Ausgabe 10/2009: Die Masse soll‘s machen

HandelDie Masse soll‘s machenMargen- und Bonussysteme in Europa E In steigendem Maße wird auf quantitative Zielvorgaben gesetzt, außerdem gewinnen Rabattprogramme an Bedeutung. Die Hersteller orientieren sich mehr und mehr am Volumen.von Professor Dr. Susanne Royer, Uwe Stratmann und Christina Gutjar *Margen- und Bonussysteme sind ein zentrales Element der Vertriebssteuerung und prägen die Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Handel. Aus Herstellersicht sollen Margensysteme vor allem Verkäufe stimulieren und die Vertriebsqualität unter Beachtung möglichst geringer Kosten im Netz sicherstellen. Der Handel erwartet ein leistungsgerechtes und transparentes System, welches seine Profitabilität sichert und die Basis für langfristige Unternehmensplanungen darstellt.Eine europaweite Studie des International Car Distribution Programme (ICDP) hat untersucht, welche Entlohnungs- und Anreizinstrumente die unterschiedlichen Hersteller in den Neuwagenmargensystemen implementieren und welche zentralen Veränderungen sich in den letzten fünf Jahren ergeben haben. Neben den Margensystemen wurden auch die Vertriebsstandards und die inhärenten Vertriebskosten analysiert, die eng mit den Entlohnungssystemen der Automobilhersteller zusammenhängen.Höchste Marge in DeutschlandIm Vergleich zur letzten ICDP-Margenuntersuchung im Jahr 2005-6 haben sich die Gewichtung der Grundmarge sowie die der variablen Bonuselemente verändert. Die Analyse der Margensysteme zeigt beispielsweise für die Volumenfabrikate, dass die Automobilhersteller Grund- und Gesamtmarge in allen untersuchten Märkten außer in Spanien anhoben. Dass weiterhin keine europaweite Harmonisierung der Vertriebsinstrumente besteht, verdeutlicht das große Spektrum der durchschnittlich zu erreichenden Gesamtmarge. In Deutschland gewähren die Hersteller dem Handel mit 18,2 Prozent weiterhin die höchste Marge, während britische Händler lediglich mit einer Gesamtmarge von 14,1 Prozent rechnen können. Dabei weisen die britischen Händler keineswegs geringere Umsatzrenditen auf, tendenziell ist sogar das Gegenteil der Fall. Der Konzentrationsprozess ist in Großbritannien sehr weit fortgeschritten, sodass Händler eher Skaleneffekte erzielen können. Deutsche Händler müssen ihre Kosten und Investitionen durch ein sehr viel geringeres Verkaufsvolumen amortisieren. Abbildung 1 bildet die durchschnittliche Margenstruktur für alle Fabrikate in Europa ab und zeigt, welcher Markt in welcher Kategorie die höchsten Margen und Boni gewährt. Qualitative Boni verlieren GewichtDie ICDP-Studie zeigt einen deutlichen Trend zu einer stärkeren Betonung quantitativer Bonusbausteine, während qualitative Boni an Gewichtung verlieren. Abbildung 2 zeigt die Struktur der Margen- und Bonussysteme von Volumenherstellern in Europa. Insbesondere in Deutschland und Italien war ein starker Anstieg der quantitativen Boni bei den Volumenfabrikaten zu verzeichnen. Die zunehmende Fokussierung quantitativer Leistungselemente wird oft durch zusätzliche taktische Sonderrabattprogramme verstärkt. In Deutschland betragen diese z. B. durchschnittlich vier Prozent, ein ähnliches Bild zeigen die anderen europäischen Märkte. Gleichzeitig ist eine stärkere Volumenorientierung im Vertrieb zu beobachten. Der Trend zu push- anstatt zu pull-orientierten Vertriebssystemen bestätigt sich auch in anderen ICDP-Studien (siehe AUTOHAUS 7/2009, S. 30).Bemerkenswert ist der Trend hin zu einer stärkeren Volumenorientierung vor allem für die Gruppe der Premiumfabrikate, wenngleich diese Fabrikatskategorie weiterhin den Hauptfokus auf qualitative Zielvorgaben legt. In Deutschland gewähren die Premiumfabrikate fünf Prozent für die Erreichung der qualitativen Zielvorgaben – im europäischen Durchschnitt beträgt dieser Wert für alle Marken lediglich drei Prozent. Die neuen Corporate-Identity(CI)-Richtlinien der Verträge nach Implementierung der GVO 1400/2002 wurden mittlerweile mehrheitlich durch die Vertragshändler umgesetzt, sodass CI-Boni für die Automobilhersteller an Bedeutung verloren haben. Asiatische Fabrikate, die vor allem durch japanische Hersteller repräsentiert werden, gewichten traditionell eher quantitative Boni-Elemente. In Bezug zur Gesamtmarge machen die quantitativen Boni bei den asiatischen Herstellern mehr als vier Prozent aus. Die Betonung der quantitativen Elemente ist darauf zurückzuführen, dass diese Hersteller stärker standardisierte Fahrzeuge vom Lager verkaufen und einen schnellen Lagerumschlag verfolgen.Premiummarken setzen auf CSIIm Kontext der qualitativen Boni spielen weiterhin der CI-Bonus und der Kundenzufriedenheitsbonus (CSI) die wichtigste Rolle. Der CI-Bonus ist bei 45 Prozent der untersuchten Marken implementiert und liegt bei einem Durchschnittswert von 1,2 Prozent. Im Zusammenhang mit dem CI-Bonus entstanden Konfliktpotenziale, wenn die Boni zu Lasten der finanziellen Situation der Händler nach der Investitionsphase reduziert wurden. Der CSI wird vor allem von den Premiumfabrikaten überdurchschnittlich oft angewendet. Im EU-Durchschnitt liegt der CSI bei 1 Prozent und ist bei 60 Prozent der untersuchten Marken vorzufinden. Der CSI führt dabei immer wieder zu Konflikten zwischen Hersteller und Handel. Vor allem die leistungsgerechte Messung ist problematisch. Dazu kommt, dass die Zielvorgaben für das Gros der Händler schwer zu erreichen sind. In einigen Fällen bestehen Vorteile vor allem für große Händlergruppen. Zunehmend volumenorientierte Margensysteme stimulieren den Pooling-Effekt und beschleunigen den Konzentrationsprozess im Handel. Kleine Händler werden es zunehmend schwer haben, die Volumenanforderungen zu erfüllen und im Markt zu bestehen. Insgesamt wird dadurch die Entwicklung von Händlergruppen begünstigt, was natürlich durchaus ein vertriebspolitisches Ziel sein kann.Margensysteme überfordertZusammenfassend zeigt die ICDP-Studie, dass die strategische Konzeption eines Margensystems eine komplexe Aufgabe ist. Die zahlreichen Veränderungen in den Margensystemen und die zunehmende Bedeutung kurzfristiger Verkaufsstimulierungsprogramme indizieren, dass die existierenden Programme weiterhin die unterschiedlichen Vertriebsziele nicht erreichen können. Oft fehlt es an einer ganzheitlichen Abstimmung zwischen den elementaren Bausteinen der Vertriebssteuerung. Zu nennen sind hier neben den Margensystemen vor allem die Ausgestaltung des Vertragssystems und der Neuwagendistributionssteuerung, die sich laut ICDP eher hin zum Push anstatt zu einem kundenorientierten Pull-System entwickeln. Fehlt die Abstimmung aller Komponenten, dann wird das Margensystem als Vertriebssteuerungsinstrument schlicht und einfach überfordert. Problematisch sind in diesem Zusammenhang die zunehmenden Kosten aus den Vertriebsstandards bei gleichzeitig zunehmendem Intra- und Inter-Brand-Wettbewerb. z* Das International Car Distribution Programme (ICDP) ist eine internationale Non-Profit Forschungs- und Beratungsorganisation zu allen Themenbereichen des Automobilvertriebs. Ziel dieses Netzwerkes ist die neutrale und praxisnahe Forschung. Mitglieder des ICDP-Projekts sind neben nahezu allen großen Automobilherstellern auch automobilnahe Dienstleister, Verbände, aber auch zunehmend Automobilhandelsgruppen. In Deutschland führt ICDP die Projekte in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Institut für Management der Universität Flensburg durch. Bei weiteren Fragen zu ICDP nehmen Sie bitte Kontakt zu ICDP Germany unter Telefon (04 61) 805 25 43 oder E-Mail: uwestratmann@icdp.net auf.Lesen SIe hier...... welche Unterschiede es in den Margen- und Bonussystemen im Neufahrzeugvertrieb in Europa gibt und welches in den letzten 5 Jahren die zentralen Veränderungen waren.KurzfassungDas International Car Distribution Programme (ICDP) hat die Margen- und Bonussysteme im europäischen Neufahrzeugvertrieb analysiert. In den fünf europäischen Kernmärkten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien wurden jeweils 23 Fabrikate untersucht und mehr als 130 Interviews im Handel durchgeführt. Die ICDP-Studie zeigt, dass in den letzten fünf Jahren eine Vielzahl von Veränderungen in den Margensystemen durchgeführt wurden, die mit einer stärkeren Gewichtung der quantitativen Bonuselemente einherging. Die zunehmende Fokussierung auf quantitative Zielvorgaben und die weiter an Bedeutung gewinnenden taktischen Rabattprogramme sind ein Indikator für die zunehmende Volumenorientierung.

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