HB ohne Filter vom 8. Mai 2009
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Heute zu den Themen: Fiat lux!, Porsches Abglanz via Wolfsburg, Die Abwrackprämie läuft und Restwertverpflichtung auf dem Prüfstand.
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4. Mai – Montag
Fiat lux! "Es werde Licht." So steht es im Buch der Genesis, nicht über dem Eingangstor der 1899 gegründeten "Fabbrica Italiana Automobil Torino". Im Dezember 2008 verkündete Sergio Marchionne die Botschaft, dass weltweit maximal sechs Autokonzerne überleben werden. Jeder musste für sich denken, dass da Fiat bei Gott nicht dazu gehört, auch wenn Rom in Italien liegt und vor 2000 Jahren mal politische Weltmacht war. Was Benito Mussolini als neues römisches Imperium nicht gelang, soll Sergio, dem Mann, der vor dem facettenreich gestylten Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in Berlin im Pullover aufläuft, nun gelingen. Auch Marchionne spricht, wie 1998 der unleidige Weltkonzernschmied Schrempp, bereits von einer "Ehe im Himmel", die jetzt über die Achse Fiat–Chrysler–Opel als zweitgrößtem Automobilkonzern der Welt nach Toyota gezimmert werden soll.
Der Gedanke hat strategische Faszination. Doch von Vernunftehen haben wir uns doch vor zweihundert Jahren verabschiedet? Und eine Liebesheirat kann das nicht werden. Ich stelle mir den liberalen amerikanischen Chrysler-Händler vor, der über seine zugehörigen Marken Jeep und Dodge zur Händlertagung mit Cowboystiefel auftritt, den feurigen Italiener-Händler aus dem Mezzogiorno, der neben Sonne viel Feuer und die hohe Gabe der Improvisation mitbringt, und dort den zurückhaltenden, anständigen niederbayerischen Opel-Händler, der aus lauter Respekt vor dem "Adam" dessen Blitz eingenäht auf seinem Slip trägt. Da treffen drei unsägliche Welten, Kulturen genannt, aufeinander. Fiat hat doch bereits über die Beteiligung von GM von 2000 bis 2005 alles andere als "bella figura" gemacht. GM zahlte dann 2005 1,5 Milliarden Euro Strafgeld, um überhaupt aus der Verbindung herauskommen zu können. Das rettete Fiat damals vor dem liquiden Finale.
Warum sollte Marchionne nun mit Chrysler gelingen, woran Schrempp, Zetzsche und Bernhard mit vielen, vielen Milliarden Euro in der schwäbischen Hinterhand scheiterten? Eines haben jedoch alle drei Marken gemein: Sie sind finanziell so schwach auf der Brust – Fiat schiebt alleine sechs Milliarden Euro Schulden vor sich her –, so dass sie zwangsläufig morgen wieder irgendeinem auf dem Bürgschaftsschoß sitzen müssten. Alle drei produzieren Autos, die allesamt ölabhängig sind. Sprich, an technischer Spitzenstellung ist da für die geplanten sechs Millionen Autos pro Jahr aber auch gar nichts dabei, was einen als zweitgrößten Automobilhersteller der Welt hoffnungsträchtig prädestinieren könnte.
Und wo sind die Managementreserven? Schrempp hat seinerzeit die besten Daimler-Manager zu Mitsubishi, Chrysler & Co geschickt und damit in der Zentrale eine fürchterliche Kluft hinterlassen. Sie ist bis heute an gewohnter Daimler-Klasse nicht geschlossen. Es sei an den napoleonischen Carlos Ghosn, den automobilen Wunderheiler, erinnert. Der muss froh sein, wenn er nun Renault und Nissan überhaupt über die Runden bekommt. Die Bundesregierung hat Roland Berger als strategischen Opel-Berater ins Feld gebracht. Berger sitzt im Verwaltungsrat des Fiat-Konzerns. Marchionne ist Vizepräsident der Schweizer Bank UBS (mit Wohnsitz in der Schweiz). Josef Ackermanns Deutsche Bank war viele Jahre lang Hauptgesellschafter der Roland-Berger-Unternehmensberatung. Ackermann ist nach seinem voraussichtlichen Ausstieg aus der Deutschen Bank im Jahre 2010 als Präsident des Verwaltungsrates der Schweizer UBS im Gespräch. Berger und Ackermann sitzen bei der Kanzlerin am Wirtschaftstisch. Und GM-Europa-Chef Carl Peter Forster kennt Marchionne aus seiner ACEA-Tätigkeit ganz gut. Diese Hintermänner reichen aber als Management für die notwendige Zukunftsgestaltung wirklich nicht aus.
Internationale Automobilwirtschaft
Selbst durch den neuen Italo-Verbund ist das Problem der weltweit automobilen Überkapazitäten nicht gelöst. Tritt Fiat allerdings nicht bei Chrysler ein, droht dort die Liquidation. Bei GM ist heute schon US-Präsident Barack Obama erster Automobilmanager. Auch Ford gehört nach 30 Milliarden Dollar Verlust in 2008 und einem Umsatzeinbruch gegenüber dem Vorjahr von 40 Prozent zu den Wackelkandidaten. Porsche kämpft derzeit an vielen Fronten, BMW arbeitet bis Juni kurz, Daimler ist an der Börse gerade noch 20 Milliarden Euro wert etc. Wer gar an die 100 – überwiegend kleinen – chinesischen Automobilhersteller und an die indischen Produzenten denkt, überlegt, ob die wahren Autos der Zukunft überhaupt noch von den heutigen Lieferanten kommen? Die Krise zeigt zumindest, dass vielfach die falschen Autos gebaut werden. Und wie sehen die Fahrzeuge der Zukunft aus? Umgekehrt, das Auto selbst hat aber ohne Frage eine sehr gute Zukunft. Derzeit sind auf dem Erdball eine Milliarde Fahrzeuge unterwegs. 2030 werden es zwei Milliarden sein.
Fazit: Positiv an der Fiat-Chrysler-Opel-Achse ist, dass weitere Wettbewerber im Rennen blieben. Erfreulich ist, dass Fiat, 2004 ff. noch selbst sterbenskrank, sich soweit berappelt hat, um derartige Mammutaufgaben zu stemmen. Positiv wäre, dass es für die deutschen Chrysler-Händler, die derzeit mit aktiver Unterstützung des ZDK sich erst einmal mit der Hersteller-Insolvenz beschäftigen müssen, eine Perspektive gäbe. Sicher würde sich das Fiat (Lancia 1969, Alfa Romeo 1988, Ferrari 1969, Maserati seit 1993)-Chrysler-Opel-Händlernetz lichten. Fiat lux!
5. Mai – Dienstag
Porsches Abglanz via Wolfsburg. Kennen sie die schwäbische Steigerung von "gescheit"? Antwort: "G'scheit, g'scheiter, g'scheitert!" Der erfolgsträchtige Porsche-Boss Wendelin Wiedeking und dessen genialer Finanzvorstand Holger Härter werden nun selbst Opfer ihres verdammt "g'scheit“ eingefädelten Spielballs "VW-Aktie". Seit 2005 ist Porsche hinter Volkswagen her. Sicher mit Einverständnis der Legende Ferdinand Piëch und von Wolfgang Porsche. Piëch will um jeden Preis aus Volkswagen ein Familienunternehmen machen, wie es Toyota, Peugeot, Fiat und BMW auch sind. 2005 schaukelte die VW-Aktie bei 50 Euro. Noch im November 2007 behauptete Wiedeking: "Es bestehen derzeit definitiv keine Absichten, den Anteil von Porsche an VW auf 30 Prozent oder darüber aufzustocken." 2007 meinte selbiger Herr: "Langsam, langsam. Dieses Ziel – VW zu schlucken – verfolgen wir aktuell nicht." Aktuell nicht, grundsätzlich aber sehr wohl. Als am 26. Oktober 2008 der VW-Höchstkurs die Wahnsinnsdimension von 1.005 Euro erreichte, hieß es bei Porsche: "Zielsetzung ist, sofern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen, im Jahr 2009 auf 75 Prozent aufzustocken und damit den Weg für einen Beherrschungsvertrag frei zu machen." Da weist Porsche einen doppelt so hohen Gewinn wie Umsatz aus. Und jetzt fehlt dann plötzlich die Finanzkraft, um die Übernahme von VW im geplanten Sinne zu stemmen?
Diese völlig überzogenen Gewinne gehen auf die Optionsgeschäfte um die VW-Aktie zurück. Was tatsächlich davon noch realisiert wird, muss sich noch erweisen. Porsche schweigt aber zum Phänomen über die exakte Struktur dieser Optionsgeschäfte. Typisch! Mal sehen, was da noch hochkommt? Man erinnere sich an den 4. Januar 2009, als der schwäbische Milliardär Adolf Merckle sein Leben vor einem Zug in Blaubeuren beendete. Er wie Hedgefonds, wie Banken hatten auf einen fallenden VW-Kurs gesetzt und insgesamt mehrere Milliarden Euro verloren. Porsche profitierte. Eine solide Leistung! Da arbeiten noch Anwälte an einer Sammelklage gegen Porsche. Wo Gewinne größer als der Umsatz ausfallen, hat das mit schwäbisch solider Leistung sehr wenig zu tun. Dennoch hält Herr Wiedeking sein Jahressalär von 80 Millionen Euro für gerechtfertigt. Richard Wagner setzte im "Ring der Nibelungen" – einer Tetralogie – die "Götterdämmerung" aus gutem Grunde an den letzten Tag.
Erschwerend kommen bei Porsche marktbedingt jetzt markante Umsatzeinbrüche hinzu. Die "neue Hoffnung", der Viertürer-Porsche Panamera, sollte ursprünglich in Genf vorgestellt werden. Man hat aber nun lieber die Automesse in Shanghai gewählt, um die Unzeit der Einführung zu egalisieren. Am Wertverlust der Rückläufer bei den Händlern – beim Cayenne pro Fahrzeug ab 20.000 Euro aufwärts – beteiligt sich Porsche bis heute nicht. Die meisten Porsche-Händler schreiben derzeit düster rote Zahlen. Porsche-Händlerrabatte steigen im Neufahrzeuggeschäft inzwischen in ungewohnte Höhen. Auch das drückt auf die Renditen. Was heute die Inhaberfamilien Porsche und Piëch im Stammhaus der PIA als Lösung gefunden haben, beendet das Abenteuer, dass der kleinste Automobilhersteller einen der größten schluckt. Die Megafusion wird aber zu Lasten der Exklusivität von Porsche gehen. Das IG Metall durchseuchte Wolfsburg soll das Sagen über Porsche bekommen? Porsche wird eben zu einer Marke wie VW, Audi, Seat, Skoda, Lamborghini, Bentley, Bugatti, VW Nutzfahrzeuge und Scania und ein bisschen MAN absteigen und viel an Nimbus verlieren. Die Zeit des "unbesiegbaren Siegfried" ist für Wiedeking vorbei. Er wird weiter Wendelin heißen! Sein langjähriger Backsteinhaus-Polierer und Propagandaadjutant Anton Hunger wird sich im Ruhestand darüber "sakrisch" ärgern.
7. Mai – Donnerstag
Die Abwrackprämie läuft. Und wie! Auch der April brachte mit 380.000 Neuwagenzulassungen und einem Plus von 19 Prozent eine nahtlose Fortsetzung des Neuwagenbooms. Auch wenn es immer noch Anzweifler der Abwrackprämie gibt, so wurden in den ersten vier Monaten 200.000 Fahrzeuge mehr als im Vorjahr verkauft. Das führt nun so manchen Hersteller und Importeur dazu, seine Jahresziele neu zu formulieren. Realistisch? Peugeot z.B. hat nun für 2009 die Messlatte auf 154.000 Einheiten hochgeschraubt. 2008 wurden 94.676 eingefahren. Offensichtlich werden da einige französische Konzernprobleme nach dem Prinzip Hoffnung auf den deutschen Markt verlagert.
Es ist nicht verwunderlich, dass in den Zeitungsanzeigen die Umweltprämie zuzüglich weiterer Sonderprämien dominieren. Die günstigsten Angebote sind der Chevrolet Matiz – inkl. Verschrottungsprämie für 4.990 sowie der Dacia Sandero für 5.000 Euro. Hinzu kommt die Werbung für zahlreiche Modell-Neueinführungen: Mercedes E-Klasse., iQ und Urban Cruiser von Toyota, Audi A5 Cabrio und A4 Allrad Quattro und Seat Exeo. Honda geht mit dem neuen Insight, einem Hybridfahrzeug ab 19.500 Euro, ins Rennen und Citroën mit dem erneuerten C3. Es sind ganz dominant die Exportmärkte, die den deutschen Herstellern echte Probleme machen.
8. Mai – Freitag
Restwertverpflichtung auf dem Prüfstand. ZDK-Hauptgeschäftsführerin Antje Woltermann lässt sich im ZDK-Organ "Kfz-Betrieb" Nr. 16 darüber aus, dass nach der Empfehlung des Juristen Prof. Genzow, die Restwertverpflichtung aus Leasingverträgen gerichtlich überprüfen zu lassen, erst noch überlegt werden muss. Ob das die ZDK-Juristen das auch so sehen?
Wir wollen den Verbandsverantwortlichen die Entscheidung erleichtern und möchten das Abstimmungsergebnis von AUTOHAUS Online – siehe die laufende Befragung – festhalten: Zur Stunde haben über 2.200 ihre Stimme abgegeben! Nochmals 2.200! Für 82 Prozent ist es selbstverständlich, dass der ZDK hierzu die Rechtsauffassung vor Gericht klären sollte. Worauf wartet man in Bonn?! Ran! Nicht warten, bis irgendwann einmal in fünf Jahren verbandspolitisch neue Geschäftsmodelle geschaffen wurden. Jetzt und in den kommenden zwei Jahren brennt die Leasing-Hütte.
Man nehme beispielsweise die BMW-Lösung zur Kenntnis. Warum kann jeder BMW-Händler in Europa nach Ablauf des Leasingvertrages entscheiden, ob er den Rückläufer zu gegebenem Preis zurücknimmt oder nicht, nur bei den deutschen BMW-Händler geht das nicht? Unglaublich! Wenn der Händler von den Vorgaben der jeweiligen Leasinggesellschaft abhängig ist, der Handel die Leasingkonditionen wenig beeinflussen kann, weshalb soll das Restwertrisiko einseitig zu Lasten des Handels verteilt werden? Das ist eine Grundsatzfrage. Klären! Wer muss da noch nachdenken? All jene, die etwas verhindern wollen. Nämlich, dass der Handel Geld verdienen muss!
Spruch der Woche:
"Die Presse muss die Freiheit haben, alles zu sagen, damit gewisse Leute nicht die Freiheit haben, alles zu tun!"
Mit meinen besten Grüßen und Wünschen
Prof. Hannes Brachat
Herausgeber AUTOHAUS
BVUH e.V.
Elia
Thorsten Podlech
Heinrich