Ausgabe 09/2008: Auf der Hut sein!

Betrügereien / Kriminalpolizei warnt vor einem Vermarktungskonzept mit hohen Anzahlungen und geringen Raten sowie Schlusszahlungen. Auch ausgelieferte Fahrzeuge sind gefährdet.Auf der Hut sein! Von Doris PlateAlf Kammer reibt sich die Augen. Der EU-Neuwagenhändler kann es nicht glauben: 20 Jahre Erfahrung, Kontakte, Einkaufsquellen, Marktkenntnis und trotzdem tauchen im Internet plötzlich Angebote auf, bei denen er nicht mithalten kann. Bestellbare Audi Q 7, BMW X 5 und Mercedes ML mit bis zu 30 Prozent Rabatt. Wie kann das gehen?Nachforschungen des Bundesverbandes der Freien Kfz-Händler (BVfK) deuteten auf ein betrügerisches Vermarktungskonzept hin. "Etwas Ähnliches hat es bereits 2004/2005 gegeben", berichtet BVfK-Vorstand Ansgar Klein. Damals wurde ein "Makler-Ehepaar" in Dänemark verhaftet, das ebenfalls hohe Rabatte für fast alle Modelle fast aller Hersteller in nicht begrenzter Stückzahl angeboten hatte. Ausgeklügeltes System liefert einige Fahrzeuge ausVor vier Jahren wurden die Anzahlungen kassiert und die Fahrzeuge nicht ausgeliefert. Zehntausende warteten nach Überweisung hoher Anzahlungen vergeblich auf ihre Autos, was dann nach etwa 18 Monaten zum Zusammenbruch des Systems führte. Anno 2008 ist das System etwas ausgeklügelter. Jetzt wurden einige dieser Fahrzeuge ausgeliefert. Dann ist ja alles okay – sollte man meinen. "Man muss schon genauer hinschauen, um die Lücken zu entdecken", widerlegt Ansgar Klein. Ins Visier der Kriminalpolizei geriet z. B. jetzt die "EU-Car Zentrale" mit Sitz in Tettnang. Diese Firma wirbt seit über einem Jahr im Internet damit, Neuwagen, Jahreswagen und Jungwagen aller gängigen Marken und Modelle mit Preisabschlägen von 30 Prozent und mehr auf den deutschen Fahrzeug-Listenpreis verkaufen zu können.Warnung vor EU-Car ZentraleDen Interessenten werden dabei zwei Abwicklungsmodelle angeboten. Eine Variante ist der Barkauf mit Eigentumsübergang auf den Kunden nach zwölf oder 24 Monaten. Die zweite Variante, der Mietkauf mit bis zu 60-monatiger Finanzierungsdauer. Den Interessenten wird versprochen, die Fahrzeuge innerhalb der marktüblichen Lieferfristen zur Verfügung zu stellen, sobald eine 30-prozentige Anzahlung auf den Kaufpreis nach Vertragsabschluss bezahlt ist oder beim Mietkaufmodell eine 30-prozentige Anzahlung erbracht und das Einverständnis zur Bezahlung der monatlichen Leasingraten erklärt wurde. Nachdem mehrere Kunden aus dem In- und Ausland Anzeige erstattet hatten, weil sie Anzahlungen geleistet und innerhalb der zugesagten Lieferfristen keine Fahrzeuge ausgeliefert bekamen, wurden nun Ermittlungen eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt (LKA) gehen inzwischen davon aus, dass eine Vielzahl von Kunden Kaufverträge und Mietkaufverträge abgeschlossen und auch bereits Anzahlungen und/oder Ratenzahlungen geleistet haben, ohne dafür ein Fahrzeug erhalten zu haben. Nach Informationen von AUTOHAUS sind sogar Autohändler auf diese Masche hereingefallen.Überlassen oder EigentumUnd selbst die Kunden, die ein Fahrzeug erhalten haben, können nachträglich in die Röhre gucken: Ihre Autos könnten deutlich mobiler sein, als es den stolzen "Besitzern" lieb ist. Nachdem die "EU-Car Zentrale" die angebotenen Fahrzeuge zum Teil im eigenen Namen bei deutschen Autohäusern kauft bzw. finanziert, kann ein Kunde, dem dieses Fahrzeug nur überlassen wird, daran nämlich gar kein Eigentum erwerben. "Die meisten so vermittelten Fahrzeuge gehören wohl Leasinggesellschaften", vermutet Klein. Diese verleasen die Fahrzeuge an die Superschnäppchenanbieter, welche dann die Weitervermarktung mittels "Mietkaufmodell" betreiben. "Es ist davon auszugehen, dass die Anzahlungen der Leasingfirmen tatsächlich deutlich geringer sind als die Summe, die der 'Verkäufer' von seinen Kunden verlangt, und mit der Differenz eine Zeit lang eine tatsächlich höhere Leasingrate, als sie der Endkunde bezahlt, subventioniert wird."Irgendwann sind die üppigen Anzahlungen verbraucht. Je nach Umfang der Zweckentfremdung wird früher oder später die Leasingfirma beim Schnäppchenkäufer anklopfen und entweder Auto oder Geld fordern – und zwar viel mehr Geld, als der Käufer glaubte, noch an Restzahlung leisten zu müssen. Obwohl die Kriminalpolizei inzwischen in dieser Sache aktiv geworden ist, ist die entsprechende Webseite www.eu-car-zentrale.eu noch aktiv. Wegen des Verdachts des schweren gewerbsmäßigen Betrugs wurden aber am 2. April zwölf Wohnungen und Büroräume von drei Tatverdächtigen in Baden-Württemberg, Hessen und Österreich durchsucht. Der 33-jährige mutmaßliche Drahtzieher aus dem Bodenseekreis wurde vorläufig festgenommen. Er soll als faktischer Geschäftsführer der "EU-Car Zentrale" betrügerisch Neuwagen vermittelt und damit eine noch nicht abschließend bekannte Anzahl von Kunden geschädigt haben. Er sitzt jetzt in Untersuchungshaft. Dass die geschilderte Masche von anderen Anbietern weitergeführt wird, ist aber leider wahrscheinlich.Kriminalpolizei warnt vor extrem hohen RabattenBVfK und ADAC warnen schon seit geraumer Zeit vor der Herausgabe ungesicherter Anzahlungen. Die Kriminalpolizei geht sogar noch weiter, sie rät den Kunden auf ihrer Homepage www.polizei-beratung.de: "Prüfen Sie Fahrzeugangebote und -vermittlungen eingehend und kritisch. Garantierte, extrem hohe Rabatte sind in der Regel unrealistisch." Trotzdem gab es allein im Jahr 2006 rund 327.000 Betrugsfälle mit Waren und Krediten, die meisten davon in Zusammenhang mit Internetverkäufen. Offenbar bekommen doch viele Kunden angesichts solcher Schnäppchen die Dollarzeichen in die Augen und vergessen jede Vorsicht. Klären Sie Ihre Kunden über solche Machenschaften auf. Auch vermeintlichen Schnäppchen sollte man mit gesunder Skepsis begegnen!

Ausgabe 09/2008: Auf der Hut sein!

Auf der Hut sein!

Von Doris Plate

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