Die richtige Standortstrategie in der "Neuen Normalität" - Teil 2: Autohandel braucht neue Betriebsformate

Die Branchentransformation hat bereits begonnen. Am Ende ihrer Entwicklung wird sie in einer Branchenerneuerug, in der "Neue Normalität" gipfeln. Vier Thesen sollen auf der einen Seite zur Diskussion anregen und auf der anderen Seite dem Autohausmanagement erste Handlungsempfehlungen zur zukünftigen Autohaus-Ausrichtung und -Wertschöpfung unterbreiten. In diesem zweiten Teil geht es um die Thesen 3 und 4. Die Thesen 1 und 2 haben wir Ihnen in der letzten Ausgabe AUTOHAUS 20/2022 vorgestellt. These 3: Autohändler müssen gleichzeitig Rechts- und Linkshänder werden Auf den ersten Blick mag man nicht mit dem Management ambitionierter Autohausunternehmen tauschen, wenn sie die verzwickte, existenzielle Frage beantworten dürfen: Mit welchen Marken und Geschäftsmodellen sollen wir mit welcher Standortstrategie angesichts neuer Vertriebssysteme wachsen? Die übergeordnete, nicht weniger einfache Antwort lautet: Die Wachstumskandidaten müssen in Zukunft beidhändig das zeitgleiche Management von Wachstum und Konsolidierung beherrschen (im strategischen Management spricht man auch von "Ambidextrie"). Die praktische Antwort empfiehlt der Autohausführung die systematische Auseinandersetzung mit der "Prudentes- Standortportfolio-Strategie" (Abb. 1). Grundsätzlich werden standortindividuell Markt- und Kundenpotenziale, Betriebsgröße, Standortfaktoren der betroffenen Betriebsimmobilie, Wirtschaftlichkeit, Investitionsbedarfe, Fahrwege sowie der Intra- und Interbrandwettbewerb beurteilt (Abb. 2). Ausgangspunkt ist die sensible Frage: Soll der Standort geschlossen werden? Darunter versteht man den Verkauf bzw. die Entmietung eines bestehenden Standortes oder die branchenfremde Projektentwicklung des betroffenen Grundstücks. Immer dann, wenn die Autohausimmobilie den Kunden mit faltigen Seniorenaugen entgegenblickt, also der Investitionsstau erschauert, Umsatzrückgänge die kontinuierliche Kundenabwanderung schmerzlich dokumentieren, die automobile Zukunft woanders stattfindet; immer dann lohnt der abstrakte und unabhängige Blick auf das Grundstück als lukratives Verkaufsobjekt. Kommt eine Desinvestition nicht in Frage, schlägt man gedanklich einen gegensätzlichen Bogen. Man untersucht den Standort, ob er wachstumsfähig ist. Wachstum bedeutet konkret Investitionen in Standorterweiterungen und -modernisierungen. Damit verbunden wären der Ausbau angestammter und neuer Markenportfolios, die Ergänzung innovativer oder die Übernahme wegfallender Geschäftsfelder anderer Betriebe. Ergibt die Auswertung des Kriterienkatalogs ein negatives Ergebnis, stellt sich die Frage, ob der Standort als Cash-Cow dienen kann? Ziel ist es, eine maximale Standortwertschöpfung zu generieren. Zukünftige Investitionen beschränken sich maximal auf notwendige Ersatzinvestitionen und Instandsetzungen. Abschreibungen werden zurückgefahren. Eignet sich der betroffene Betrieb nicht als Cash-Cow, steht die schwierigste Managementaufgabe im Raum. Der Betrieb wird einer Transformationsprüfung unterzogen. Systematisch lässt sich zwischen neuen Betriebsformaten, neuen Marken und neuen Mobilitätsdienstleistungen und dem weiten Bereich des "Non-Mobility" unterscheiden (Abb. 3). Das unternehmerische Investitionsrisiko ist grundsätzlich am größten, je weiter man sich vom Kerngeschäft entfernt. Die Einordnung bestehender Standorte in das strategische Feld der Transformation fordert die Autohausakteure heraus, über die Ausbildung eigener Betriebskonzepte als "Dealer Brand" nachzudenken, die nichts anderes bedeuten als eine Emanzipation von bestehenden Standardvorgaben der Automobilhersteller. These 4: Betriebsformen- Innovationen statt einfallsloser Vollbetriebskonzepte In der heutigen Branchenpraxis trifft man im Wesentlichen auf zwei Betriebsformate: Vollfunktions- und Servicebetriebe. Häufig sind diese Servicebetriebe nichts anderes als das Produkt eines phantasielosen "Downsizing" ehemaliger Vollfunktionsbetriebe. Man mag sich im Stillen einreden, dass sich doch so viel nicht ändere, wenn man an ehemaligen Vollfunktionsstandorten weiterhin Neu- und Gebrauchtwagen vermarktet. Spätestens mit dem Agenturmodell ist damit Schluss, weil die Automobilhersteller sehr genau und auf eigene Rechnung vorgeben, wo ihre Neu- und Gebrauchtfahrzeuge verkauft werden dürfen. Die zukunftsweisenden Standortstrategien setzen auf das "Hub-and-Spoke"-Modell. Große Centerbetriebe verknüpfen sich regional mit drei bis fünf Satellitenbetrieben. Erstere bündeln übergeordnete Autohausaufgaben, bieten ein breites und tiefes automobiles Angebot. Letztere sind nichts anderes als schlanke Verkaufsstützpunkte für Sales und Aftersales oder dienen als spezialisierte Betriebsformen. Dieses Konzept ist mit modernen Führungs- und Organisationskonzepten kompatibel. Große Autohausgruppen können auf diesem Wege regionale Strukturen und "local heros" bilden. Neue Betriebsformate sind zumindest im markengebundenen Automobilhandel noch die Domäne der Automobilhersteller. Gleichwohl gilt es, eigene Konzepte zu entwickeln. Immerhin reklamieren die Automobilhersteller, die ein Agenturmodell verfolgen, in Zukunft einen geringeren Flächenbedarf und machen so Platz für autohausindividuelle Nutzungsideen. Beispielhaft können Ypsilon-Betriebe kreiert werden, die in einem Showroom, getrennt durch simple Ständerwände, mehrere Marken zulassen. Die Werkstattwertschöpfung findet für alle Marken zentral statt. Naheliegend ist die Spezialisierung bestehender Standorte, um beispielhaft Gebrauchtwageneinkauf, -aufbereitung und -vermarktung zu zentralisieren. Diese Zentralisierung führt zur konsequenten Schließung oder Umnutzung überschüssiger Flächen der abgebenden Standorte. Innovative Betriebsformate zeichnen sich dadurch aus, dass die autohauseigene E-Commerce-Lösung für Sales und Aftersales möglichst nahtlos eine physische Anbindung am Standort erfährt. Die Kundenerwartung, die online geweckt wird, muss an dem Betriebsort bestätigt werden. Die Digitalisierung des Verkaufsprozesses treibt die Pluralisierung der Betriebsformen an. Beispielhaft lassen sich die zukünftigen Betriebsformen nach Funktionstiefe und -breite unterscheiden (Abb. 4). Kurzfassung Die Wachstumskandidaten im Automobilhandel müssen in Zukunft beidhändig das zeitgleiche Management von Wachstum und Konsolidierung beherrschen. Die zukunftsweisenden Standortstrategien setzen auf das "Hub-and-Spoke"-Modell. Große Centerbetriebe verknüpfen sich regional mit drei bis fünf Satellitenbetrieben.

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