Interview: " Andere Branchen machen es vor "

Werden künftig Software-Updates einfach Over-the-air vom Hersteller direkt in das Fahrzeug gespielt, ohne dass es physisch in die Werkstatt kommt? Wird es bald ganz neue Serviceformate geben, bei denen Kunden ihr Fahrzeug an Drop Points in der City abgeben und am Abend repariert abholen? Oder kommen autonome Fahrzeuge in einigen Jahren von ganz alleine in die Kfz-Werkstatt? Die neue Studie von NTT DATA und AUTOHAUS gibt mögliche Antworten auf diese Fragen. Susanne Eppacher, Lead Consultant Expertin für Automotive Aftersales Prozesse bei NTT DATA, einem der führenden Anbieter im Business- und IT-Consulting, erläutert den Ansatz der Untersuchung. AH: Anlässlich des AUTOHAUS Service-Kongresses am 5. Juli stellen Sie die Ergebnisse einer Studie zur Zukunft des Serviceannahmeprozesses im Aftersales vor. Worum geht es in der Studie? S. Eppacher: Mit der Studie stellen wir die Frage, wie aktuelle Trends wie beispielsweise autonomes Fahren, Smart City oder Telematics den Aftersales zukünftig verändern werden. Hier betrachten wir im Speziellen die Serviceannahme aus Kundensicht, sprich was erlebt der Kunde von der Servicemeldung bis zur Fahrzeugübergabe. Die Studie zeigt auf, welche Auswirkungen dies für die Automobilindustrie und im Speziellen für die Werkstätten hat. AH: Welchen Ansatz verfolgen Sie bei der Erhebung der Daten? S. Eppacher: Um ein möglichst umfassendes Meinungsbild zu den Trends und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Serviceannahme zu erhalten, haben wir die Meinung aller am Prozess beteiligten Stakeholder eingeholt. Neben Automotive-Experten und Aftersales-Verantwortlichen ausgewählter OEMs waren das mehr als 250 Autohäuser und natürlich auch deren Kunden. AH: Welche Megatrends werden den Aftersales in den nächsten Jahren vor allem verändern? S. Eppacher: Wie gesagt, sehen wir den Megatrend der Digitalisierung als Haupttreiber für die Veränderungen im Aftersales. Dies haben uns auch die Experten bestätigt. Um aber nicht nur bei diesem "Buzzword" zu bleiben, haben wir den Megatrend für die Studie konkretisiert und auf fünf Kerntreiber für die Veränderung im Serviceannahmeprozess heruntergebrochen. Neben dem Autonomen Fahren sind das vor allem Telematics mit der daran anschließenden Datenanalyse und Nutzung, die zunehmende Vernetzung, die Over-the-air Updates im Fahrzeug möglich macht, Cross-Channelling & Partnerschaften sowie Smart City. Letzteres wird aus meiner Sicht vor allem durch andere Branchenbeispiele geprägt und beeinflusst dadurch bereits heute die Kundenerwartungen. AH: Welche Key-Findings der Untersuchung können Sie uns schon verraten? S. Eppacher: Besonders beeindruckt hat mich das Ergebnis der Marktforschung zum Thema Autonomes Fahren. Obwohl diese Technologie noch nicht am Markt verfügbar ist, können sich heute bereits 47 Prozent der befragten Fahrer vorstellen, ihr autonom fahrendes Auto selbstständig, also ohne Fahrer, zum Service fahren zu lassen. Bei den Händlern sind es sogar 68 Prozent Zustimmung. Aus meiner Sicht wird diese Technologie die größte Veränderung für das Autohaus und deren Serviceabwicklung bedeuten. Die größte Herausforderung dabei wird es sein, ein Substitut für den abnehmenden persönlichen Kundenkontakt zu schaffen, um auch zukünftig die Kundenbindung zur Marke und zum Autohaus sicherzustellen. 70 Prozent der Händler befürchten eine Abnahme der Kundenkontakte. AH: Welche Botschaft sollte der markengebundene Handel also mitnehmen? S. Eppacher: Aus unserer Sicht wird ein noch engeres Zusammenrutschen von Autohaus und OEM zukünftig erfolgsentscheidend. Für die Realisierung der digitalen Transformation und um auch in neuen Geschäftsfeldern künftig konkurrenzfähig zu sein, benötigt der Handel den OEM als Partner an seiner Seite; aber auch andersherum. AH: Ist der Automobilhandel auf die Veränderungen im Servicemarkt in den nächsten Jahren vorbereitet? S. Eppacher: Wenn er offen für neue Geschäftsfelder ist und seine Prozesse sowie sein Serviceangebot damit auf die veränderten Kundenbedürfnisse anpasst. Heute sagen 35 Prozent der befragten Händler, dass die Zukunft in einer "Smart City" auch für Autohäuser neue Geschäftsmodelle bereithält. Man kann also durchaus sagen, dass bei rund einem Drittel der Händler das notwendige Bewusstsein für den Wandel vorliegt; der Grundstein ist also bereits gelegt. AH: Wo wird es die größten Markt-Verschiebungen im Aftersales geben? S. Eppacher: Bezogen auf den Serviceannahmeprozesse sehe ich die größte Veränderung in der Gestaltung des Kundenkontakts. Durch die Angebotserweiterung in Form von neuen Serviceformaten oder auch ein intensiveres Kunden-Management drängen sich vermehrt dritte Player in die Beziehung zwischen Kunde und Autohaus. Dadurch und auch durch die zunehmende Bedeutung des Flottengeschäfts heißt es für die Autohäuser dann wohl verstärkt B2B anstelle von B2C. AH: Welches Ergebnis hat Sie überrascht? S. Eppacher: Nicht unbedingt überrascht, aber durchaus bemerkenswert finde ich die klare Aussage der Hersteller im Hinblick auf die zukünftige Bedeutung ihres Händlernetzwerks. Man kann durchaus sagen, dass sich hier alle Interviewpartner einig waren, dass die Kooperation zwischen OEM und Handel auch zukünftig Bestand haben wird. Der OEM ist sich der Bedeutung seines Händlernetzwerks, gerade auch in Bezug auf die Nähe zum Kunden, sehr bewusst. Das wird auch weiterhin als ein strategischer Vorteil, beispielsweise im Vergleich zum nicht markengebundenen Aftersales, gesehen. AH: Nehmen die Automobilhersteller im Aftersales den Handel mit oder ist es eher so, dass seitens OEM einfach Fakten geschaffen werden? S. Eppacher: Sowohl aus der Händlerbefragung als auch aus den Experteninterviews geht hervor, dass sich beide Parteien ihrer, auch zukünftigen, Rolle in der Beziehung "OEM und Handel" sehr bewusst sind. Ohne den anderen wird es nicht funktionieren und eine enge, funktionierende Partnerschaft wird in Zukunft immer wichtiger. Das ist auch eine unserer Kernbotschaften in der Studie. AH: Wie verändern sich die Anforderungen an die Mitarbeiter im Service? S. Eppacher: Die Umfrage hat ergeben, dass die Beratung auch zukünftig ein wichtiger Bestandteil im Serviceprozess sein wird. Allerdings hat sich auch klar herauskristallisiert, dass sich die Art und Weise der Beratung verändern wird. Ich sehe hier zum einen die Nähe zum Kunden mit zunehmender Vor-Ort-Präsenz sowie die Kommunikation über digitale Medien im Fokus. Die Rolle des Serviceberaters wird also zukünftig sicherlich neu ausgerichtet werden müssen. Vielleicht sprechen wir ja dann in fünf Jahren über den Service- oder Kunden-Manager. AH: In welcher Weise verändern sich Bedürfnisse der Autofahrer im Service? S. Eppacher: Gerade im Service können wir nicht pauschal über den typischen Fahrer sprechen. Eine Differenzierung von Privatkunden im Vergleich zum Geschäftskunden zeigt zum Beispiel deutliche Unterschiede auf. Daher ist die klare Empfehlung für Autohäuser und OEM ihre heute vornehmlich starren Serviceprozesse mit klar definierten Abläufen, in Zukunft flexibler auf die Kundentypen anzupassen. Die Digitalisierung ist dabei für die Kundenzufriedenheit, die Qualitätssicherung und auch die Kosten-Effizienz ein wichtiger Hebel. AH: Welche Expertise kann NTT DATA für die Umsetzung von Digitalisierungsstrategien der OEM bieten? S. Eppacher: NTT DATA ist ein verlässlicher Beratungs- und Umsetzungspartner, der insbesondere im Automotive Aftersales langjährige Erfahrung und Expertise besitzt. Gemeinsam mit unseren Kunden entwickeln wir Businessund IT-Lösungen, von der Idee, über die Konzeption bis hin zur Umsetzung und dem laufenden Betrieb. Gerade unsere japanisch geprägte Unternehmenskultur bei NTT DATA stellt die langfristige Kundenbeziehung in den Fokus. Unser Anspruch ist es daher, neue Technologien und Trends wie gerade auch die Digitalisierung frühzeitig in die Lösungsentwicklung zu integrieren und dadurch deren Zukunftsfähigkeit und auch Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Interview: Dietmar Winkler Kurzfassung Auch künftig bleibt das Händlernetzwerk für Automobilhersteller wichtig. Aber der Handel muss sich in die digitale Wertschöpfungskette integrieren. Zudem müssen die Serviceangebote für unterschiedliche Kundengruppen noch viel differenzierter werden, sagen Konsumenten, Händler und Hersteller im Rahmen einer neuen Studie. Die Studie Die Studie "Megatrend Digitalisierung im Automotive Aftersales - Wie neue Kundenanforderungen den Service der Zukunft beeinflussen" wird im Rahmen des AUTOHAUS Service-Kongresses am 5. Juli in Wiesbaden vorgestellt. NTT DATA wirft darin zusammen mit AUTOHAUS einen Blick in die Zukunft des Serviceannahmeprozesses. Befragt wurden Pkw-Nutzer sowie der Automobilhandel. Flankierend haben die Autoren der Studie die Servicechefs mehrerer Fahrzeughersteller und anerkannte Branchenexperten in Interviews befragt, wo sie die größten Veränderungen im Serviceprozess erwarten. Der Megatrend "Digitalisierung" wurde dabei auf fünf wichtige Kerntreiber heruntergebrochen. Der Blick fokussiert sich dabei auf Telematik, Vernetzung der Fahrzeuge, neue Vertriebsstrukturen, die Entwicklung der Städte hin zur Smart City und autonomes Fahren.

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