Ausgabe 09/2009: Damoklesschwert

HandelDamoklesschwert Gebrauchtwagengeschäft E Eine Wertberichtigung des GW-Bestands beim Jahresabschluss kann fatale Folgen haben. Wie Sie vorbeugen.Von Peter W. Plagens und Jens Henke *Der GW-Markt ist in Bewegung. Wurde er in der Vergangenheit noch stiefmütterlich behandelt, ist er in der jüngeren Zeit zu einem entscheidenden Leistungsbereich des Autohauses geworden. Umso wichtiger ist es für einen Händler, kompetente Gebrauchtwagenexperten in seinem Vertriebsteam zu haben. Diese sind allerdings – trotz der aktuellen Branchenkrise – nur schwer auf dem freien Markt zu finden. Die Kompetenz, Gebrauchtwagen zu vermarkten, ist besonders unter dem Blickwinkel der bilanziellen Auswirkungen der Bewertung der Fahrzeuge und der laufenden Liquidität des Autohauses von entscheidender Bedeutung.Die „richtige“ GW-BewertungMaßgebliche Grundlage für eine optimale Vermarktung von Gebrauchtfahrzeugen ist unter Bilanzierungsgesichtspunkten die korrekte Bewertung der Fahrzeuge. In der Praxis wird überwiegend die so genannte indirekte Wertberichtigung angewendet. Zu diesem Zweck wird von der Summe der zu Anschaffungskosten – ggf. erhöht um Reparaturkosten – bewerteten Gebrauchtwagenbestände ein pauschaler Abschlag vorgenommen, der sich an dem durchschnittlichen Rabatt-/Nachlassverhalten und damit an den tatsächlich erzielten Verkaufspreisen orientiert. Dieser Wertberichtigungsbetrag wird einem Wertberichtigungskonto belastet, das dann im Regelfall erst zum Jahresende korrigiert wird; eine Erhöhung führt zu einem „Verlust“, eine Verminderung zu einem „Gewinn“.Diese vereinfachte Praktikermethode verstößt allerdings wegen ihrer Undifferenziertheit gegen den handelsrechtlichen Grundsatz der Einzelbewertung (gem. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB), nach dem für jedes einzelne Fahrzeug eine eigene Bewertung und damit ggf. auch eine eigene, individuelle Wertberichtigung vorgenommen werden muss. Die oben dargestellte Bewertung wird deshalb in vielen Fällen nicht empfehlenswert sein, da sie häufig zu falschen Ergebnissen führt. Im Rahmen einer handelsrechtlich korrekten Einzelbewertung der Gebrauchtwagen sind die Grundsätze über die Bewertung des Vorratsvermögens anzuwenden; es gilt somit das strenge Niederstwertprinzip (gem. § 253 Abs. 3 HGB). Der Wert eines Gebrauchtwagens zum Abschlussstichtag entspricht zunächst dessen ursprünglichen Anschaffungskosten (Einstandspreis des Autohändlers). Liegt der am Abschlussstichtag gültige Marktpreis (der vom Autohändler erwartete Verkaufspreis) jedoch unter den Anschaffungskosten, so ist auf diesen „niedrigeren beizulegenden Wert“ abzuschreiben. Die Bestimmung des Marktpreises erfolgt vom Absatzmarkt her (z. B. Bewertung nach DAT oder Internetbörsen). Die Bewertung der Gebrauchtwagen läuft in diesem Fall nach dem Prinzip der verlustfreien Bewertung ab, das als Ausfluss des handelsrechtlichen Imparitätsprinzips die sich aus einem Geschäft erwarteten, drohenden Verluste noch vor dessen tatsächlicher Realisierung vorwegnimmt. Die Anwendung dieser Methode wird durch folgendes Beispiel verdeutlicht (Abb. 1). Hieraus ergibt sich für die Bilanz des Autohauses die folgende handelsrechtliche Bewertung des Fahrzeugs (Abb. 2).Der Reinerlös des Fahrzeugs in Höhe von 8.200 Euro liegt um 1.800 Euro unter dessen ursprünglichen Anschaffungskosten. In der Bilanz des Autohauses ist das Fahrzeug auf Grund des Niederstwertprinzips für das Umlaufvermögen mit einem Wert von 8.200 Euro auszuweisen. Mithin ist eine aufwandswirksame Wertberichtigung in Höhe von 1.800 Euro vorzunehmen, die das Jahresergebnis des Autohauses um diesen Betrag verschlechtert. Wichtig: Die auf diesem Wege ermittelten Verluste dürfen nicht mit nur rechnerisch ermittelten künftigen Gewinnen verrechnet werden.Die „Überraschung“ aus dieser verlustfreien Bewertung der Gebrauchtwagen kommt für den Handelsbetrieb meist (erst) im Rahmen der Jahresabschlussaufstellung: Dort wird dann durch die erforderlichen Wertberichtigungen auf den Gebrauchtwagenbestand aus einem leichten Gewinn oder einer „noch schwarzen Null“ ein (deutlicher) Verlust. Wurde indes das Jahr 2008 bereits mit einem operativen Verlust abgeschlossen, kann die Abwertung des Gebrauchtwagenbestandes bei der erfahrungsgemäß sehr dünnen Eigenkapitalquote von Automobilhandelsbetrieben fatale Auswirkungen haben.Faktor StandzeitNeben der korrekten Bewertung ist ein weiterer, in der gegenwärtigen gesamtwirtschaftlichen Situation entscheidender Aspekt die Standzeit des Gebrauchtwagens beim Autohändler. Je länger die jeweilige Standzeit ist, desto länger bindet der Gebrauchtwagen die für das Autohaus wichtige Liquidität. Sofern diese aus der Inanspruchnahme von Fremdkapital (Kreditlinie) resultiert, entstehen dem Autohaus hieraus laufende Finanzierungsaufwändungen in Form von Fremdkapitalzinsen. Diese liegen – je nach Finanzierungsart, Bank und eigenem Rating – derzeit zwischen 7% und 11% p. a. des Finanzierungsbetrags. Das vereinfachte Rechenbeispiel veranschaulicht diesen Effekt (Abb. 3).Weiter zu berücksichtigen ist der mit steigenden Standtagen zunehmende Wertverlust des Gebrauchtwagens. Jeder zusätzliche Standtag erhöht das Risiko, dass ggf. weitere Abwertungsverluste entstehen. Einrichtung einer RisikobewertungIn der Praxis wird gerade das bilanzielle Risiko im Zusammenhang mit Gebrauchtwagen vernachlässigt. Mit Hilfe eines einfach ausgestalteten Risikomanagementsystems, das im Rechnungswesen des Autohauses angesiedelt ist, lässt sich dieses Risiko effektiv eingrenzen.Um der Geschäftsführung des Autohauses im Rahmen der Unternehmenssteuerung aktuelle Daten zur Verfügung stellen zu können, hat auch die Gebrauchtwagenbewertung, d. h. eine Bewertung jedes einzelnen im Bestand befindlichen Fahrzeugs unterjährig zu erfolgen. In der Praxis hat sich eine monatlich, mindestens jedoch quartalsweise vorgenommene „Neubewertung“ bewährt. Im Zuge des Monatsreportings ist auf Gebrauchtwagen, bei denen ein Verlustrisiko besteht, gesondert hinzuweisen. Gleiches gilt für solche Gebrauchtwagen, die eine vom Autohaus selbst festgelegte Idealstandzeit überschreiten. Je nach Liquiditätsausstattung und der aktuellen Höhe der Fremdkapitalzinsen sollte diese Standzeit höchstens zwischen 60 und maximal 90 Tagen betragen.Die für den GW-Bereich relevanten Daten werden zeitnah auch dem Leiter des GW-Verkaufs im Rahmen des laufenden Berichtswesens zur Verfügung gestellt. Ziel dieser Vorgehensweise ist es, den GW-Vertrieb im Hinblick auf eine konsequente und zügige Vermarktung insbesondere der identifizierten „Gebraucht-wagen-Risikobestände“ zu sensibilisieren. Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Auswirkungen ist dem Gebrauchtwagenvertrieb darüber hinaus „mitzugeben“, dass es gerade in der momentanen gesamtwirtschaftlichen Krise, die die Automobilbranche besonders hart getroffen hat, durchaus aus betriebswirtschaftlicher Sicht für das Autohaus sinnvoll sein kann, einen Gebrauchtwagen schnell, ggf. auch mit Verlust zu verkaufen.Nicht weniger wichtig für die Reduzierung des Risikos aus dem Gebrauchtwagengeschäft ist auch die Einbeziehung des Neuwagenvertriebs in die Problematik. Denn bei der im Rahmen von Neuwagengeschäften gängigen Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen entscheidet dessen Einschätzung hinsichtlich des damit zusammenhängenden Vermarktungsrisikos über die Höhe des – auf den Neuwagenpreis anrechenbaren – Inzahlungnahmebetrags. Die Zeiten, in denen über die (preislich überhöhte) Inzahlungnahme des Altfahrzeugs verdeckte Preisnachlässe für das Neufahrzeug gewährt wurden, dürften inzwischen vorbei sein.Dieser für den Geschäftsbereich Gebrauchtwagenvertrieb beschriebene Risikomanagementprozess lässt sich erfahrungsgemäß in der Praxis nur dann erfolgreich gestalten, wenn eine enge und kontinuierliche Zusammenarbeit bzw. Abstimmung zwischen Gebrauchtwagenverkauf und Neuwagenverkauf sowie Finanzleitung erfolgt. Es gilt: „Der erfolgreiche Gebrauchtwagenvermarkter hat stets einen guten Finanzleiter im Hintergrund.“ z* Peter W. Plagens (Wirtschaftsprüfer/Steuerberater) ist Geschäftsführer der Econ Treuhand GmbH. Jens Henke LL.M. ist Consultant im Bereich Econ Automotive. Information: www.econ-gruppe.de/autohausLesen SIe hier...... wie Gebrauchtwagenverkauf, Neuwagenverkauf und Finanzleitung zusammenspielen müssen, damit die Bilanz der GW-Abteilung nicht zum Damoklesschwert wird.KurzfassungMaßgebliche Grundlage für eine optimale GW-Vermarktung ist unter Bilanzierungsgesichtspunkten die korrekte Bewertung. Aus handelsrechtlicher Sicht muss für jedes einzelne Fahrzeug eine eigene Bewertung vorgenommen werden. Geschieht das nicht und sind am Jahresende Wertberichtigungen nötig, kann die Abwertung des GW-Bestands fatale Auswirkungen haben. Deshalb sollte im Rechnungswesen ein Risikomanagementsystem eingerichtet werden. Gebrauchte sollten monatlich, mindestens jedoch quartalsweise neu bewertet werden, um „Gebrauchtwagen-Risikobestände“ rasch zu identifizieren und schnell, ggf. auch mit Verlust zu verkaufen.Gebrauchtwagen Typ A / abb. 1Anschaffungskosten für das Autohaus (Einstandspreis) netto: € 10.000Händler-Verkaufspreis (netto) nach DAT: € 9.500Beim Autohaus bis zum Verkauf noch anfallen-de Kosten (netto)*:z Aufbereitungskosten (geschätzt mit 5% vom Einstandspreis): € 500z Verwaltungs- und Vertriebskosten (geschätzt mit 8% vom Einstandspreis): € 800*Der steuerlich zulässige Abzug eines Gewinnzuschlages ist handelsrechtlich nicht gestattet. Die pauschal anzusetzenden Verwaltungs- und Vertriebskosten von 8% müssen im Einzelfall je Betrieb ermittelt werden.Bewertung GW Typ A / abb. 2Händler-Verkaufspreis (netto) nach DAT: € 9.500abzüglich beim Autohaus bis zum Verkauf noch anfallende z Aufbereitungskosten (geschätzt): € 500z Verwaltungs-/Vertriebskosten (gesch.): € 800= Reinerlös für das Fahrzeug (beizulegender Wert) € 8.200Finanzierung GW Typ A / abb. 3Anschaffungskosten (netto) für das Autohaus (Einstandspreis) € 10.000davon 70% fremdfinanziert € 7.000Finanzierungszinssatz 9% p.a.Finanzierungskosten (Zinsbelastung) des Autohauses bei einer Standzeit von- 120 Tagen € 210- 90 Tagen € 158- 60 Tagen € 105

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