Perspektiven 2022: Der Wandel als Chance

Auch wenn die Prognosen aktuell nicht gerade rosig aussehen, so können die Händler sich laut Sascha Röwekamp, Geschäftsführer von RWKMP, mit den richtigen Schritten und der Verbindung von digital und analog gut für die Zukunft aufstellen. Er führte dabei das sogenannte GOLF-Modell an, das die Vertriebskanäle Gebiet, Online, Laden und Flotte beschreibt. Diese stellen die vier Vertriebssäulen des Autohauses dar. Diese sollten in Zukunft miteinander kombiniert werden. Nur so sei echter Omnichannel-Vertrieb möglich.Jürgen Papadopoulos, Geschäftsführer und Inhaber der Papadopoulos Group, wies darauf hin, dass der Vertrieb der Zukunft sich mehr und mehr online abspielen wird. Der Kunde komme bereits sehr gut informiert ins Autohaus, wodurch sich die Zeit, die der Verkäufer für das Verkaufsgespräch hat, deutlich verkürzt. Daher muss der Fokus auf den Besuch im Autohaus gelegt werden. Als Beispiel führte Papadopoulos den neuen Koch Store der Autohausgruppe Koch in Berlin an, in dem digitale Innovation auf Emotionen trifft.Neue VertriebswegeAuch das Agenturmodell sehen viele Händler als Fluch und Segen zugleich. Ulf Camehn, Interim Manager, Spezialist Restrukturierung und Shared Services, sieht darin sogar den "Last Call" für den Autohandel. Die Hersteller auf der einen Seite stehen vor der großen Hürde, mit den immer weiter sinkenden Verkaufszahlen bei Verbrennern gleichzeitig die Mobilitätswende und E-Mobilität finanzieren zu müssen. Die Händler hingegen sollten nicht so viel wie möglich digitalisieren, sondern sich auf die Basics wie Kundenansprache, Rückrufquote oder Termintreue konzentrieren. Auch die Fusion mit anderen Händlern schlägt Camehn vor, um Kompetenzen zu bündeln.Chancen durch E-CommerceRainer Strobel, Geschäftsführer der gsr Unternehmensberatung, und Carsten Heller, Leiter der Firmenkundenförderung bei der AVAG, sehen in der E-Mobilität gerade im Flottengewerbe eine große Chance für den Handel. Jedoch müssten sich sowohl die Verkäufer als auch das Führungspersonal auf die neuen Verkaufsaspekte einstellen. Das Autohaus sollte die Unternehmen in allen Fragen der Elektromobilität für deren Fuhrpark unterstützen und sich so die Kompetenzhoheit beim Kunden gegenüber Wettbewerbern sichern.Elmar Seestädt, Chief Digital Officer bei der Bank Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (BDK), wies auf die Bedeutung der digitalen Vertriebskanäle hin. Dennoch sind es laut Seestädt nur zwei Prozent der Kunden, die einen Fahrzeugkauf vollständig online durchführen würden. Die Mehrheit würde bei der Customer Journey mehrfach zwischen digitalen und analogen Kanälen wechseln. Hier muss der Handel seine Kunden und deren Bedürfnisse verstehen. Bei den digitalen Aspekten möchte die BDK mit ihrer Gebrauchtwagenplattform JuhuAuto den Händlern unter die Arme greifen.Wie man Social Media gewinnbringend für das eigene Autohaus einsetzen kann, demonstrierte Moritz Kemmerer, Teamleiter Onlinemarketing bei Kunzmann. Dem Instagram-Kanal des Unternehmens folgen nicht nur einige tausend User. Dank qualitativ hochwertigen Contents und die konsequente Auswertung des Nutzungsverhaltens finden auch viele potenzielle Neukunden ihren Weg auf die Website des Autohauses.Ein Blick auf den MarktEine Definition des Agenturmodells und der Ausblick, welchen Handlungsspielraum der Händler auch dann noch in seinen Verlaufsaktivitäten hat, kam von Rechtsanwalt Tim Vogels. So kann ein Agent seine Provision für Rabatte in Form von Gutschriften und Inzahlungnahmen benutzen, was weiterhin zu einem Intrabrandwettbewerb in Zukunft führen wird. Der Handel sollte daher die Verträge mit den OEM genau prüfen, um seine Rechte im Agenturmodell zu sichern.Danach gab Stefan Reindl, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA), einen Überblick über die Entwicklung der Top 20 Händlergruppen und die Entwicklung am Markt. So seien seit dem Jahr 2000 Umsätze zwar gestiegen, gleichzeitig sind die Zahlen der Betriebe und beim Personal jedoch gesunken. Dieser Trend zur Konsolidierung wird sich laut Reindl auch in Zukunft fortsetzen.Möglichkeiten im AftersalesAuch im Service setzen sich mehr und mehr digitale Lösungen durch. Andreas Serra von Fairgarage geht davon aus, dass sich der Aftersales-Markt bis 2030 stark verändern wird. Besonders Elektrofahrzeuge werden laut Serra neue Möglichkeiten bieten und könnten bis dahin 16 Prozent des Werkstattumsatzes generieren. Um neue Kunden und Zielgruppen zu gewinnen, seien zudem Plattformen wie Fairgarage ein nützliches Tool.Der Service wird sich vor allem durch die technische Entwicklung in Zukunft verändern. Das unterstrich Michael Ruppert, Gründer der Werbeagentur Snook, in seinem Vortrag. Reparaturen werden in Zukunft over-the-air stattfinden. Durch Geschäftsmodelle wie das Abo werden Werkstätten verstärkt auch mit den Agenten der Anbieter und nicht dem Endkunden zu tun haben. Umso wichtiger ist es laut Ruppert, dass Betriebe sich eine eigene Marke schaffen, um für den Kunden attraktiv zu bleiben.Auch Versicherung gehören heute mehr denn je zu den wirksamsten Mitteln, um Kunden langfristig im Aftersales zu binden. Darauf wies Christian Sosna, Direktor Vertrieb Automotive bei Auto-Protect, hin. Die B2B- und B2B2X-Plattform möchte mit digitaler Versicherungstechnik, sogenannter Insurtech, den Handel unterstützen und den Verkäufer zum kompetenten Ansprechpartner in Sachen Versicherung machen. Der Clou: Mit der Lösung sind papierlose Unterschriften sowie eine EVB in wenigen Sekunden möglich.Erfahrung aus der PraxisMattias Schütz, Leiter Aftersales bei der Jacobs Gruppe, hat die unternehmenseigene Service Factory vorgestellt. Hier findet der Werkstattbetrieb zentralisiert auf dem neuesten Stand der Technik ohne Kundenverkehr statt. Zudem werden zusätzliche Arbeitsplatzkapazitäten geschaffen, die an den bisherigen Standorten nicht verfügbar waren.Burkhard Weller, Geschäftsführer der Weller Gruppe, gab einen Überblick, wie das Unternehmen auf die aktuellen Ereignisse am Markt wie die Chipkrise reagiert. So konnte man den starken Rückgang bei Neuzulassungen aus eigener Kraft kompensieren. Dennoch spürt man innerhalb des Unternehmens die Auswirkungen anhand von Lieferverzug, häufigeren Stornierungen von Bestellungen und hoher Belastung des Personals deutlich.Zum Schluss zeigte Maik Siebrecht, Geschäftsführer Autohaus Siebrecht, wie sich die Zufriedenheit der eigenen Belegschaft steigern lässt. Bei Siebrecht gibt es etliche Mitarbeiter-Benefits innerhalb und außerhalb des Unternehmens wie flexible Arbeitszeiten, Zuschuss zu Freizeitaktivitäten, Rabatte in verschiedenen Shops oder E-Bike-Leasing über die Firma. Maik Siebrecht sieht darin den Hauptgrund für den Erfolg seines Unternehmens.

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