kommt eben als Letzter etwas später dran. Ein weiteres Traditionsunternehmen wäre mit der Automag egalisiert. Ich kannte noch die Inhaberin aus der ersten Generation, Fany Buchner. Was würde diese feinsinnige Dame dazu sagen? Dafür nimmt BMW auch unter Imageaspekten eine Pleite vor der eigenen Haustüre in Kauf. Ein Premiumanbieter müsste das eigentlich stilvoller lösen. Er könnte, so er wollte. Wer wird die nächste BMW-Größe sein, die dank der BMW-Leasingwelt auf der Strecke bleibt? Die Häme, die der eine und andere nun in AUTOHAUS Online in seinem persönlichen Kommentar über die Geschäftsführerin der Automag, Cathrine Batdorf, ausschüttet, finde ich daneben, solange der Autor sich nicht mit Vor- und Zuname auch dazu bekennt. Da haben wohl ein paar Probleme psychischer Art mit ihr.
Zu BMW-Manipulationswelt bzw. -Kindergarten sei noch ein besonderes Schmankerl beigetragen, um zu zeigen, mit welchen Sorgen sich da gewisse BMW-Konzerngemüter plagen. Oder besser formuliert, was die wahre Aufgabe von Außendienstler ist. Am 6. März finden die BMW-Unternehmertage statt. Auf dieser Veranstaltung wird abgefragt, wer als Chef mit einem 7er da ist. Man will damit eruieren, wer als Chef wie hinter dem Auto steht, das in Realität nicht läuft. Dem jeweiligen Außendienstler ist natürlich daran gelegen, dass er für seinen Bezirk/Region mit flächendeckendem Auftritt glänzen kann. Also fordert er seine Händler per E-Mail auf, doch mit dem noblen Gefährt zur Tagung vorzufahren. Der Parkplatz wird so für die anreisenden BMW-Vorstände zur Demonstration, wie gut es doch den BMW-Händlern gehen muss. So werden immer wieder Informationen von unten nach oben manipuliert, um den Herren oben eine heile Welt vorzugaukeln, die – wie beim 7-er – überhaupt nicht der Realität entspricht. BMW-Show und Wirklichkeit!
2. März – Dienstag
79. Genfer Automobilsalon. Die offizielle Messeeröffnung des jährlich stattfindenden Salons ist zwar am Donnerstag, 4. März, die Journalisten haben heute schon die Möglichkeit, die 130 Europa- und Weltpremieren zu bestaunen, im Blech zu baden und sich über das anwesende Top-Management kundig zu machen. Erste Feststellung: Große Zukunftshoffnungen gehen von den Ökoautos aus. Das Elektroauto wird ins Zentrum gerückt. Auch wenn die Elektromotoren serienreif sind, so fehlt der große Durchbruch bei den Batterien. Sie sind zu groß, zu schwer, haben immer noch zu kurze Reichweiten und sind für einen nicht subventionierten Verkauf viel zu teuer. Und so lange bleibt das Elektroauto ein hoffnungsträchtiges Nischenprodukt. Zweite Feststellung: Im Gegensatz zur anstehenden AMI in Leipzig oder IAA in Frankfurt sind in Genf alle Hersteller vertreten, auch GM, auch Opel. Dritte Feststellung: Allein im Januar sind in Europa die Zulassungszahlen um 27 Prozent eingebrochen. Die europäischen Gesamtzulassungen sollen 2009 von 14 auf zwölf Millionen sinken. Das schafft trotz Verschrottungsprämie weitere Anpassungszwänge.
3. März – Dienstag
Saab-Liquiditätsenge. Kaum hatte der Aufsichtsrat der GM-Tochter Saab am 20. Februar Insolvenzantrag gestellt, reagierte die GMAC Bank Rüsselsheim am 23. Februar mit einem Schreiben an die Saab-Händler in Sachen Einkaufsfinanzierung. Es geht dabei in Anbetracht des schwierigen Umfeldes um die Vornahme einer außerordentlichen Sicherheitszahlung. Bis zum 27. Februar (!) sollte für jedes einkaufsfinanzierte Saab-Fahrzeug eine zusätzliche Sicherheit in Höhe von 20 Prozent des offenen Saldos überwiesen werden. Dazu wurde im Anhang zum Schreiben gleich die fällige Auflistung mitgeschickt. Andernfalls, so wurde in dem Schreiben angedroht, wird die bestehende Darlehensvereinbarung wegen Untersicherung sofort fällig gestellt. Am 27. Februar nahm GMAC diese Ankündigung zurück.
Ein unglaublicher Vorgang, der eine weitere Bankenfratze dokumentiert. Sobald es für die Bank selber eng wird, heißt die Devise: Rette sich wer kann! Schamlos geht man über getroffene Vereinbarungen hinweg, um den eigenen Hals zu retten und zieht die "Abhängigen" in den Abwärtsstrudel. Mit Verantwortung hat das nichts zu tun! Nein, man muss von Ganoventum sprechen. Es ist so! Mit österreichischem Charme, Herr Dr. Gebhard Ratz, hat das wenig zu tun. Die Forderung wäre klar: Bank wechseln! Wer aber finanziert noch Saab? Wer Opel?
4. März – Mittwoch
Dudenhöffers Jammertal. Branchen-Judas Ferdinand Dudenhöffer hat diese Woche schon wieder eine neue Preisnachlass-Studie erstellt. Man merkt, dass an der Universität Duisburg noch Semesterferien sind. Da hat der hohe Herr nichts anderes zu tun, als jede Woche eine neue "Studiensau" aufzulegen. Hoffentlich beginnt dort bald das neue Semester, damit der Branchenexperte mal wieder mit differenzierenden Gedankenwelten konfrontiert wird. Die Preisvorteile liegen jetzt laut aktueller Dudenhöffer-Wochenstudie bei bis zu 48,5 Prozent. Fiat Panda! Die Mercedes A-Klasse gibt es mit 24,2 Prozent. Dudenhöffer: "Der Markt ist voll mit Rabatten."
Die Zeit nach der Abwrackprämie werde zu einem "Jammertal", da die Kunden weiter – dank Dudenhöffer – auf hohe Rabatte drängten. Und jetzt die hohe Weisheit des beamteten Konsumenten-Professors: "Die Autohersteller haben sich damit einen Bärendienst erwiesen." Es wäre viel wichtiger und besser, der so genannte Konsumentenexperte würde sich dafür einsetzen, dass gesunde Unternehmen, dazu gehören auch Automobilhändler, mehr Chancen auf auskömmliche Renditen erhalten. Sie garantieren die Arbeitsplätze, nicht der "Dudenhöfferei" der Herrn Dudenhöffer. Komisch, am Standort Bochum tritt er für Opel ein. Offensichtlich leidet er immer noch an seinem fortlaufenden Erfolg in der automobilen Praxiswelt, bevor er sich auf seine "Geheimwissenschaften" im beamteten Schutze der Hochschule besann.
Fakt ist, dass die Umweltprämie zu Marktanteilsverschiebungen in der Statistik führt. Im Februar schließt beispielsweise Ford nach VW und Opel mit dem dritten Platz ab. Zahlreiche Händler sagen mir, dass über diesen Weg zumindest bis zum Sommer eine überschaubare Wirtschaftsbasis gegeben sei. Die Umweltprämie wirkt bei den Händlern nicht nur in Sachen Liquidität positiv, sondern auch hinsichtlich der Rendite. Solange es die Hersteller zulassen und auf Preiserhöhungen verzichten!
Bis zum Sommer sind Fragen zur Zukunft von GM, Chrysler, Ford (?), Opel, den BMW- und Porsche-Leasingrückläuferbeteiligungen durch den Hersteller sowie zur denkbaren Pleitewelle im Handel klarer sichtbar! Auch in Sachen GVO 2010 müssten die Weichenstellungen bis dorthin erkennbar sein. Eigentlich wollte Brüssel im März 2009 Klarheit schaffen. Jetzt soll es Mai werden. Am 7. Juni 2009 sind die Wahlen zum Europäischen Parlament.
5. März – Donnerstag
Der unmöglichste Kunde! Wir hatten in 2008 den Wettbewerb ausgeschrieben: "Wir suchen Deutschlands unmöglichste Kunden." Wir wollten damit – bei aller Kundenzufriedenheit – mal einen Kontrapunkt setzen und aufzeigen, was sich die Verkäufer und Serviceberater im Autohaus von Kunden im Alltag alles gefallen lassen müssen. Ungläubiges Kopfschütteln, vor allem von den kundenbeglückenden Wahnsinnsaposteln in den Herstellerwerken. Jetzt stoßen wir auf eine weitere Bestätigung unseres Wettbewerbs.
Die Französin Anna Sam (29) schrieb den Bestseller mit dem Titel: "Die Leiden einer jungen Kassiererin". Komisch: "Bild" druckte aus dem Buch Auszüge ab. "Auto-Bild" würde umgekehrt den Verkäufern nicht selbigen Platz einräumen. Jetzt meldeten sich Hunderte von Leserinnen und Lesern mit ihren Erfahrungen zu Wort. Beispiel: "Bärbel arbeitet an einer Tankstelle. Kunde: Welche Spritsorte muss ich tanken? Bärbel: Welches Auto fahren Sie denn? Kunde: Ein weißes….!" Weiteres Beispiel: "Eine Kundin wollte mir zwecks Umtausch eine alte dreckige Klobürste reichen. Begründung: Die Klobürste ist nicht spülmaschinentauglich – ich will mein Geld zurück."
Bei uns in der Branche herrscht da eine andere Einstellung vor. Wir fragen lieber mit überzogenem Aufwand ab, ob derartige "Geschöpfe" vollkommen, sehr gut, gut oder nur zufrieden mit ihrer Klobürste sind! Und dann sind derartige Aussagen margenrelevant. Nein, geisteskrank sind wir, die uns derartige Hybris gefallen lassen. "Auto-Bild" möge das Vorbild seiner Mutter doch einmal übernehmen. Von "auto motor sport" wollen wir ob deren abgehobenen Habitus das gleich gar nicht erwarten.
6. März – Freitag
Zum Tode von Franz Dotterweich und Fritz Ritzinger. Vergangene Woche wurde der Gerolzhofener MB-Händler Karl-Heinz Pfister, diese Woche Franz Dotterweich aus Steinsdorf und Fritz Ritzinger aus Pfarrkirchen zu Grabe getragen. Alle drei verkörperten den klassischen mittelständischen Familienunternehmer. Karl-Heinz Pfister haben wir bereits separat gewürdigt. Franz Dotterweich stand nun im 62. Lebensjahr. Kurz vor seinem 60. Geburtstag, den er am 27. September 2007 feierte und zu dem Armin Zitzmann, Vorstand der Nürnberger Versicherung, die Laudatio hielt, hatte Franz Dotterweich eine schwere Operation zu überstehen. Sie führte dazu, dass er in Folge kürzer treten musste und seine Aufgabe als Vorstandsvorsitzender der Aventi AG zu Bamberg abgab.
Dennoch, wie er sein Schicksal getragen hat, verdient größten Respekt. Ich habe wenige Unternehmer wie Franz Dotterweich kennengelernt, die vom Mechaniker über den Kfz-Meister zum hochangesehenen und sehr erfolgreichen Unternehmer aufstiegen. Sein Wachstumsdenken bezog sich nicht nur auf sein Unternehmen, sondern viel gravierender auf seine Persönlichkeit. Dazu brachte er ein Meer an Fähigkeiten mit. Ich sehe ihn vor mir, wie er 2006 auf einem GW-Kongress der AUTOHAUS-Akademie als Vortragender auftrat. Er hatte einfach eine Multibegabung. Was er anging, hatte Hand und Fuß. Als aktiver Fußballer und Fußballnarr ist ihm die Rolle des Stürmers wie des Spielmachers auf den Leib geschrieben. Dabei hat er viele seiner Mitspieler bis in ihre Herzen hinein mitgezogen und durch gekonnte Spielzüge gefördert. Tragisch für ihn mit anzusehen, wie ein Schiff zu sinken droht, du aber als Kapitän aufgrund deiner Kräfte am Ufer stehst und nicht mehr angreifen kannst. Das stimmt einen sehr traurig. Wir haben 1996 ein Buch publiziert: "Die Markt-Macher". Dieter Radl hat den Oberfranken darin vorzüglich porträtiert. Ja, wir verlieren einen Automobilhändler, der zu jenen gehört, die auch über Innovationen Geschichte geschrieben haben. Sein Geburtsort Steinsdorf hat 300 Einwohner. Dort verkaufte er mit seinem Team pro Jahr 400 Neuwagen und 500 Gebrauchtwagen. Er widerlegte die klassische Auffassung von Standortfragen im Einzelhandel! Seinen Söhnen Mark und Dirk wünschen wir eine gute Fortsetzung der Wurzeln zu Steinsdorf.
Fritz Ritzinger, VW-Händler im niederbayerischen Pfarrkirchen und Eggenfelden, war erst im Prüfungsausschuss der Kfz-Innung Niederbayern, dann von 1975 bis 1983 stellvertretender Innungsobermeister und von 1983 bis 1987 selbst Obermeister. 1988 wurde ihm für seine ehrenamtlichen Verdienste das Bundesverdienstkreuz am Bande übertragen. Seine Innungskollegen wählten ihn zum Ehrenobermeister. Er war bis zuletzt Mitglied im Vorstand der Innung. Ebenso gehörte er einige Jahre dem VW-Händlerbeirat an. Er war eine Persönlichkeit, die Lebensfreude, Kraft ausstrahlte. Diese bezog er aus all seinen sportiven Tätigkeiten, vom Kunstturnen über Fußball bis zum aktiven Tennisspiel. Wir alle liebten seine Geselligkeit und seine charmante Art im Umgang miteinander. Trat er zu geselligen Veranstaltungen oder gar Messen mit seinen drei Töchtern Eva, Tina und Fritzi auf, den "Perlen des Rottals", blieb uns jungen Buben stets der Atem vor Schönscheit stehen. Wir danken ihm für sein Wirken, wir danken ihm für sein Menschsein. Das lebt weiter in uns.
Spruch der Woche:
"Schwierigkeiten und Fallgruben verschwinden nicht dadurch, dass wir sie übersehen." (J. Nehru)
Mit meinen besten Grüßen und Wünschen
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
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