Heutzutage beschäftigt sich der Autohandel mehr denn je mit der Frage, wie man auch zukünftig ertragreich agieren kann. Derzeit gibt es so viele Möglichkeiten wie noch nie, dies zu tun. Sei es der Verkauf von alternativen Mobilitätsträgern, die Zielgruppen-Diversifizierung oder das Anbieten von Strom – es gibt viele Varianten, die für den eigenen Betrieb zu überprüfen sind.
Unter der Moderation von Jörg von Steinaecker, Inhaber Steinaecker Consulting, präsentierten Referenten aus der Branche am vergangenen Mittwoch auf dem 8. AUTOHAUS Praxistag - neue Geschäftsmodelle Beispiele aus der Praxis. Hierbei wurden nicht nur die positiven Effekte, sondern auch Fehler ganz offen aufgezeigt.
Neue Geschäftsmodelle braucht das Autohaus
Von Steinaecker eröffnete die Veranstaltung mit dem Satz: "Das klassische Kfz-Geschäft wächst nicht mehr." Durch Digitalisierung und neue Mobilitätsformen habe der Handel jedoch viele alternative Chancen. Der Branchenkenner stellte den bunten Blumenstrauß der verschiedenen Geschäftsmodelle eines Autohauses dar und zeigte konkret, welche Möglichkeiten allein die E-Mobilität, der Zweiradmarkt sowie Carsharing bereithalten. Lust auf Veränderung müsse in den Betrieben erzeugt werden. So könnten erfolgreiche Ansätze gewinnbringend umgesetzt werden.
Best Practice: Marketing-Automation
Um den Kunden nachhaltig binden und auch für neue Ideen begeistern zu können, setzte das Autohaus Kunzmann das Projekt "B2C-Marketing-Automation im Autohaus" um. Dennis Ostner, Leitung E-Commerce und Website Technologie, zeigte in seinem Vortrag auf, wie dabei vorgegangen wurde. Man stellte zuerst den Kunden in den Mittelpunkt. So erreicht man später in der Ansprache eine Personalisierung. Das nächste Ziel war es, genügend Daten in den Systemen zu sammeln, um eine Automatisierung der Kundenansprache umzusetzen. Mit "Mein Kunzmann" schaffte das Unternehmen dafür ein Kundenportal als zentralen Customer Touchpoint. Marketing-Automation sei dabei mehr als nur Newsletter-Marketing. Ostner stellte als Beispiel dazu eine sogenannte Welcome-Strecke vor.
AUTOHAUS Praxistag 2024 - neue Geschäftsmodelle
BildergalerieStrategie und Aufbau eines neuen Geschäftsmodells
Der ehemalige Mercedes-Händler Klaus Hagenlocher, Geschäftsführer Autohaus Hagenlocher, stellte in seinem Vortrag den Aufbau eines neuen Geschäftsmodells dar. Nach Kündigung des Händlervertrags 2014 wurde die Personaldecke erst mal von 58 auf acht Mitarbeiter reduziert. Gleichzeitig gab man den alten Standort auf. Man spezialisierte sich auf Oldtimer und die Dienstleistungen einer freien Werkstatt. Nach einem weiteren Umzug in eine für Events geeignete Immobilie war das nächste Geschäftsmodell definiert. Der Change-Prozess begann mit der Frage: "Was können wir als Unternehmen wirklich gut?" Über die Nische erreichte der Betrieb die angestrebte Selbständigkeit – Eventhalle und Oldtimer ergänzen sich perfekt.
Autovermietung, Abo und Carsharing
In der darauffolgenden Podiumsdiskussion diskutierten Albert Pescheck, CEO AZOWO, Frank Motejat, Geschäftsführer Autohaus Mothor, und Raphael Kamender, Leiter Mobilität der Sternautogruppe, ob und inwieweit Autovermietung, Abo und Carsharing die Erlösquellen der Zukunft im Autohaus sein können.
Der Autohändler habe für eine Umsetzung in der Regel schon das nötige Wissen im Bereich Abwicklungsprozesse, hieß es. Ergänzen sollte man dies in den Augen der Diskutierenden durch eine passende Software, die für den eigenen Markt alle Gegebenheiten abbilden kann. Der vorhandene Markt müsse zu Beginn des Projektes klar definiert werden. Die Mobilitätsdienstleister könne als Ergänzung die vorhandenen und neuen Kunden in ihrem Bedarf abholen.
Begeisterung ist nötig für den Erfolg
Ein weiterer Ansatz kann auch darin bestehen, seine vorhandenen Strukturen zu nutzen und den Einstieg in den Land- und Kommunaltechnikhandel zu überlegen. Robert von Keudell, Vice President Tractor Sales & Marketing bei KUBOTA Deutschland, präsentierte dazu eine Vergleich der Kennzahlen von Autohändlern und Kommunaltechnikhändlern. Der Vorteil lag dabei klar bei den Landmaschinen. Der Markt ist breit gestaffelt, da mit den Produkten die verschiedensten Zielgruppen, die auch heute schon Kunden des Autohandels sind, angesprochen werden können. Dazu gehören unter anderem Kommunen, Landwirte, Garten- und Landwirtschaftsbau, Jäger und Waldbesitzer. Zusätzlich ist die unternehmerische Freiheit laut von Keudell bei diesen Produkten deutlich größer.
Neues Geschäftsmodell aus dem Eigenbedarf
Das Autohaus Trompeter aus Lünen wurde vom VW-Konzern 2018 vor die Aufgabe gestellt, die Cybersicherheit des Unternehmens sicherzustellen, um einen sogenannten Supply-Chain-Angriff zu vermeiden. Bjoern Hering, Penetration Tester und Security Researcher der netzsicher GmbH, erzählte, wie er selbst damals als Werkstattleiter mit dieser Aufgabe betraut wurde. Schnell baute man nötiges Wissen auf und etablierte die notwendigen Prozesse. Das erlernte Wissen konnte direkt bei anderen Autohäusern angewendet werden – ein neues Geschäftsmodell war gefunden. Nun besteht eine eigene GmbH mit dem Autohaus Trompeter und Bjoern Hering als Gesellschafter. Der Experte führt heute als ethischer Hacker und ausgewiesener Sicherheitsexperte sogenannte Penetrationstests in anderen Unternehmen durch. Autohändler profitieren dabei erstens von der Branchenkenntnis und den damit verbundenen Besonderheiten sowie den auf Betriebsgrößen angepassten Preismodellen.
Freier Unternehmer durch Fahrräder
Mit einem der Branche näherem Geschäftsmodell – dem Verkauf von Fahrrädern – wurde Johannes Timmer, Geschäftsführer im Autohaus Timmer, der Veranstaltung zugeschaltet. Dieser Markt besitzt eine hohe Dynamik durch das Interesse an nachhaltiger Mobilität, den wachsenden Gesundheits- und Freizeitaspekt, die vielfältigen Dienstradangebote und nicht zuletzt durch die hohe Innovationskraft, die in diesem Produktsegment vorhanden ist. Die Erfahrungen der vergangenen 13 Monate stellte Timmer in seinem Vortrag dar. Eine organisatorische und räumliche Trennung wurde vollzogen, die Geschäftsbereiche blieben aber unter einem Dach. Wie sich herausstellte, ist der Fahrradbereich ein guter Frequenzbringer für den Autobereich. Beim nächsten Mal würde man sich rein auf fünf A-Marken konzentrieren. So könne man die Menge der Lieferanten und den nötigen Lagerstand im Rahmen halten. Ebenso partizipiere man aus dem vorhandenen Prozesswissen des Autohauses sehr stark.
Ein kurzes Fazit von von Steinaecker durfte zum Schluss nicht fehlen. Geschäftsmodelle sind seiner Meinung nach fester Bestandteil einer jeden Transformationsstrategie. Die Menschen – Mitarbeiter und Kunden – werden dabei weiterhin im Mittelpunkt stehen müssen. Und Heute wie Morgen gelte der Grundsatz, dass es ohne die richtigen Mitarbeiter nicht funktionieren wird.
Für alle Teilnehmer gab es bereits am Vorabend auf der Dachterrasse des Veranstaltungsorts ein gemeinsames Get-Together mit Abendessen. Ein Dank geht dafür auch an die Partner der Veranstaltung AZOWO, BDK und Carwow sowie an den Aussteller e-mobilio.