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Stackmann schreibt: Preisschmelze und Anti-SUV-Politik

Stackmann schreibt ...
Jürgen Stackmann ist seit diesem Jahr Kolumnist für AUTOHAUS.
© Foto: AUTOHAUS

Nachhaltiger vertrieblicher Erfolg entsteht aus Sicht von Jürgen Stackmann erst dann, "wenn wir den Kunden nicht nur einmal zu uns holen, um ein kurzfristiges Problem zu lösen, sondern ihn auch im nächsten Zyklus wieder bei uns erhalten".

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Datum:
09.02.2024
Lesezeit:
5 min

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Liebe Leserinnen und Leser,

vielen Dank für die zahlreichen Anregungen und Kommentare, die mich in den vergangenen zwei Wochen erreicht haben. Ich werde versuchen, Ihre Liste Stück für Stück "abzuarbeiten". Hier nochmals meine E-Mail-Adresse, falls Sie mir Themen außerhalb der Öffentlichkeit senden wollen: Juergen.Stackmann1@gmail.com oder natürlich auch über meinen LinkedIn-Account. Dies gilt natürlich auch für alle Leserinnen und Leser auf Seiten der Hersteller und Importeure. Ich möchte versuchen ausgeglichen zu bleiben.

Meinen AUTOHAUS-Kommentar zum Mercedes-Niederlassungsverkauf haben Sie in der vergangenen Woche vermutlich schon gelesen. Ich habe gemerkt, dass dieses Thema wirklich bewegt und zu Diskussionen anregt. Bemerkenswert aus meiner Perspektive war besonders Ihr Augenmerk auf die Sicht der mehr als 8.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zum Teil über Jahrzehnte den Stern mit großer Leidenschaft, Einsatz, Loyalität und Kundenorientierung vertreten haben und dies hoffentlich auch in Zukunft tun werden.

Ich wünsche Britta Seeger und Ola Källenius das notwendige Fingerspitzengefühl, um für diese verdienten und loyalen Markenbotschafter eine für sie gute und sichere Zukunftsperspektive zu schaffen. Von allen großen Marken war aus meiner Sicht die Mercedes-Mannschaft im Verkauf und im Service immer am nächsten am Endkunden. Auch schwierigere technische Aufgaben wurden i.d.R. ohne viel Aufsehens vom Team gelöst und für den Kunden ausgeräumt. Dieses wichtige Know-how und damit auch die Ausputzer-Funktion droht verlorenzugehen, wenn sich die Belegschaft "verkauft" fühlen.

Ich hoffe, dass sich im Strategie-Papier zum Thema Niederlassungsverkauf ein großes zentrales Kapitel zum Thema "Menschen unter dem Stern" befindet und nicht nur eine kleine Anmerkung in der Sonstiges-Liste.

Zwei Themen möchte ich diese Woche beleuchten. Zum einen die Suche nach dem Post-Covid-Preispunkt im Markt der Verbrenner. Ich hatte in meiner ersten Kolumne des Jahres Ihnen ja geraten, sich fest anzuschnallen …. und der Januar hat gezeigt, dass dies tatsächlich notwendig sein wird.

Während im Markt der Elektroautos die Volkswagen-Mannschaft das erste notwendige "Preis-Schneebrett" auslöste und damit sogar die neuen chinesischen Marken zur Korrektur ihrer Preise nötigte ("Herzlich willkommen in Deutschland!"), bringt Stellantis den Hochpreis-Gletscher im Verbrenner-Markt in Bewegung. Die Kostenposition scheint so gut zu sein, dass keine smarte und zärtliche Annäherung an den Post-Covid-Preis durch den Einsatz von Fönen notwendig ist. Stellantis (besonders Opel und Peugeo) hat ein ganzes Kraftwerk angeschmissen, um die Preis-Schmelze mit Volldampf zu starten.

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Die Lager sind anscheinend randvoll, die Order-Pipeline leer, die Werksleiter warten auf frische Bestellungen – und die neuen Leasing-Konditionen pendeln schon fast wieder auf dem Niveau von 2019 ein. Leider auch die Unarten: Zweijahres-Leasing mit abstrus hohen Restwerten, geringer Kilometer-Leistung, hohen Systemnachlässen und Leasing-Faktoren weit unter 0,5 verheißen nichts Gutes für den weiteren Jahresverlauf.

Erinnern Sie sich noch an die Zweijahres-Leasing-Angebote aus den ersten Jahren der deutschen Umweltprämie? Dort hat das Kollektiv der Vermarkter (ja, ich gehörte auch dazu!) die Staatsprämie einfach mit den Leasing-Raten der ersten zwei Jahre verrechnet und die kleinen, netten Einsteiger-BEV fast "zu Null" weggegeben. Zwei Jahre später landeten diese mit viel zu hohen Restwerten auf den Händlerhöfen. Und die Kunden waren dann mal weg. Wer kann schon einen Monatsraten-Anstieg um mehrere 100 Prozent wirklich für sein Auto verkraften?

Meine Bitte: Liebe Importeure, es ist gut, dass die Preise sich wieder auf den Kunden und deren wahre finanziellen Möglichkeiten zubewegen. Bitte aber bei aller Dynamik und festem Willen, die Fabriken zu füllen, nicht das Hirn und die Fähigkeit zur Reflektion ausschalten. Nachhaltiger vertriebliche Erfolg entsteht dann, wenn wir den Kunden nicht nur einmal zu uns holen, um ein kurzfristiges Problem zu lösen, sondern ihn auch im nächsten Zyklus wieder bei uns erhalten. Außerdem schadet es nicht, wenn OEM, Importeur und Handel gutes Geld verdienen. War doch gar nicht so schlecht in den Jahren 2021 bis 2023! Vielleicht doch mal den Fön probieren!

Nun zum zweiten Thema:

Anti-SUV-Parkgebühren in Paris ab September – ein Plädoyer für Bürgermeister mit Sachverstand!

Sechs Prozent der Pariser Wahlberechtigten haben darüber abgestimmt, wie hoch die Parkgebühren für Pendler und Touristen ab September 2024 sein werden. Sie sollen für SUV über 1,6 Tonnen (Verbrenner) bzw. 2,0 Tonnen Gewicht (E-Fahrzeuge) verdreifacht werden. Knapp über 50 Prozen haben dafür gestimmt – etwas mehr als 36.000 Personen. Eine Annäherung …

1.) Sollten Städte solche Maßnahmen grundsätzlich ergreifen (dürfen)?

Aus Sicht der Verkehrswende sitzen die Städte an einem Knotenpunkt der Entwicklung. Aus Sicht unseres IMO-HSG | Institut für Mobilität nehmen Städte sogar eine Schlüsselrolle ein. Aktiv gestaltende Bürgermeister müssen steuern dürfen, um die Belange von Mobilität, Umweltschutz, Gestaltung lebenswerter und sicherer Städte, fairer Flächenverteilung und deren Bewirtschaftung ganzheitlich und zukunftsfähig zu formen.

In vielen Bereichen ist Bürgermeisterinnen und -meistern der Gestaltungsrahmen jedoch gerade in Deutschland durch Bundes- und Landesgesetze sowie Vorgaben der Landkreise enger gesteckt als man vermuten möchte.

2.) Wie sollte also ein Bürgermeister dem wachsenden Bestand und Nutzung von PKW in seiner nicht wachsenden Stadt begegnen?

Zunächst einmal sicher durch die Schaffung von attraktiven Alternativen zum Auto in urbanen Umfeldern. Mehr ÖPNV, neue ergänzende Alternativen zum MIV wie z.B. Ridepooling Angebote (Moia in Hamburg), Förderung des sicheren und zügigen Fahrradfahrens usw.

Insbesondere die Ausweitung des ÖPNV-Angebotes scheitert in den meisten Fällen an extrem langen Planungszyklen (Straßenbahn, U-Bahn), der Nicht-Verfügbarkeit von neuen zusätzlichen Busfahrpersonals oder natürlich schlicht der Finanzierbarkeit. Viele Maßnahmen müssen zudem nicht zu direkten Einschränkungen des Autoverkehrs führen, aber eine Umverteilung von Verkehrsflächen gehört wohl unabwendbar hinzu, beginnend mit der Umwidmung von Fahrspuren bis hin zur Einschränkung des Parkraumes. Dazu gehört aber auch eine faire Bepreisung des geparkten Fahrzeugs im öffentlichen Raum. Es gibt kein Grundrecht auf Parken oder gar günstiges Parken im öffentlichen Raum – nur ein Gewohnheitsrecht.

Der Trend weist also in Richtung einer generellen Verteuerung des Parkens, auch um damit die Einnahmen der Städte zu stärken und mittelfristig "die Lust auf den eigenen Pkw" einzudämmen.

3.) Muss deshalb ein "Kampf" gegen das Auto geführt werden – oder reicht eine Korrektur einiger Fehlentwicklungen?

Zunächst einmal ist und bleibt das Automobil für sehr viele Menschen (es gibt in Deutschland mehr Autos als Haushalte!) ein flexibles, persönliches und notwendiges Verkehrsmittel. Selbst in Städten mit hervorragendem ÖPNV-Netz bietet es für das Wochenende, das Reisen mit mehreren Personen und zum Einkaufen eine praktische und komfortable Lösung. Und ja, viele Menschen mögen ihr Auto.

Aber die Automobilentwicklung ist in den vergangenen Jahren in Teilen in eine ökologisch und preislich bedenkliche Richtung abgebogen. Technische Fortschritte in der Motoreneffizienz wurden durch stetig wachsende Außenmaße (plus 20 Zentimeter seit 2000 ), mehr Gewicht (plus 200 Kilogramm seit 2010) und mehr Leistung (plus 47 PS seit 2000) "aufgefressen".

Aus Sicht der Hersteller ist diese Logik natürlich nachvollziehbar, da diese Fahrzeugsegmente viel profitabler sind als Kleinwagen – die sich durch hohe Lohnkosten in Europa (besonders in Deutschland) nicht mehr profitabel produzieren lassen. Zudem ist das Plus an Gewicht und Außenmaßen neben dem Kundengeschmack und der Herstellerpolitik auch den deutlich wachsenden Sicherheitsanforderungen geschuldet. Aus den gleichen Gründen startet die erste Generation der Elektrofahrzeuge auch nicht mit Kleinwagen, sondern eben mit trendigen CUV/SUV. Es lebe die Marktwirtschaft und das Gesetz von Angebot und Nachfrage!

Mit Blick auf die verfügbaren freien öffentlichen Flächen gibt es unter dem Strich zu viele Autos, diese sind zu groß und blockieren zu viel wertvolle Fläche. Im Vergleich zu den Grundstückspreisen und Baukosten von Parkraum ist die Parkgebühr fast "gratis".

Das Ziel der städtischen Steuerung ist also: weniger Autos im Raum (bewegt und geparkt) sowie kleinere Autos. Hier setzt das Pariser Modell an, mit dem Fahrten in die Stadt besonders für schwere (große) Autos fast schon prohibitiv teuer gemacht werden. Dort lebende Einwohner sind ja (erst einmal) von der Regelung nicht betroffen. So weit, so gut.

4.) Sachliche Entscheidung oder Kulturkampf?

Das (Monster-)"SUV" (so die Überschrift in vielen Gazetten) ist zum spaltenden Symbol der Pkw-Entwicklung der letzten Jahre geworden. Aus Sicht des Anti-Auto-Bewegung zum kulturkämpferischen Symbol für eine "maßlose" Gesellschaft der Besserverdienenden und Rücksichtslosen und für die Profitgier der Hersteller.

Dass die Klasse von VW Tiguan, Peugeot 3008 und Renault Koleos durch die Gewichtsgrenze von 1,6 Tonnen in Paris dazugehören, hat zumindest schon einmal großes Geschmäckle. Durch die Fokussierung auf das Gewicht werden aber auch alle D-Klasse Fahrzeuge zu "SUV", alle größeren Limousinen, Kombis, viele Vans zu SUV. Selbst bei bestimmten Varianten des VW Touran – das Sinnbild für sachlichen Personentransport und Funktionalität.

Gewicht scheint also für einen "sachlichen" Bürgermeister keine zielführende Entscheidungsgröße zu sein, die Silhouette des Fahrzeugs (Van, Kombi, CUV, SUV,…) wohl auch nicht. Platz wird durch die Außenmaße definiert, egal wie das Auto darauf aussieht. Ich bin gespannt, welcher Bürgermeister einfach einmal dieses Kriterium heranzieht – zum eigentlichen Problem des Platzmangels passt es definitiv am besten.


Zum Autor

Jürgen Stackmann zählt zu den bekanntesten Automanagern Deutschlands. Unter anderem war er im Vorstand der Hersteller VWSeatSkoda und Ford tätig. Er gilt als Experte für die Bereiche Management, VertriebMarketing und Finanzen.

Seit 2021 hat Stackmann einen Lehrauftrag an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU). Zudem ist er Direktor des Institutes für Mobilität an der Universität St. Gallen. Seit 2024 verfasst der Branchenkenner exklusiv die Kolumne "Stackmann schreibt" für AUTOHAUS.




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