HB ohne Filter vom 8. Februar 2008
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Heute mit der großen Abrechnung zum Kfz-politischen Aschermittwoch!
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6. Februar – (Politischer) Aschermittwoch
Zukunft oder Pleite
Die Gaudi des politischen Aschermittwochs in Bayern hat Jahr für Jahr den großen Vorzug, dass jedem das Seine und allen alles geboten wird. Endlich kann jede Partei offen, frei und ungeschützt ihre Spitzen loslassen, ohne den gemeinsamen Boden der demokratischen Freiheit aus dem Auge zu verlieren. Es geht wirklich um die Freiheit! Und wie sieht die unternehmerische Freiheit des Automobilhändlers, wie der gemeinsame Boden von Herstellern und Händlern aus? Die CSUler meinen für die Politik "Freiheit statt Sozialismus" eintreten zu müssen. Als Ehrenmitglied im Verein für deutliche Aussprache und Schriftführer von Deutschlands größter Handelspartei "AUTOHAUS" meine ich für die Handelsbranche 2008 als Motto festhalten zu müssen: "Zukunft statt Pleite"! Warum?
Rendite
2007 fand in Deutschland im Pkw-Bereich die größte Rabattschlacht, sprich Wertevernichtung in der automobilen Handelsgeschichte statt. Sie führte u.a. zu einer untragbaren und unhaltbaren "Auslese". Bitte, nicht jeder ist auch Verursacher seiner Insolvenz! 80% der VW-Händler, Europas größter Handelsorganisation, schrieben 2007 rote Zahlen. Die 97 MB-Vertreter – allesamt Großbetriebe –, schrieben im Pkw-Geschäft 2007 rote Zahlen. Die MB-Niederlassungen sind tief rot, furchtbar rot! Die Gesamtbranche schrieb eine Umsatzrendite von 0,1 Prozent! Soweit die Realität.
Und die Hersteller? Sie schrieben allesamt in 2007 Renditen zwischen 6 und 19 Prozent! Audi allein steigerte seinen Ertrag um 58 Prozent! Das gab es noch nie, dass die Produktions- und Entwicklungs-Partei im Ertragsmeer versinkt und die andere, die Vertriebspartei Autohandel in einer abwärtsgerichteten Renditespirale sichtbar vor die Hunde geht. Die sogenannte automobile Managerelite leidet an Raffgier, hat jeden Sinn für Anstand und Gerechtigkeit verloren und die anderen stehen vielfach unter derartigem Druck, dass die Belastungen aufgrund des Bankendrucks ihnen nicht nur den nötigen Sauerstoff rauben, sondern auch jegliche Kraft für freies Unternehmertum.
Ein Autohändler hatte laut unserem aktuellen Gehaltsspiegel 2007 ein Monatsgehalt von 5.700 Euro und trägt obendrein ein folgenschweres unternehmerisches Risiko. Herr Wiedeking verdient pro Monat 6 Mio. Euro und hat Null Risiko! Herr Schrempp hat in seiner zehnjährigen Amtszeit 100 Mrd. Euro in den Sand gesetzt und kassierte 2007 für die verbrochene Ehe mit Chrysler für die Scheidungsfolgen privat nochmals 50 Mio. Euro. Die müsste er eigentlich als Mindeststrafe an das Unternehmen zurückzahlen! Das alles ist zugleich der Beweis dafür, dass die Millionen für diese Herren Peanuts sind. Die Mineralöler erzählen uns, dass sie am Öl wie am Benzin nichts mehr verdienen. Exxon/Mobil erwirtschaftete aber 2007 einen Gewinn von 39,6 Mrd. Dollar! Shell und BP jeweils 26 Mrd.! Unglaublich!
Sich zu Tode arbeiten ist ja die einzige gesellschaftlich anerkannte Form des Selbstmordes. Müssen wir in der Branche jetzt schon soweit gehen und sagen: Erst wenn du im Sarge liegst, haben sie dich das letzte Mal reingelegt! Oder anders, sie nützen die Gegebenheiten schamlos aus, ihre Netze sorglos zu entkernen. Es kann doch nicht sein, dass ein Premiumhändler 2.500 Fahrzeuge verkauft und dafür einen Gewinn von sage und schreibe 30.000 Euro ausweist. So ist das. Wo bleibt der "Aufschrei"?!
Fazit: Die Rendite ist 2008 der Dreh- und Angelpunkt für alles Wirken und Handeln!
Weichenstellung!
Der Faktor Vertrieb ist bei den Herstellern der absolute Schwachpunkt. Dominanz im Reich der Hersteller haben die Bereiche Entwicklung und Produktion. Der Vertrieb ist da lästiger Erfüllungsgehilfe. Einem Technikgenie wie Herrn Piëch waren die "Gigolos", "Stenzen" und "Blender" vom Vertrieb und Marketing schon immer suspekt. Wer die Zahlen der volkseigenen Betriebe, sprich Niederlassungen – auch bei BMW – anschaut weiß, dass sie das Wesen von Handel bis heute nicht verstanden haben. Das bedeutet, günstig einzukaufen und sehr teuer zu verkaufen! Handel heißt, eine Ware, sprich Kapital rasch umzuschlagen. Und wie sehen die Realitäten aus?
Längst hat man die Produktion auf "Just-in-time"-Belieferung umgestellt. Herr Piëch sprach schon vor zehn Jahren von der atmenden Fabrik. Es wird also nur das produziert, was der Kunde bestellt hat. Die Aussage: Es lässt sich jedes Auto innerhalb von 14 Tagen produzieren. Daraus läßt sich die erste Forderung für den Automobilhandel ableiten:
1. Forderung: Sämtliche Lagerwagen sind abzuschaffen bzw. rundherum, vom Stellplatz (Miete) bis zur Finanzierung vom Hersteller zu bezahlen.
Der Handel braucht die Geldvernichtungsmaschiene namens Lagerwagen nicht! Wie oft muss man damit dem Kunden etwas aufschwatzen, das er gar nicht will. So schafft man Kundenunzufriedenheit! Die durchschnittliche Standzeit der Lagerwagen liegt derzeit bei 100 Tagen! Das Prinzip muss also sofort gekippt werden. Wer die Belieferungssysteme der Freien Werkstätten ansieht stellt fest, dass dort die Partner pro Tag mindestens zweimal häufig dreimal "just-in-time" auftragskonfiguriert beliefert werden. Deren Teilelagerbestand ist gleich null. Es gibt heute noch Hersteller, die die Händler bei neuen Modellen mit Erstausstattungsteilen beglücken!
2. Forderung: Die Teilebestände in den Autohäusern sind auf Null zu stellen, Erstausstattungspakete polizeilich zu verbieten und die freiwerdenden Flächen als Verkaufsraumfläche umzuwidmen.
Das heißt im Umkehrschluss bis zur Umstellung. Die Herstellerbanken haben bis zum Tage X sämtliche Teile- und Zubehörvorräte zu finanzieren bzw. zum Einkaufspreis zurückzunehmen! Nochmals, sämtliches Vorratsvermögen, einschließlich der Vorführwagen gehört dem Hersteller. Der Händler bezahlt hier ausschließlich für die Nutzung.
Standards
Das Thema Standards muss sogar EU-rechtlich auf den Prüfstand. Standards sollen zur Qualitätssicherung beitragen. Sie haben inzwischen aber ein Übermaß angenommen, das vornehmlich der Händlerselektion dient und die Leistungen im Autohaus für den Kunden in einer untragbaren Dimension nur verteuern. Beispiel Spezialwerkzeug. Es gibt hier Werkzeuge, die wirklich gebraucht werden. Eine Großzahl aber hat Seltenheitswert. Warum kann das in Händlerkooperationen nicht ausgeliehen bzw. vom Hersteller selbst ausgeliehen werden? Es wird wie die Teile zweimal pro Tag zugestellt! Nein, die Hersteller haben eigene GmbHs für ihr Spezialwerkzeug und kungeln mit den Geräteherstellern, um gemeinsam Sahne zu machen. Weltweit! Sie bauen hier ein Bezugsmonopol auf und machen wie beim CI-Mobilar und CI-Identifikationen üble Zusatzkasse. Auch GW-Garantieempfehlungen, Mineralölempfehlungen etc. lassen sie sich mit fürstlichen Geldern bezahlen! Also, haut sie raus, diese (Spezialwerkzeug-)Zertifizierungsterroristen. All diese Beispiele haben nichts mehr mit freiem Unternehmertum zu tun, sondern mit knebelnder Franchise. Die Hersteller ziehen Jahr um Jahr die Schrauben an, drehen den Agierenden systematisch die Luft und die Freude ab und schaffen keine Zukunft, sondern Jahr um Jahr mehr Pleiten.
3. Forderung: Das moderne Sklaventum ist dringlichst abzuschaffen!
Ich bin gespannt, was hierzu der Evaluierungsbericht der EU-Kommission zur GVO-Diskussion dazu Ende Mai sagen wird.
Terminals!
Wer dem Franchisekonzept huldigt hat – wie bei McDonalds – eine Renditegarantie zu geben. Audi führte beispielsweise 1997 deutschlandweit die Hangars (Flugzeugreparaturhallen) ein. Nach zehn Jahren kommen irgendwelche Werksstrategen auf die Idee, dass sie für ihr Unternehmenskonzept 2015 sich von den Hangars, den Schwitzkästen, in denen es die Verkäufer vor lauter Glas im Sommer nur unter Sonnenschirmen aushalten, dringlich lösen müssen und reden dem Handel jetzt Terminals (Flugabfertigungshallen), also neue Tempel ein. Solche Geschosse, um erfolgreich Autos zu verkaufen, braucht weder der Handel, noch wünscht der Kunde derartige Glasbauten. Und wir sollten doch machen, was der Kunde sich wünscht! Wenn ein Hersteller grundsätzlich meint, seine Autos wirkten nur in "Glas-Tempeln", dann möge er dazu Geld in die Hand nehmen und derartigen Überfluss auch bezahlen. Das ist aber doch bei Gott nicht die Aufgabe des Handels. Noch schlimmer sind die Werks-Fußbodenfetischisten, die derzeit unterwegs sind. Wer fordert bei leeren Kassen einen derartigen Unsinn? Wer verkauft über einen neuen Fußboden – der alte ist ganze fünf Jahre alt (!) und war der Traumboden aller Zeiten – auch nur ein einziges Auto mehr? Welcher Kunde bekommt über einen neuen Fußboden höhere Zufriedenheitszuckungen? Wenn das der Hersteller trotzdem möchte, möge er das auch bezahlen.
4. Forderung: Haut allen Werksknechten auf die Pfoten, die der wirtschaftlichen Unvernunft das Wort reden.
Sie rechnen nach folgendem Modell. Der kleine Fritz kommt von der Schule heim: "Mama, 7 x 8 ist doch 58?" "Nein, 56." Fritz: "Das hat der Lehrer auch behauptet. Aber die Mehrheit hat sich für 58 entschieden." Wo sind wir gelandet, wenn man als privater Risikoträger nicht mal mehr richtig rechnen darf?
Die Außendienstler, im Fachjargon "Einheitendrücker", "Drückerkolonne" genannt, bedürfen strategisch einer völligen Neuausrichtung. Diese beginnt bei deren Qualifizierung und endet dann bei deren Kompetenz. Die werden mit großen Titeln wie Regional-Leiter After-Sales, Leiter Vertrieb-Marketing etc. ausgestattet und wenn man eine gemeinsame Aktion abstimmen möchte, können sie ohne Rücksprache mit der Zentrale nicht mal über ein 1.500 Euro-Budget entscheiden. Das sind ja keine kreativen Begleiter mehr, sondern Vasallenpeitscher. Wenn Lügen wirklich kurze Beine hätten, kämen die alle auf Stelzen daher.
Der Handel macht – je nach Marke – noch ganze 40 Prozent der Neuwagenzulassungen. Was die Hersteller in Sachen eigener Vertriebsachsen inzwischen generieren ist hammerartig, von den Jahreswagen im dritten Verwandschaftsgrad eines Mitarbeiters bis hin zum Großabnehmergeschäft. Wenn sich Herr Dr. Zetsche auf dem Titelblatt der "Bild-Zeitung" (7.2.) als Produktionsmengenmeister feiern lässt, dann sollte man den "Gales-Effekt" dort einmal kritisch hinterfragen. Welche Fahrzeuge werden eigentlich zusätzlich über Autovermieter abgesetzt? Und wie steht es mit der Verhältnismäßigkeit der 30 bis 40-prozentigen Rabattschleuderpraxis im Großabnehmergeschäft? Wie wird der Neuwagenüberschussverkauf an freie Händler durchgereicht? Der Eigenverkauf – wie bei Fiat – über eigene Outlets, siehe Giebelstadt? Da laufen selbst im Premiumbereich Sachen ab, man verliert den Glauben an jegliche Verkaufskultur. Und Kultur hat ja die grundsätzliche Aufgabe, einen vor Bösen und Dummen zu schützen!
5. Forderung: Der Hersteller hat aufgrund seines Rabattverhaltens, aufgrund seiner Verkaufsförderungsaktionen auch deren Konsequenzen zu tragen.
Dazu gehört das komplette Risiko der Restwerte! Auch diese Nummer gehört ganz klar kontomäßig dem Hersteller abgebucht. Alles andere ist von Übel! Wer bei diversen Herstellern die Abwicklungsmodalitäten der Garantien anschaut, ist über derartig bewußt angelegten Komplexitätswahnsinn entsetzt.
6. Forderung: Für die Garantieabwicklung sind schlanke Prozesse einzuführen und die Garantien sind nicht erst nach sechs, sondern nach zwei Wochen zu vergüten.
Aschermittwochfazit: Auf den Handel wird eine untragbare Menge Ballast abgeladen. Die Händler lassen sich das gefallen, weil viele nicht mehr "frei" agieren können. Bei den fürchterlichen Renditen im Handel kann der Händler aber weder seine Marktziele erreichen, noch die wirklich sinnvollen und notwendigen Investitionen tätigen, noch irgendeine Herstellerstrategie wirkungsvoll begleiten. Es wird aber jene Vertriebsorganisation den größten Markterfolg haben, die die besten und stärksten Händler hat.
7. Forderung: Der Hersteller hat dem Handel die aufgezeigten fehlenden monetären Differenzen für 2007 signifikant auszugleichen.
So das nicht unmittelbar stattfindet, werden 2008 mindestens 20 Prozent der Händler auf der Strecke bleiben. Große wie kleine, auch gute Händler! Sämtliche Händlerverbände, allen voran der ZDK sind gefordert, die Themen offen zu artikulieren, kreative Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen. Als wahre Verbündete helfen dazu erfahrene Spitzenberater, Spezial-Anwälte und eine kritische Fachpresse.
Spruch der Woche:
"Wie stark Eigenzulassungen den Markt belasten, zeigten Händleranzeigen, in denen etwa Audi-Händler auf alle Audi-Modelle – außer R8 –, die drei bis acht Monate alt sind und nur geringe Laufleistungen aufweisen, bis zu 35 Prozent Rabatt ausloben." – Ferdinand Dudenhöffer
Anm. d. Redaktion: 65 Prozent Restwert ist das, was Audi sonst als Restwert im Leasinggeschäft nach drei Jahren Fahrzeit angibt.
In diesem Sinne – die besten Aschermittwochsgrüße aus dem niederbayerischen Deggendorf-Metten!
Ihr
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
STS
Rick Marlowe Investigations
Tom Witzel
Jürg Zryd
Thorsten G. Hillmann
USA
KDB
Gismo
Autohaus Kaiser
Erwin Wagner