HB ohne Filter vom 8. August 2008
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Heute mit den Themen: Freizeit-Lehren, Branchenpolitische Anmerkungen und Glückliches Automobilleben.
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4. August – Montag
Freizeit-Lehren. Heute hatte ich einen Interviewtermin mit Roland Mack, einem der beiden Brüder, die das Phänomen Europa-Park in Rust seit 1975 gestalten. Franz-Xaver Grünwald, VW-Händler zu Freiburg, baute dazu die Brücke, nachdem er im Europa-Park als Fuhrparklieferant für Volkswagen agiert. Das Hauptinteresse meinerseits lag auf dem Aspekt, wie es ein Familienbetrieb schafft, heute während der Hauptsaison mit 3.000 Beschäftigten und täglich 25.000 Besuchern im 75 Hektar großen Park Freizeit-Event zu managen? Gewiss, es war von Jahr zu Jahr ein stetiges, aber nicht selbstverständliches Wachstum. Der Park wuchs sowohl in der Fläche wie in den Offerten. Inzwischen sind länderspezifische Themenparks wie Themenhotels entstanden. Vier Millionen Besucher pro Jahr. Und das mit sehr unterschiedlicher Auslastung.
Was fällt auf? Wunderbares Detaildesign, im Park wie in den Hotels. Man schaue sich im Hotel Colosseum die Mille Miglia-Bar an. Da steckt die Gesamthistorie des Klassikers der Langstreckenrennen dahinter. Die maßgeblichen Macher, die beteiligten Fahrzeuge usw. Porsche stellt für Rust eigens für Probefahrten ausgewählte Eventfahrzeuge zur Verfügung. Schließlich sind 52 Prozent der Besucher inzwischen ausländischer Herkunft. Bitte, ganz markant aus dem Vorderen Orient. Sauberkeit an allen Orten und die Freundlichkeit der Mitarbeiter, das sind die absoluten unternehmerischen Highlights, die jeder Besucher sichtbar erfährt. Roland Mack: "Aus unseren Befragungen wissen wir, welchen Stellenwert für die Besucher die Sauberkeit hat. Das kostet viel Geld. Den ersten Rang in der Kundenwunschskala aber wollen wir mit Nachhaltigkeit besetzen. In Sachen Mitarbeiterfreundlichkeit haben wir ein umfassendes Schulungsprogramm. Alle unsere Mitarbeiter, auch die Teilzeitbeschäftigten, besuchen dazu ein Grundlagenseminar. Ein Parkbesucher sieht dem Gärtner ja nicht an, ob er nur temporär beschäftigt ist oder in Vollzeit bei uns mitwirkt." Fazit: Der Europa-Park Rust zeigt, dass man Größe professionell managen kann – gerade als Familienbetrieb. Es kommt in erster Linie auf die handelnden Personen an!
7. August – Mittwoch
Branchenpolitische Anmerkungen. Daimler machte den Anfang. Die Aktionäre hatten alles erwartet, nur keine Gewinnwarnung für 2008. BMW folgte. Man staune, wenige Tage später lässt Daimler nun für dieses Jahr 45.000 Einheiten weniger produzieren. Endlich hat einer der Hersteller den Mut, den Anfang zu machen! Unabhängig davon stehen die amerikanischen Automobilhersteller vor einem Crash. Stehen neue Kooperationen, neue Fusionen, neue Übernahmen in der Branche an?
Die Automobilindustrie purzelt von einer Ohnmacht in die andere. In Deutschland herrscht seit eineinhalb Jahren Käuferstreik. Gegenwärtig machen sich die einzelnen Hersteller und Importeure über ihre Preisschlachten selbst kaputt. Immer noch dominiert die Mengenkomponente. Wer die einschlägigen Statistiken analysiert, stellt fest, dass einige Hersteller im ersten Halbjahr ihre Verkaufsmengen über die Kanäle Vorführwagen, Autovermieter, Firmenfuhrparks und Werksangehörige "künstlich" ausgebaut haben. Über die damit verbundene Restwertpraxis sind weitere ernorme Verluste zeitversetzt zu erwarten.
Gerade die Premiummarken müssten eigentlich erkennen, dass sie Tag um Tag gigantische Werte vernichten. Volumen über den Preis zu generieren, schafft auf Dauer nur Verlierer. Die Hersteller hacken auf der einen Seite auf dem Thema Kundenzufriedenheit herum, entwerten über die gesamte Preislandschaft Zug um Zug ihre Marken und fordern dann von den Verkäufern an der Front die große Markenbegeisterung. Welch ein Widersinn! Ein fundierter Unternehmer sagte mir diese Woche in der Schweiz: "Die ganze Kraft steckt in der Qualität. Aber auf allen Ebenen!" Menge schließt über einen "billigen Preis" Qualität in vielfacher Hinsicht aus. Lagerwagen sollte ein wirtschaftlich denkender Automobilhändler ablehnen, nachdem Monat für Monat neue Aktionen eingefahren werden, die den vorhandenen Lagerwagenbestand entwerten. Deshalb ist der "Gales-Effekt", Menge um jeden Preis, Menge über personalen Druck, Menge über unrealistische Zielvorgaben in die Schublade zu schieben. Oberste Priorität hat eine nachhaltige Rendite zu sein. Wachstum im Verkauf ist nur im Verbund mit weiteren Deckungsbeiträgen herbeizuführen. Für den Hersteller wie für den Handel. Jetzt wird auch noch die A- und B-Klasse zum Volumenbringer im Premiumbereich. Die E-Klasse müsste es aber sein. Die Automobilpreise sind inzwischen zu hoch! In der Zulassungsstatistik geht es den Mengenmanagern aber nicht um diesen qualitativen Wert, sondern um den Mengenstrich. Sie gewichten A wie E. Welch ein Trugschluss! Das gilt analog natürlich auch für die anderen Hersteller.
Erträge im Verkauf sind auf Dauer wichtiger wie genmanipulierte Kundenzufriedenheit. Kundenzufriedenheitsbögen, die schon in der Fragestellung tendenziös sind, machen das besonders deutlich. Wenn beispielsweise gefragt wird, ob der Kunde mit dem Eintauschwert seines Gebrauchtwagens zufrieden war, dann gleicht dies der Mitarbeiterbefragung, die die Frage zum Inhalt hat, ob der Mitarbeiter mit seinen Bezügen zufrieden ist. Das Filtrat der Kundenzufriedenheit sollte sein, was ich von unzufriedenen Kunden erfahren kann, um meine Leistung zu verbessern. Das sollte die Einstellung sein, die sich durchsetzen sollte. Es werden leider von den Einheitenjägern immer noch die falschen qualitativen Prioritäten gesetzt. Da wird kurz geatmet.
8. August – Freitag
Glückliches Automobilleben. Immer wieder tritt die Frage auf, was einen Autohausunternehmer eigentlich sinnhaft an das Automobilgeschäft bindet? Wir werden den Rahmen der Betrachtung dazu weiter fassen müssen. Grundsätzlich ist es die Aktivität. Geistige Beschäftigung, die vielseitigen Interessen, Abwechslung, täglich Neues – das schafft Lebensfreude. Geld und Besitz sind beruhigend, aber soziale Bindungen verschaffen höhere innere Zufriedenheitswerte. Also Freundschaft, Partnerschaft, Familie, gute Kundenbeziehungen. Wer besonderen Wert auf Konzentration legt, wird auch besondere Bewusstseinszustände in seinem Betrieb er-fahren. Mit Konzentration gelingt Tiefgang, innere Beteiligung. Wer immer an die Zukunft denkt, verschließt sich dem Augenblick. Wer immer nur auf die Uhr schaut, bringt sich um die Größe des Momentums. Wer das Maß permanenter überzogener Erwartungshaltungen vor sich sieht, sollte auf realistische Erwartungen setzen. Das gilt ganz besonders im geschäftlichen Umgang mit dem Hersteller. Überforderung ist nichts. Unterforderung ist auch nichts! Wo die Balance nicht gelingt, stellt sich Antriebslosigkeit, Gleichgültigkeit ein. Alles ist gleich-gültig. Ein schlimmes Diktat!
Was vermögen dagegen gute Gedanken! Glücksgefühle beruhen auf einer Kette "richtiger" Gefühle und Gedanken. Wer einmal schriftlich im Alltag auflistet, was ihn glücklich stimmt, kommt da auf die Erkenntnis, dass sich auch im Autohaus Tag für Tag viel Schönes ereignet. Ich durfte diese Woche einen Automobilhändler erleben, der mich erleben ließ, was "Spontaneität" bedeutet. Werden wir "spontaner"! Schön, wenn ein Unternehmer gut drauf ist und für gute Stimmung sorgt. Lassen wir die überzogenen Vergleiche zu den Vorzeigeunternehmen weg. Unter jedem Dach ein Ach! Wer vergleicht, verliert.
Gelassenheit! Krisen haben oftmals auch eine gute Seite. Sie sind heilsam. Meist erkennt man das erst hinterher. Oftmals hadern wir zu lange an Schicksalsschlägen, die sich nicht ändern lassen. Sie werden zur spezifischen Passion. Zu guter Letzt sollten wir die Freude an der bzw. durch die Arbeit hochheben. Das hat auch mit Aktivität zu tun. Wer arbeiten darf, was er gerne macht, hat damit die beste Psychotherapie im Hause. Das Arbeiten bei persönlichem unternehmerischem Risiko hat wiederum sehr viel mit unternehmerischem Erfolg zu tun. Darin liegt zugleich das psychologische Phänomen, dass Händlerzufriedenheit sehr eng mit unternehmerischem Erfolg zusammenhängt. Deshalb ist – wie oben erwähnt – der Unternehmenserfolg, sprich eine ausreichende Rendite, der langfristige Maßstab für persönliches, angstfreies Wohlbefinden. Er steht weit über quantitativen Aspekten!
Der nächste HB ohne Filter erscheint wieder am 5. September 2008! Wer gesund sein will, muss ein Viertel liegen, ein Viertel sitzen, ein Viertel stehen und ein Viertel gehen. Auf das gute "Viertele" im Urlaub. Aus Reben wird Leben! (Unterfränkische Weisheit!)
Spruch der Woche:
"Jede Automobilvertriebsorganisation ist so gut wie sein Hersteller. Wenn der Kunde wirklich im Zentrum der Betrachtung steht, so ist der Automobilhändler der erste und wichtigste Kunde für den Hersteller. Wenn die Automobilhändler bei ihren Kunden eine derart unzulängliche Kundenzufriedenheit hätten wie die Automobilhersteller bei ihrem 'wichtigsten' Kunden, dem Automobilhandel, wären die Automobilhändler längst Pleite."
Mit meinen besten Urlaubsgrüßen
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
Rick Marlowe Investigations