Ausgabe 18/2012: Bangemachen gilt nicht!

Bangemachen gilt nicht!wertewandel – Teil 1: Der abnehmende Prestige- und Stellenwert des Automobils muss differenziert betrachtet werden. von prof. Dr. Ulrich Ermschel* auf dem letzten Fabrikatshändlerkongress im Mai war der Wertewandel zulasten des Autos ein zentrales Thema. Andererseits vermelden die Medien aber auch, dass die in Deutschland neu zugelassenen Fahrzeuge über immer mehr PS verfügen, was nicht eben auf eine mangelnde Lust am Neuwagen hindeutet. Grund genug, sich mit diesem Wandel auseinanderzusetzen und zu prüfen, welche Risiken, aber auch welche Chancen mit diesem für Hersteller und Handel von Automobilen verbunden sein können.Dieser Wertewandel ist dauerhaftSieht man sich die Angebote deutscher Automobilhersteller an, so stellt man fest, dass immer größere und leistungsstärkere Fahrzeuge entwickelt werden. Da werden Geländewagen mit über 200 PS feilgeboten, die dann vom Käufer dazu verwendet werden, Bio-Lebensmittel einzukaufen oder den Nachwuchs in den kirchlichen Kindergarten zu bringen. Dies kann einerseits bedeuten, dass der Trend zum Spaß am Auto ungebrochen ist, aber das Produktangebot deutscher Hersteller erinnert auch ein bisschen an das Verhalten desjenigen, der laut pfeifend die Kellertreppe hinabsteigt, um die eigene Angst vor dem dunklen Keller zu überspielen. Zukunftsforscher Peter Kruse bringt den Wertewandel mit fünf Thesen auf den Punkt: 1. Die emotionale Bedeutung des Autos ist rückläufig. War bisher das große, teure Auto Zeichen des Erfolgs, wird nun die Nutzung kleinerer Fahrzeuge als intelligentere Lösung betrachtet. 2. Mobilität statt Besitz. Mit dem Verlust an Emotionalität wächst die Bedeutung des Grundnutzens: Mobilität ist wichtig, nicht mehr das Eigentum an einem Auto. 3. Das Mobilitätsbedürfnis muss ökologisch gelöst werden. Status lässt sich nicht mehr durch Premiumqualität, wohl aber durch Nachhaltigkeit, also z. B. durch ökologische Antriebskonzepte erzeugen. 4. Der Wertewandel ist dauerhaft. Eine Rückkehr zum Auto als Statussymbol ist nicht wahrscheinlich.5. Mobilität wird virtuell. Kommunikation per Internet ist eine neue Form individueller Mobilität.Wertewandel muss differenziert betrachtet werdenDieser Wertewandel kann nicht wegdiskutiert werden, aber es gibt Argumente, die die Entwicklung relativieren:1. Individualisierung bedeutet auch Vielfalt. Man kann nicht von den jungen Menschen sprechen. Die Tendenz zu den genannten gesellschaftlichen Entwicklungen muss differenziert betrachtet werden. In unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus finden sich auch unterschiedliche Tendenzen zum Stellenwert des Autos. Die Gruppe der Deutschen mit Migrationshintergrund gewinnt an Bedeutung – 2010 beläuft sich der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund auf 19,3 Prozent der Bevölkerung. Auch hier ist zu hinterfragen, ob der o. a. Trend hier so vorzufinden ist. Allein durch das unterschiedliche Ausmaß der gesellschaftlichen Integration der vertretenen Nationalitäten dürfte sich hier kein einheitliches Bild ergeben. So ist zu erwarten, dass es trotz eines im Durchschnitt festzustellenden Wertewandels immer noch Käufergruppen geben wird, die über die Markenwahl ihres Fahrzeugs Werthaltungen und Charaktereigenschaften ausdrücken wollen. Im Übrigen ist auch die Automarkenwahl als äußeres Zeichen einer konsumkritischen Haltung nichts Neues. Wer in den 80er Jahren studiert hat, erinnert sich vielleicht daran, dass die Universitätsparkplätze von Enten, Käfern und ähnlichen „Kleintieren“ bevölkert wurden – und dies war nicht nur eine Folge wirtschaftlicher Zwänge. Dass dieselben Autofahrer aber heute vermutlich ganz andere Automarken bevorzugen, ist wiederum ein Zeichen von sich im Lebensverlauf ändernden Werthaltungen. 2. Was ich mir nicht leisten kann, das interessiert mich auch nicht. Autofahren ist teuer. Das beginnt schon mit den Kosten des Führerscheins. Hohe Versicherungsprämien für Fahranfänger, hohe Wartungs- und Reparaturkosten und steigende Kraftstoffpreise führen zu hohen Unterhaltskosten. Hinzu kommt, dass die Anschaffungspreise der Fahrzeuge deutlich stärker gestiegen sind als die sonstigen Preise im Einzelhandel (siehe Abb.).Nun gehören junge Menschen, die in der Ausbildung stehen oder Berufseinsteiger sind, nicht eben zu den einkommensstarken Kreisen. Es liegt die Vermutung nahe, dass viele junge Menschen sich das Autofahren schlichtweg nicht leisten können (oder wollen) und sich deshalb auch nicht dafür interessieren. Zudem: Zwar sind immer weniger Fahrzeuge auf jüngere Menschen zugelassen, dies kann aber auch daran liegen, dass diese Fahrzeuge aus Kostengründen z. B. auf die Eltern zugelassen sind, aber sehr wohl von den Jungen genutzt werden. 3. Demographische Wandel. Die Bevölkerung wird immer älter, der Anteil junger Menschen in Deutschland geringer. Allerdings ist bei der Generation der Älteren – der sog. „Best Ager“ – eine mentale Verjüngung festzustellen. Ein 65-Jähriger von heute fühlt sich deutlich jünger als ein 65-Jähriger von vor zwanzig Jahren. Älteren Menschen kommt auch wirtschaftlich wachsende Bedeutung zu, auch weil diese Altersgruppe tendenziell über eine höhere Kaufkraft verfügt. Das bedeutet für die Autobranche nun nicht, dass sie den Wertewandel ignorieren kann. Aber die Generation der Autobegeisterten wird wohl noch eine Weile den Automobilkonsum prägen. Dass diese weiterhin eine emotionale Beziehung zum Auto pflegt und bereit ist, viel Geld dafür auszugeben, zeigt der wachsende Markt für Oldtimer in Deutschland. Allein dessen Wartungs- und Reparaturumsatzvolumen wird auf rund 750 Millionen Euro geschätzt. 4. Absatz auch ohne Emotionen möglich. Eine Entemotionalisierung des Autobesitzes bedeutet nicht, dass von nun an kein Mensch mehr Autos fahren oder besitzen möchte. Es heißt aber, dass der Grundnutzen des Automobils – Transport bzw. Mobilität – stärker im Vordergrund steht. Die Kaufentscheidungen werden vermutlich ein Stück weit rationaler. Dass ein Wertewandel zulasten des Automobils zu verzeichnen ist, erscheint jedoch unstrittig. In der zweiten Folge dieses Beitrags im nächsten Heft soll daher untersucht werden, welche Risiken, aber auch Chancen dieser Wertewandel für Hersteller und Handel mit sich bringt, und zwar mit Hilfe des Modells der „Five Forces“ von Porter. ■Lesen SIe hier...... im ersten Teil dieses zweiteiligen Beitrags über den Wertewandel zulasten des Automobils, warum dieser Stellenwertverlust Bestand haben wird, aber auch, welche Argumente diese Entwicklung wiederum relativieren.

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