Frau und Auto: Die neue Weiblichkeit

Bauknecht weiß, was Frauen wünschen. Das ist einer der bekanntesten Werbesprüche in Deutschland. Zugegeben, er stammt aus den 50er Jahren und war seitdem immer mal wieder heftigst umstritten. In den frauenbewegten siebziger Jahren wäre er beinahe von der Bildfläche verschwunden, doch erst 2004 wurde er ersetzt, als er für die Marktforscher messbar unpopuläre Züge annahm. Zeitgleich führte der Hausgerätehersteller Waschkurse für Männer ein. Just im selben Jahr zeigte Volvo auf dem Genfer Automobilsalon einen vollständig von Frauen und für Frauen entwickelten Prototypen. Die Karosserie des futuristischen viersitzigen Coupés war aus stabilen, schlagfesten Materialien gefertigt und verfügte über einen Gummischutz rundum. Zwei riesige seitliche Flügeltüren erleichterten den Einstieg, die Fondsitze wurden wie die Bestuhlung im Kino nur bei Bedarf heruntergeklappt. Gebaut wurde der YCC nie, heute ist er im Volvo Museum in Göteborg zu bewundern. Elemente aus der Studie gingen aber sowohl bei Volvo als auch bei anderen Herstellern in Serie. Reine Frauenautos gibt es nicht 2009 legte BMW nach: Für den in diesem Jahr auf den Markt gekommenen Z 4 zeichneten zwei Frauen verantwortlich - sowohl für das äußere Erscheinungsbild als auch für das Interieur. Auch Männer haben dieses Auto gekauft. Und damit sind wir auch schon beim Kern der Angelegenheit: Reine Frauen- oder reine Männerautos gibt es nicht. Zu viele andere Faktoren spielen beim Kauf eine Rolle: Familien- und/oder Lebenssituation, zur Verfügung stehende Mittel usw. Immer wieder erleben die Hersteller Überraschungen: Nissan zeichnete zum Beispiel seinen B-Crossover Juke betont maskulin. 2014 waren aber 51 Prozent der Käufer dieses Fahrzeugs Frauen. Verkäufern kann man nur dringend raten, nicht mit Vorurteilen oder vermeintlichen Trendkenntnissen in ein Verkaufsgespräch zu gehen. Bedarfsanalyse ist das Stichwort. Vielleicht steht genau die Ausnahme von der Regel vor einem. Dennoch: Dass Frauen eine wichtige Zielgruppe sind, ist unbestritten - schließlich stellen sie die Hälfte der Menschheit. Zielgruppe ist daher auch eigentlich das falsche Wort, denn diese "Gruppe" ist ziemlich groß: 32,2 Prozent der Neuwagenkäufer in Deutschland sind weiblich. Und mitreden tun sie noch viel mehr: "80 Prozent aller Entscheidungen beim Fahrzeugkauf werden direkt von Frauen beeinflusst", heißt es zum Beispiel in einer aktuellen Studie des Nissan Technical Centre Europe. Frauen und Lifestyle Da scheint es dann doch nahe zu liegen, dass die Autohersteller etwas für ihre Kundinnen tun wollen. Daimler hat zur IAA angekündigt, sich verstärkt auf Frauen als Zielgruppe konzentrieren und deren Anteil an den Mercedes-Kunden bis 2020 signifikant erhöhen zu wollen. Im Mittelpunkt der neuen Initiative steht die Website "She's Mercedes". Hier dreht sich alles um "starke Frauen", Business, Lifestyle, Work-Life-Balance, Produkte, Design und Mode. In erster Linie werden interessante, vor allem weibliche Persönlichkeiten und ihre Geschichten vorgestellt. Das Spektrum reicht von Unternehmerinnen über Sportlerinnen, Schauspielerinnen und Sängerinnen bis hin zu Designerinnen und Bloggerinnen. Dazu gibt es auch ein Magazin, dessen Startauflage von 300.000 Exemplaren an Kundinnen und Interessentinnen versandt sowie zusammen mit dem Mode-Magazin Vogue vertrieben wird. Parallel dazu hat die Marke einen neuen Fahrzeug-Konfigurator entwickelt. "Sie sagen uns mit wenigen Klicks, was für ein Typ Sie sind, und wir sagen Ihnen, welcher Mercedes am besten zu Ihrem Lebensstil passt", erläutert Daimler-Vorstandsvorsitzender Dieter Zetsche die Vorgehensweise. Der "Lifestyle-Konfigurator" soll in diesen Tagen an den Start gehen. Aber nicht nur Zetsche hat zum Angriff auf die weibliche Kundschaft geblasen, auch Renault-Nissan-CEO Carlos Ghosn sieht den zunehmenden Einfluss von Frauen auf Kaufentscheidungen als einen der vier großen Trends im Autogeschäft. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sich Nissan mit den automobilen Bedürfnissen von Frauen. In einer fortlaufenden und regelmäßig aktualisierten Studie werden Fahrerinnen in Europa, Japan, China und den USA nach ihren Vorlieben gefragt und danach, was ihnen an Autos nicht gefällt. Ob praktische oder emotionale Bedürfnisse: Die gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Fahrzeugentwicklung mit ein. Liebe auf den ersten Blick Das Klischee, dass das typische Frauenauto in erster Linie klein ist, niedlich wirkt und möglicherweise noch eine Bonbonfarbe hat, ist längst überholt. Interesse hat die weibliche Kundschaft von heute an deutlich mehr Fahrzeugtypen. Es gibt keinen einheitlichen weiblichen Standpunkt - laut der Nissan-Studie aber auffällige Übereinstimmungen und Häufungen bestimmter Wünsche. Und: Die Befragungen von Nissan haben ergeben, dass Frauen öfter als Männer ein Fahrzeug schon auf den ersten Blick attraktiv finden. Dabei gehe es nicht nur um das Design, sondern vielmehr darum, ob das Fahrzeug "ganzheitlich", also im modischen Stil wie auch dem praktischen Nutzen zur eigenen Persönlichkeit passe, erläutert Mandy Lee, bei Nissan zuständig für kundenorientierte Entwicklung. Mit dem Auto den gesellschaftlichen oder sozialen Status zu dokumentieren sei für die meisten Frauen kein Kriterium. Frauen achten hingegen besonders auf einen leichten Ein- und Ausstieg ins Fahrzeug - nicht nur für sich, sondern auch für mitreisende Kinder und Erwachsene im Fond. Eine erhöhte Sitzposition stehe oft auf der Wunschliste. Vielleicht sind deshalb SUVs beim weiblichen Geschlecht so beliebt. 2013 entschieden sich mehr als doppelt so viele weibliche Neuwagenkäufer in Deutschland für ein Auto dieser Fahrzeuggattung als noch fünf Jahre zuvor, berichtet Doris Kortus-Schultes, Professorin an der Hochschule Niederrhein. Umfassende Sicherheit und Kontrolle ist laut Nissan für Frauen ebenfalls wichtiger als für Männer. Sie schätzen besonders eine gute Rundumsicht, automatisch verriegelnde Türen sowie Lichtfunktionen, die auch nach dem Abstellen des Fahrzeugs noch Helligkeit ins Dunkel bringen, um den Weg ins Haus zu überblicken. Der Gepäckraum sollte flexibel zu beladen sein. Frauen achten mehr aufs Geld Bei aller Freude über ein Fahrzeug, das maßgeschneidert zu den eigenen Wünschen passt, behalten Frauen auch stärker als Männer ihren finanziellen Rahmen im Auge. Die Obergrenze des Anschaffungspreises ist unverrückbar, und es wird streng auf die Unterhaltskosten geachtet. Elektronische Helfer und Systeme sind willkommen, wenn sie tatsächlich zum entspannten Fahren beitragen. Vieles davon wollen Männer auch, nur mit anderen Schwerpunkten. Die Leiterin des weltweit einzigen Kompetenzzentrums "Frau und Auto" unterstreicht denn auch, dass Frauen und Männer beim Autokauf häufig ähnliche Anforderungen an ihr nächstes Fahrzeug haben. Die Lebenssituation und viele andere Faktoren hätten einen größeren Einfluss auf die Kaufentscheidung als das Geschlecht. Na, bitte. Kurzfassung 80 Prozent der Kaufentscheidungen werden von Frauen beeinflusst. Doch was wollen die Frauen? Nissan sieht Trends in einer Langzeitstudie, Mercedes-Benz setzt auf einen Lifestyle-Konfigurator. Das Frauenauto schlechthin gibt es aber nicht.

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