Toyota: "Die besten Tage für den Hybrid sind noch nicht gekommen"

Toyota Deutschland hat ein turbulentes, aber angesichts der Umstände durchaus erfolgreiches Jahr hinter sich: Die Neuzulassungen sanken deutlich schwächer als der Gesamtmarkt und die Händlerrendite lag jenseits der zwei Prozent. Manch Toyota-Partner erzielte mitten in der Krise sogar eines der besten Jahre überhaupt. Anfang des Jahres übernahm dann mit André Schmidt ein neuer Chef mit US-Erfahrung das Ruder beim Importeur. Grund genug, um mit Schmidt und Vertriebschef Mario Köhler darüber zu sprechen, wie die Strategie für 2021 aussieht - und wann endlich das erste reine E-Auto der Marke kommt. AH: Herr Schmidt, vor Ihrer Rückkehr nach Deutschland waren Sie für Toyota mehrere Jahre in den USA. Wie ist es dort um die Autobranche bestellt? A. Schmidt: Industrie und Handel sind in den USA genauso im Umbruch wie bei uns. Und genau wie in Deutschland vollzieht sich der Wandel in den USA je nach Region sehr unterschiedlich. Vor allem in den Metropolen schreitet die Transformation schnell voran. Wenn man aber vom Toyota-Hauptquartier in Dallas, Texas 50 Kilometer nach Norden fährt, ist man mitten in der Prärie. Dementsprechend anders sind dort die Kundenbedürfnisse - ohne Pick-up etwa geht da gar nichts. Ähnlich ist es in Deutschland: Händler in Großstädten müssen ihr Angebot deutlich schneller verändern, weil die Kunden dort andere Anforderungen haben als in meiner Heimat, dem schönen Bad Kissingen. Dort spielen die Probefahrt und das Produkterlebnis im Autohaus nach wie vor eine enorm wichtige Rolle. In Metropolen hingegen sollten wir viel stärker überlegen, wie sich das digitale Produkterlebnis verbessern lässt und ob Händler die Probefahrt auch an anderen Punkten und nicht nur im Autohaus anbieten könnten. Bei all diesen Themen ist aber entscheidend, dass wir weiterhin den engen Schulterschluss zum Handel suchen. Wir müssen uns abstimmen, diskutieren und pilotieren: Was können wir besser und was der Handel? Dann stimmt am Ende auch das Kundenerlebnis. Eine Transformation mit der Brechstange wird es bei uns nicht geben. AH: Wo wir schon beim deutschen Markt sind: Da sah es ja im März und April 2020 rabenschwarz aus. Dann hatten aber viele Händler wider Erwarten eines ihrer besten Jahre überhaupt. Denken Sie, das könnte sich dieses Jahr wiederholen? A. Schmidt: Ich glaube schon. Dass die Branche die Verluste aus dem ersten Quartal komplett wieder aufholt, halte ich aber für unrealistisch. Im Vergleich zum letzten Jahr haben wir außerdem keinen Mehrwertsteuer-Effekt mehr. Wir als Toyota halten aber an den 90.000 Einheiten fest, die wir uns vorgenommen haben. Wir haben aktuell ein sehr gutes Produktportfolio und führen im Moment zahlreiche Neuheiten in den Markt ein. Einige Studien belegen, dass sich 80 Prozent der Menschen nach Ende des Lockdowns belohnen wollen und sich daher etwas Besonderes gönnen möchten. Dabei stand ein neues Auto ganz oben auf der Liste. Insofern glaube ich schon, dass die Nachfrage zum Ende des zweiten Quartals anziehen wird. Wie siehst du das, Mario? M. Köhler: Die Anzeichen sind da, dass sich der Privatmarkt schnell erholt - sobald am 8. März Click&Meet wieder möglich war, hatten wir schlagartig einen Traffic-Ansprung in den Autohäusern. Es gibt also offenbar einen Konsumstau, diesen gilt es rechtzeitig zu bedienen. Letztlich steht oder fällt aber alles mit der pandemischen Entwicklung. AH: Wie sieht Ihre Strategie für dieses Jahr dann konkret aus? M. Köhler: Ähnlich wie letztes Jahr haben wir für 2021 einen klaren Masterplan erarbeitetet und das Jahr in drei Phasen eingeteilt. Aktuell befinden wir uns in Phase eins. Das ist der Restart. Hier geht es darum, dem Handel zu helfen, sich von der Konkurrenz zu differenzieren. Dazu greifen wir das Thema Elektrifizierung mit dem Claim "Elektrisch für Alle" auf. Denn als "Vollsortimenter" können wir alle Formen der Elektromobilität bieten - inklusive Wasserstoffantrieb. Im Zuge der Restart-Phase bis Mai erwarten wir, dass sich das Geschäft zusehends beschleunigen wird. Eine klassische Saisonkurve werden wir wie im Vorjahr nicht sehen. Dafür aber einen starken Endspurt, wenn die Pandemie im Herbst hoffentlich im Griff ist und alle wieder in die Biergärten und Autohäuser gehen dürfen. Neben unserem Elektro-Angebot erweist sich aktuell zudem der Nutzfahrzeugbereich mit dem Proace und dem Proace City sowie dem Hilux und Land Cruiser als unheimlich wichtiges Standbein, das uns durch die schwierigen Anfangsmonate Januar, Februar und März getragen hat. Stand März sind wir sogar schon wieder auf Vorjahresniveau. Das sehen wir als gutes Vorzeichen dafür, dass der Markt dabei ist, sich zu erholen. AH: Abgesehen vom Lexus UX 300e und dem elektrischen Proace fehlt Toyota bisher ein reines E-Mobil. Ist das nicht langsam ein Handicap? A. Schmidt: Wir werden im April ein völlig neues Fahrzeug im D-Segment ankündigen. Wir sind gerade mittendrin, die Markteinführung vorzubereiten und die Volumina zu planen. Gleichzeitig bin ich überzeugt: Die besten Tage für den Hybrid sind noch nicht gekommen. Denn immer mehr Kunden stehen vor der Situation, dass sie zwar den Schritt hin zur Elektromobilität gehen wollen, aber keine Möglichkeit haben, ein E-Auto zu laden. Beispielsweise, weil sie in der Innenstadt oder in einem Zehn-Etagen-Haus wohnen. Da sagen dann viele: Der Vollhybrid ist genau das Richtige für mich. Unsere Daten aus Deutschland und Europa belegen, dass man mit dem Yaris Hybrid im Stadtverkehr zwischen 70 und 80 Prozent der Strecke elektrisch zurücklegen kann - ohne dass der Kunde sein Verhalten ändern und Ladestopps einplanen muss. Das macht unser Angebot im Markt absolut relevant. Und dann haben wir ja auch noch zwei Plug-in-Hybrid-Modelle im Angebot: den RAV4 und den Prius. Auch diese Technik hat trotz der aktuell verbreiteten Kritik ihre Berechtigung. Denn selbst wenn die Batterie leer ist, habe ich immer noch einen supereffizienten Verbrenner. AH: Wird das neue E-Fahrzeug eine elektrifizierte Variante eines bestehenden Modells - etwa des RAV 4 - oder etwas völlig Neues? Wird es außerdem noch für 2021 relevant? A. Schmidt: Das wird ein völlig neues Auto auf unserer neuen e-TNGA Plattform. Marktstart ist nächstes Jahr. AH: Für den E-Auto-Boom, der gerade stattfindet, ist das etwas spät ... M. Köhler: Die aktuelle Volumenentwicklung ist nur eine Seite der Medaille. Die andere ist: Wenn ich jetzt 20.000 Elektroautos im B-Segment verlease, dann ist das geborgtes Glück. Denn niemand kann einschätzen, wie es in drei bis vier Jahren um die Restwerte dieser Fahrzeuge bestellt ist. Das ist ein großes Risiko für eine gesamte Vertriebsorganisation und für ein Händlernetz. Das Thema Risikomanagement hat bei Toyota aber hohen Stellenwert, gerade im Bereich Bestände und Restwerte. Wir haben heute in allen Kernsegmenten mit den Hybridfahrzeugen die beste Restwertpositionierung. Das ist, finde ich, ein gutes Geschäftsmodell und eine gute Grundlage, um perspektivisch erfolgreich zu sein. Klar hätten wir kurzfristig eine neue E-Modelllinie aufbauen können - 30.000 Einheiten und los geht's. Die hohe Kunst allerdings ist gutes Portfoliomanagement. Nur dann ist man krisenfest und dauerhaft erfolgreich - als gesamte Organisation. AH: Eine letzte Frage noch: Sie haben kürzlich unter dem Namen "Toyota Relax" eine Garantieverlängerung eingeführt: Wer sein Fahrzeug jährlich zur Inspektion zu einem Toyota-Händler bringt, für den verlängert sich bis zu einer Obergrenze von zehn Jahren oder 160.000 Kilometern die Garantie um jeweils ein Jahr. Was war der Hintergrund, das zu tun? M. Köhler: Zehn Jahre Garantie sind ein starkes Versprechen für Neuwagenkunden. Das ist das eine. Der Clou an diesem Produkt ist aber: Sie gilt auch für Bestandskunden. Wenn Sie mit Ihrem sechs Jahre alten Toyota zu einem unserer teilnehmenden Servicepartner zur Inspektion kommen, dann sind Sie automatisch im Toyota Relax Programm dabei. Egal wo Sie in den Jahren zuvor zur Inspektion waren. Das ist der eigentliche Game Changer. Denn dadurch gewinnen wir Kunden zurück, die wir eigentlich schon verloren haben, und binden sie gleichzeitig an uns: Kundenbindung und Kundenrückeroberung in einem. Das gibt unseren Partnern einen echten Wettbewerbsvorteil und stärkt damit sowohl deren Geschäftsmodell als auch unser eigenes. Denn der Service ist trotz aller Digitalisierung auch in Zukunft physisch vor Ort und das Rückgrat vieler Autohäuser. Nebenbei zahlt eine derartige Garantie hochgradig auf unser Markenimage ein. AH: Wie ist der Handel an der Garantie beteiligt? M. Köhler: Das wird über die Inspektion abgewickelt und ist für den Händler kostenneutral. In Deutschland bieten sämtliche Händler Toyota Relax an. AH: Vielen Dank für das Gespräch!

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