Ausgabe 08/2008: Aus eins mach drei

Mehrmarkenhaus / Durch die Aufnahme zusätzlicher Fabrikate konnte das Familienunternehmen Nickel in Hönow dem rückläufigen Markt entgegenwirken.Aus eins mach dreiVon Sabine TilpDie Geschichte des Autohaus Nickel in Hönow dürfte exemplarisch sein für viele Autohäuser in den neuen Bundesländern: Der 1982 gegründete Familienbetrieb, damals spezialisiert auf Karosseriearbeiten, Lackierungen und Wohnwagenservice, entschied sich im Zuge der sich durch die politische Wende und Wiedervereinigung bietenden Möglichkeiten, Markenhändler zu werden. Seit 1992 ist das Unternehmen Nissan-Partner, lange Jahre als Händler, seit einigen Monaten als Servicebetrieb. 1996 investierte die Unternehmerfamilie – auch auf "Anraten" des Herstellers – und errichtete ein neues Nissan-Autohaus, in dem zusätzlich 16 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden, in der 8.500-Seelen-Gemeinde Honöw, direkt am östlichen Stadtrand von Berlin. Schon aus der Tradition heraus bilden Werkstattservice sowie Karosserie- und Lackarbeiten, zum Teil auch als Dienstleister für andere Händler, einen Schwerpunkt des Unternehmens. Ursprünglich als Ein-Marken-Betrieb konzipiert, sind heute die Markenlogos von Nissan, Honda und Peugeot bei Nickel zu finden. Seit 2004 ist das Unternehmen, das von Vater Julius und Sohn Michael Nickel geführt wird, Honda-Partner, seit 2006 zusätzlich Peugeot-Service-Partner mit Fahrzeug-Vermittlungsrecht, es gibt zwei juristisch getrennte Einheiten – die Autohaus Nickel OHG für die Servicemarken Nissan und Peugeot sowie die Mototreff Nickel GmbH & Co. KG für Honda.Modeerscheinung?Mehrmarken-Konzept, weil es einfach schick und modern ist und sich seit der GVO-Änderung 2002 viele daran versuchen? Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Sehr viele Betriebe, speziell in den neuen Bundesländern, haben in den neunziger Jahren in neue Immobilien investieren müssen. Markenübergreifend meist nicht ohne mehr oder weniger starken Druck der Hersteller, was in vielen Fällen nicht schriftlich belegbar ist, wovon jedoch jeder Betroffene ein Lied singen kann. Viele der in dieser Zeit entstandenen Neubauten waren auf Basis von – vorsichtig formuliert – sehr optimistischen Fahrzeugverkaufszahlen und ausgesprochen positiver Entwicklung der Erträge in Verkauf und Service geplant und (schön-)gerechnet. Dass diese Planzahlen in vielen Fällen so nicht realisiert wurden (bzw. objektiv gar nicht realisiert werden konnten), ist kein Geheimnis. Viele Betriebe schafften es während der ersten Jahre zwar, den Kapitaldienst (z. T. bei öffentlich geförderten Krediten für einige Jahre je nach Förderprogramm nur Zinsen) zu leisten. Oft hatten sie jedoch keine Möglichkeit, während dieser Zeit, die bereits gekennzeichnet war von umfassenden Marktveränderungen, entsprechende Rücklagen zu bilden, um die Kombination aus rückläufigen Erträgen und einsetzender Tilgung der Kredite abzufangen. Rückläufige Verkaufszahlen und verlängerte Wartungsintervalle wirkten sich zusätzlich negativ auf die Auslastung im Service aus – hier bestanden auf einmal in vielen Unternehmen teils beträchtliche Überkapazitäten.Besser auslastenAuch das Autohaus Nickel sah sich mit dieser Problematik konfrontiert. Die Entscheidung, zunächst Honda als zusätzliche Marke aufzunehmen, war also keineswegs einer Mode-Erscheinung im Automobilhandel geschuldet, sondern vielmehr die logische Konsequenz der allgemeinen Entwicklung. Verkaufsleiter Frank Lodtka: "Da die vom Hersteller als Grundlage für den Bau ursprünglich prognostizierten Fahrzeugverkäufe niemals erreicht wurden und stattdessen beständig eine rückläufige Tendenz aufwiesen, mussten wir zwangsläufig nach einer Alternative bzw. Ergänzung suchen – einerseits, um entsprechende Erträge im Verkauf zu erwirtschaften, andererseits auch, um die Werkstattkapazität auslasten zu können." Honda habe sich dabei von Anfang an sehr positiv entwickelt – aus Verkäufersicht. In Sachen Werkstattauslastung, so Lodtka mit einem Augenzwinkern, sei der Zuwachs aber aufgrund geringer Reparaturhäufigkeit nicht ausreichend gewesen, der Werkstattbereich war demzufolge auf lange Sicht auch mit zwei Marken nicht stabil auszulasten. Deshalb entschied sich das Unternehmen, zusätzlich zu Nissan und Honda die Marke Peugeot als autorisierter Service-Betrieb mit Fahrzeugvermittlungsrecht ins Portfolio aufzunehmen. Die Neufahrzeuge werden für die Peugeot-Niederlassung (Peugeot Berlin-Brandenburg GmbH) vermittelt – positiv an dieser Konstellation sei u. a., so Lodtka, dass das Autohaus kein Lagerwagenrisiko tragen müsse, nicht ganz einfach sei jedoch die Tatsache, dass die Preishoheit nicht wie bisher im Autohaus liegt.Zusätzliche KundenVon der Kundschaft wird das Mehrmarkenkonzept gut angenommen, schließlich sei keine der Marken aufgegeben, sondern das Portfolio ergänzt worden, der Kunde steht damit nicht im Regen, sondern wird wie gewohnt betreut. Außerdem, so betont Lodtka, ist es vordergründiges Ziel, sich am Markt weiter so zu etablieren, dass der Kunde in Sachen Mobilität zu allererst an "Nickel" und erst in zweiter Linie an eine bestimmte Marke denkt. Auch eine Kannibalisierung der Marken untereinander sei nicht erkennbar, im Gegenteil, wie Frank Lodtka erklärt: "Wir sprechen aufgrund des unterschiedlichen Markenimages und der unterschiedlichen Modellpolitik verschiedene, auch für uns neue, zusätzliche Kunden-Zielgruppen an und profitieren so von dieser Vielfalt." Vielfalt schön und gut – wie aber lassen sich unterschiedliche Standards und Herstellervorgaben in einem Drei-Marken-Betrieb, der keine riesige Schar Mitarbeiter, sondern im Ganzen 25 Beschäftigte hat, sinnvoll und vor allem tagesgeschäfts-kompatibel umsetzen? Eine reine Markentrennung in allen Bereichen ist schon aufgrund der Mitarbeiterzahl schlichtweg unmöglich, nicht nur das Autohaus, sondern auch die Mitarbeiter müssen also "mehrmarkenfähig" sein. Im Service bedeutet das, dass alle Mechaniker für alle Fabrikate geschult werden, um sie entsprechend flexibel einsetzen zu können. Natürlich seien die Hersteller-Schulungen mal drei eine finanzielle Belastung für das Unternehmen, aber "das ist der Preis, den man für diese Konstellation zahlen muss", sieht Frank Lodtka die Situation realistisch. Auch für die Mitarbeiter sei die Markenvielfalt einerseits nicht einfach zu bewältigen, andererseits sei das "Mehrmarken-Know-how" jedoch auch von Vorteil für die Mechaniker.Hoher VerwaltungsaufwandAuf rund 35.000 bis 45.000 Euro pro Marke schätzt Frank Lodtka die erforderlichen Investitionen in Software, Spezialwerkzeug Ausbildung der Mitarbeiter, Ersatzteilbereich, Signalisation und Umsetzung vorgeschriebener Standards. Dazu kommt der zusätzliche administrative Aufwand, der in allen Bereichen zu bewältigen ist – als Beispiel seien nur die unterschiedlichen Verkaufsprogramme, die allesamt vom dreiköpfigen Verkaufsteam im Überblick behalten werden müssen, genannt. Am schwierigsten, so Frank Lodtka, ist der gesamte Verwaltungs-Bereich zu beherrschen – beispielsweise sei allein das markenspezifische Reporting eher eine Herausforderung für die Buchhaltung, als dass man bedenkenlos von Synergie-Effekten im Backoffice-Bereich sprechen könnte … "Es war wichtig für unser Unternehmen, auf die Marktentwicklung zu reagieren und die Möglichkeiten, die sich durch die Aufnahme zusätzlicher Marken bieten, zu nutzen", so Frank Lodtka, die Aufnahme weiterer Marken sei jedoch vorerst kein Thema.

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