IfA-Branchengipfel: Chancen für und im Handel

Kurzfassung: Die Industrie zahlt höhere Einstiegsgehälter. Gestaltungs- und Aufstiegsmöglichkeiten im Handel sind aber besser. Und es gibt viel zu tun: Bestehende Potenziale nutzen, neue Geschäftsmodelle und neue Marken einführen und den Omni-Channel-Vertrieb richtig umsetzen. Rund 500 Besucher waren da, 24 haben auf der Bühne mitgewirkt - der IfA Branchengipfel war wieder einmal einen Besuch wert. Wo sonst trifft man den Skoda-Chef an der Würstchenbude, kann mit den Deutschland-Chefs von Volkswagen, Renault, Hyundai und BMW auf dem Gang reden, dem ZDK-Präsidenten sein Leid klagen und von den besten Unternehmern im Handel lernen. Zugegeben, die meisten Besucher waren Studenten. Die Händler, die nicht gekommen sind, haben etwas verpasst. Noch am Vorabend hatte Burkhard Weller, geschäftsführender Gesellschafter der Weller-Gruppe und bekennender Fan der Veranstaltung, die er auch unterstützt, seine Kollegen aufgerufen, sich das nicht entgehen zu lassen. Ihm war auch zu verdanken, dass man den Skoda-Chef an der Würstchenbude treffen konnte, denn Weller hatte seinen Food-Truck mitgebracht. Und Klaus Zellmer hatte sich viel Zeit genommen, war am Vorabend und während der gesamten Tagesveranstaltung anwesend. Für den Manager ist die Reise nach Nürtingen etwas Besonderes: Er hat am Institut für Automobilwirtschaft studiert und seine Karriere hier gestartet. Auch das sicherlich ein Ansporn für die vielen anwesenden aktuellen Studenten. Chancen im Handel Aber nicht alle schaffen es, so eine Laufbahn hinzulegen wie Zellmer, und auch nicht jeder wünscht sich das. Wer vielleicht andere Prioritäten setzt oder nicht in die Konzerne strebt, sollte sich vielleicht über die Angebote der Händler Gedanken machen. Weller, der schon lange sein Führungspersonal auch aus Nürtingen rekrutiert, postulierte: "Die FH Nürtingen muss Hoflieferant des Handels werden." Und Roman Still, Vorstandssprecher der AVAG-Gruppe, zeigte ebenfalls gegenüber den Studenten die Vorteile von Handel und Service auf. Er betonte, dass die Industrie vielleicht höhere Einstiegsgehälter biete, die Gestaltungs- und Aufstiegsmöglichkeiten im Autohaus aber besser seien. Tanja Woltmann-Knigge, Geschäftsführende Gesellschafterin der Woltmann Gruppe, ergänzte ihre Präsentation gleich um ihre E-Mail-Adresse, damit sich Interessenten bei ihr melden können. Neue Geschäftsmodelle Und dass es im Handel durchaus spannend sein kann, unterstrichen die Teilnehmer im so genannten "Retail Forum". Franz Hirtreiter, Geschäftsführer der AVP Autoland, berichtete von gleich drei neuen Geschäftsfeldern, die die Autohaus-Gruppe neu ins Portfolio genommen hat: Wohnmobile, E-Mobility und e-motion. Wobei E-Mobility die gesamte Bandbreite rund um die Stromer abbildet - von Ladesäulen über Photovoltaik, E-Scooter, Stromverkauf bis hin zur Abrechnung für die Stromproduzenten. Bei e-motion gibt es E-Bikes. Auf die Frage, was ihm am meisten Spaß macht, sagte Hirtreiter aber immer noch "das Autogeschäft". Neue Marken Jörg Senger und Peter Reisacher, Geschäftsführer der jeweiligen Autohaus-Gruppen, haben beide BYD in ihre Portfolios aufgenommen. Bei Senger gibt es die chinesische Marke in einem City-Store in Köln. Zum Erfolg konnten die beiden noch nicht viel sagen - es ist noch zu frisch. Auch Tanja Woltmann-Knigge weiß noch nicht, ob ihre Neuzugänge erfolgreich sein werden. Mit X-Bus und Evetta nimmt sie ab dem nächsten Jahr zwei weniger bekannte Marken ins Portfolio. Grund für die Entscheidung war ihrer Aussage zufolge "vom Kunden her denken". Das sei die Stärke kleinerer Gruppen wie der ihren mit "nur" sechs Standorten. Und da es in Bremen zum Beispiel Einschränkungen im Parkraum gebe, biete es sich an, kleinere Fahrzeuge wie Evetta und X-Bus ins Programm zu nehmen. Potenziale besser nutzen Sowohl Reisacher als auch Senger betonten in ihren Statements, dass auch bestehende Potenziale der Autohäuser besser genutzt werden könnten. Zum Beispiel sei der Omni-Channel-Vertrieb noch nie so richtig umgesetzt worden. Die Komplexität der Wertschöpfungskette des Handels sollte nicht unterschätzt werden. Für Senger könnte vieles einfacher sein, wenn es mehr Schnittstellen in der IT gebe und die Hersteller da offener seien. Auch Hirtreiter bestätigte, dass ihm Schnittstellen fehlten. Und Reisacher forderte, dass der Hersteller mehr Mut haben sollte, dem Handel zu vertrauen. Beim zukünftigen Agenturgeschäft käme es für ihn vor allem darauf an, dass klar sei, wer welche Aufgaben übernimmt. Transaktionspreis muss stimmen Um für und wider Agenturgeschäft ging es im "Sales Forum". Renault Deutschland Chef Markus Siebrecht gab hier eine steile Diskussionsvorlage mit der Aussage, dass das Agenturmodell ein "Consulting Strategie Modell" sei. Schnell stellte sich heraus, dass der Knackpunkt bei dieser Vertriebsart nicht die Systeme sind, die auch funktionieren müssen, sondern wie es Volkswagen Deutschland Chef Achim Schaible auf den Punkt brachte: "Es ist schwierig, in der Agentur Nachfrageschwankungen auszugleichen." Er räumte ein: "Wir haben da nicht alle Antworten gefunden." BMW Deutschland Chef Stefan Teuchert verspricht sich vor allem eine schnelle Marktübersicht in Echtzeit und hofft, dass das in Summe weniger Fahrzeuge bedeutet, die schneller gedreht werden. Beim Vergütungssystem wurde deutlich, dass die Grundmargen - ob im Agenturgeschäft wie zukünftig bei BMW und bei Volkswagen im Elektrofahrzeugvertrieb oder im Vertragshandelsgeschäft wie bei Hyundai und Renault - um rund sechs Prozent pendeln und im Vertragshandel lediglich noch Bausteine hinzukommen, die der Vertriebssteuerung dienen. Skoda-Chef Zellmer sagte am Nachmittag: Wenn er Händler wäre, würde er das Agentursystem fordern. Am besten brachte es aber Roman Still schon am Vortag auf den Punkt: "Gute Transaktionspreise sind entscheidend." Verschiedene chinesische Marken Wie unterschiedlich die chinesischen Marken auf dem deutschen Markt agieren, wurde im "New Brands" Forum deutlich. Aiways Europa Geschäftsführer Alexander Klose-Mozer beantwortete die Frage nach dem aktuellen Zustand der Marke nur ausweichend. Es gab immer wieder Gerüchte, dass es dem chinesischen Hersteller nicht gut geht. Beim europäischen Vertriebspartner Euronics sind derzeit keine Aiways Modelle bestellbar. Stattdessen wirbt das Autohaus König dort für den elektrischen Dacia. Nio setzt auf den Direktvertrieb in "Begegnungsstätten für unsere Community", wie Marketing-Chef Christian Wiegand in Nürtingen mitteilte. Eine nationale Abdeckung gibt es derzeit nicht. Überzeugender war da MG Vice-President Jan Oehmicke: "Wir sind gekommen, um zu bleiben." Oehmicke lobte das Agentursystem, in dem die Marke auch nach der Kündigung weiterarbeiten will. Händler und Importeur würden gleichzeitig im gleichen System arbeiten, was schnelle Reaktionszeiten ermögliche: "Wir geben die Vorlage, sie schießen das Tor." XPeng sucht Händler Eine "gute zweistellige Marge" versprach Markus Schrick den zukünftigen Partnern von XPeng. Der für den deutschen Markt zuständige Managing Director der Marke will mittelfristig in Deutschland 120 bis 130 Standorte aufbauen. Ab dem 2. Quartal 2024 wolle sich die chinesische Marke hierzulande "gemeinsam mit dem Handel positionieren". Die Partner sollen sich mit der Marke identifizieren und auch in sie investieren. Bis Ende 2023 will Schrick 15 bis 20 Händler an Bord haben. Im nächsten Jahr sollen es dann doppelt so viele werden.

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