Ausgabe 07/2013: Brutto statt netto

Brutto statt nettoErsatzbeschaffung – Auch die fiktive Umsatzsteuer ist zuzüglich zu Nettoreparaturkosten erstattungsfähig. Rath, Anders, Dr. Wanner & Partner WPGEin leidiges Problem bei der Schadenersatzabwicklung mit Versicherungen ist oftmals die Umsatzsteuer. Hat ein Kunde einen unverschuldeten Verkehrsunfall mit seinem Kraftfahrzeug und lässt er das Fahrzeug gar nicht oder nicht in vollem Umfang reparieren, so möchte er oftmals aufgrund eines Sachverständigengutachtens mit der Versicherung abrechnen (Abrechnung auf Gutachtenbasis). Fiktive SchadensabrechnungEin altbekanntes Dilemma dabei ist, dass der Kunde immer dann, wenn er solch eine fiktive Schadensabrechnung auf Gutachtenbasis vornehmen möchte, von der Versicherung regelmäßig unter Hinweis auf die Rechtsprechung nur den Nettobetrag als Schaden anerkannt bekommt. Die auf die Reparaturkosten im Gutachten hinzugerechnete Umsatzsteuer bekommt der Geschädigte nur dann erstattet, wenn er auch tatsächlich der Versicherung nachweisen kann, dass der Schaden repariert worden ist. Meist versuchen Versicherungen auch, die Zahlung dieser (fiktiven) Umsatzsteuer davon abhängig zu machen, dass ihnen die Reparaturrechnung vorgelegt wird – oftmals in der Hoffnung, den Gesamtschaden erheblich unterhalb der Gutachterprognose abwickeln zu können.Ersatzbeschaffung statt ReparaturIn einem neuen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 5. 2. 2013 ging es ebenfalls um die Frage, ob die vom Sachverständigen ausgewiesene Umsatzsteuer als Schaden zu erstatten ist. Der in dem BGH-Fall Geschädigte klagte gegen die Versicherung, weil diese nur den im Sachverständigengutachten ausgewiesenen Nettoreparaturkostenbetrag als Schaden erstattet hatte. In dem entschiedenen Fall musste die Versicherung dem Kläger unstreitig den bei dem Verkehrsunfall entstandenen Schaden an seinem Wagen in voller Höhe ersetzen. Der Kläger ließ das Fahrzeug jedoch nicht reparieren, sondern kaufte sich ein Ersatzfahrzeug zu einem wesentlich höheren Preis. Die Versicherung zahlte dem Kläger nur die laut Gutachten anfallenden Nettoreparaturkosten und argumentierte, die Umsatzsteuer sei nur zu ersetzen, wenn sie für die Reparatur in der Werkstatt auch tatsächlich angefallen ist.BGH: Zuzüglich UmsatzsteuerDer BGH gab dem Kläger recht: Der Geschädigte könne den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag (Reparaturkosten) stets und insoweit verlangen, als er zur Herstellung des ursprünglichen Zustandes tatsächlich angefallen ist. Dabei kommt es für den Ersatz der Umsatzsteuer nicht darauf an, welchen Weg der Geschädigte zur Wiederherstellung beschritten hat. Im konkreten, vom BGH entschiedenen Fall hatte der Kläger bei Kauf des Ersatzfahrzeuges zusätzlich zu dem Nettokaufpreis auch Umsatzsteuer bezahlen müssen. Doch dies ist nach dem Urteil des BGH nicht entscheidungserheblich: Ist der Ersatzgegenstand teurer als die Bruttoreparaturkosten zuzüglich des Restwertes des Unfallautos, dann hat der Geschädigte mehr aufgewandt, als zur Herstellung des ursprünglichen Zustands tatsächlich erforderlich gewesen wäre. Dies genügt sodann für den Nachweis, dass der Geschädigte Aufwendungen getätigt hat, die einer durchgeführten Reparatur gleichwertig sind. Wichtig ist der oben bereits genannte Satz des Bundesgerichtshofs: Es kommt nicht darauf an, welchen Weg der Geschädigte zur Wiederherstellung des Zustandes vor Schadenseintritt beschritten hat.RechtssicherheitDas Urteil des BGH ist sicherlich für alle Autohäuser sehr erfreulich, besteht doch jetzt Rechtssicherheit, falls man dem Kunden statt der Reparatur ein Ersatzfahrzeug verkaufen möchte. Denn letztlich fragt der Kunde nur danach, wie hoch der Aufpreis ist, den er für die Ersatzbeschaffung selbst aufzuwenden hat. ■Michael Böhlk-LankesRechtsanwalt, Steuerberatermuc@raw-partner.deKurzfassung1. Streitig war vor dem BGH, ob ein Geschädigter beim Kauf eines Ersatzfahrzeugs von der Versicherung neben den fiktiven Nettoreparaturkosten auch die darauf entfallende Umsatzsteuer erstattet bekommt.2. Der BGH hat dem Kläger recht gegeben; die vom Gutachter auf die Reparaturkosten ausgewiesene Umsatzsteuer ist auch dann zusätzlich zu erstatten, wenn statt der Reparatur ein Ersatzfahrzeug gekauft wird.3. Für den Ersatz der Umsatzsteuer kommt es nicht darauf an, welchen Weg der Geschädigte zur Wiederherstellung beschritten hat. Kommentar< Mit diesem Urteil ist den Autoverkäufern ein Mittel an die Hand gegeben worden, unfallgeschädigten Kunden eine Ersatzbeschaffung schmackhafter zu machen, als man dies bisher bei unsicherer Rechtslage tun konnte. Aber auch für den Fall, dass sich weiterhin die Versicherung in solchen Fällen weigert, die Umsatzsteuer zu bezahlen, gehen nun die Kunden, die keine Rechtsschutzversicherung haben, kaum mehr ein Risiko ein, wenn sie die erstattungspflichtige Versicherung auf Zahlung der Umsatzsteuer verklagen. Lässt der Kunde das Unfallfahrzeug nicht reparieren, und kauft er auch kein entsprechend teureres Ersatzfahrzeug, dann aber bleibt es dabei, dass bei einer fiktiven Schadensabrechnung auf Gutachtenbasis von der Versicherung die Umsatzsteuer nicht verlangt werden kann. >

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