Nachwuchsförderung: Duales Studium: Doppelt hält besser

Praxis ist das A und O für Julia Seltz. Seit Oktober 2012 studiert die 25-Jährige an der Berufsakademie (BA) in Dresden Betriebswirtschaft mit Fachrichtung Handel. Ihr Praxispartner ist das Volkswagen-Zentrum Dresden. Dort durchläuft Seltz in den Praxisphasen des Studiums alle relevanten Bereiche. Vom Verkauf bis zur Buchhaltung, vom Controlling bis zum Personalmanagement bleibt ihr und den anderen BA-Studenten im Unternehmen nichts verborgen. Genau diese Praxisorientierung ist es auch, die Julia Seltz vom BA-Studium überzeugte: "Was mir sehr gut gefällt, ist, dass ich mich im Betrieb immer wieder auf neue Themenbereiche einstellen muss." Sie weiß das Lernen nah am Arbeitsalltag zu schätzen, schließlich hat sie es bereits anders erlebt. Zwar entschied sie sich nach dem Abitur 2008 für eine Ausbildung zur Industriekauffrau und damit ebenfalls für die direkte Mitarbeit im Unternehmen. Zwischen dem erfolgreichen Ausbildungsabschluss und ihrem BA-Studium versuchte sie sich aber noch in zwei Semestern Verfahrenstechnik an der Technischen Universität in Dresden. "Da fehlte aber der Praxisbezug", so Seltz. Daher dann nach einem Jahr die Entscheidung für das Studium an der Berufsakademie: "Ich wollte die Theorielastigkeit umgehen." Schnell in die Praxis Das Volkswagen-Zentrum Dresden bietet seit 2003 regelmäßig dualen Studenten eine Ausbildungsmöglichkeit und ist derzeit Praxispartner der Berufsakademien in Dresden, Bautzen und Glauchau. Damit bieten die Sachsen Studenten der Studienrichtungen Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Handel, Automobilmanagement, Finanzmanagement sowie Mittelständische Wirtschaft die Möglichkeit zum praxisnahen Berufsabschluss. Zusätzlich zu regelmäßig rund 20 Auszubildenden beschäftigt das Volkswagen-Zentrum Dresden noch drei duale Studenten. Für das Unternehmen ist diese Strategie eine Antwort auf den drohenden Fachkräftemangel. "Der Fachkräftemangel ist da", sagt Betriebsleiter Mario König. "Aber wir haben das Problem für uns gut gelöst, weil wir eben sehr viel ausbilden." Auf diese Weise sichert sich das Volkswagen-Zentrum Dresden seinen Nachwuchs - sorgt aber auch bei den Fachkräften dafür, dass sie möglichst lange im Unternehmen in Lohn und Brot stehen. König erklärt: "Wir fördern die Qualifikation unserer Mitarbeiter, animieren sie immer wieder, sich weiterzubilden, sich zu qualifizieren. Damit jeder im Haus vorankommen kann." Diese Philosophie verfolgt das Volkswagen-Zentrum Dresden auch bei seinen BA-Studenten. Denn in den Praxisphasen des Studiums - die wie die Theoriephasen ca. zehn bis zwölf Wochen dauern - werfen die Sachsen ihre Studierenden direkt ins kalte Praxiswasser. Sie durchlaufen alle Bereiche des Unternehmens. Spezielle Projekte geben den Autohaus-Mitarbeitern in spe die Chance, die individuellen Abläufe im Detail kennenzulernen. "Die Projektarbeit gefällt mir besonders gut", sagt Julia Seltz. "Weil ich mich so immer wieder in verschiedene Themenbereiche einarbeiten kann und Ideen einbringen kann, wie man bestimmte Dinge effizient und sinnvoll umsetzen kann." Natürlich profitiert auch das Volkswagen-Zentrum Dresden von der Projektarbeit der BA-Studenten. "Es gibt Dinge, die sich ganz besonders für die Untersuchung durch BA-Studenten eignen", erklärt Mario König und nennt als Beispiel die Beleuchtung bestimmter Aspekte einer strategischen Neuausrichtung. "Einfach, weil im Alltagsgeschäft oftmals die Zeit dafür fehlt." Im Vergleich zu Studenten herkömmlicher Hochschulen bewiesen die BA-Studenten dabei oftmals auch eine höhere Praxisorientierung, so Anja Kürbis, Assistentin der kaufmännischen Leitung und selbst BA-Absolventin. "Das hat aber nichts mit besser oder schlechter zu tun. Das sind einfach andere Voraussetzungen." Nachwuchs-Führungskräfte Aufbauend auf diesen Erfahrungen bietet das Volkswagen-Zentrum Dresden seinen BA-Absolventen und -Absolventinnen mittelfristig greifbare Karriereperspektiven. Zunächst arbeiten die meisten in Assistenzfunktion - z. B. als Assistent oder Assistentin der Geschäftsführung oder der kaufmännischen Leitung - oder im Controlling und Reporting. "Sie haben keine Führungsfunktion, sind aber im Führungsbereich tätig", so Kürbis. Und betont gleichzeitig, dass dabei in vielen Fällen über kurz oder lang auch die Übernahme von Führungsverantwortung zur Debatte stehe. Aus ihrer Sicht bringen die selbst ausgebildeten BA-Studenten beste Voraussetzungen für die Entwicklung zur Führungskraft mit, weil sie das Unternehmen in all seinen Facetten bereits während des Studiums kennengelernt haben: "Sie wissen, wie es in anderen Bereichen läuft, und können ihren Job so noch besser machen." Das bestätigt auch Betriebsleiter König: "Das Verständnis untereinander ist ein ganz anderes. " Kontakt zu potenziellen BA-Studenten nimmt das Volkswagen-Zentrum Dresden über Stellenanzeigen - auch auf den Internetauftritten der Berufsakademien - sowie über die Präsenz auf Ausbildungsmessen auf. Mundpropaganda führt teilweise dazu, dass Interessenten aktiv auf das Autohaus zukommen. Wer dann eine Chance auf ein BA-Studium erhält, entscheiden aber nicht nur die Abschlussnoten. "Es geht hauptsächlich um die Persönlichkeit", unterstreicht Mario König. "wichtig sind Leistungsbereitschaft und dass der Bewerber menschlich ins Team passt." Denn schließlich steht auch bei der Wahl der Kandidaten der Wunsch nach einer langfristigen Zusammenarbeit im Vordergrund. Anja Kürbis betont nochmals: "Wir wollen ja nicht nur ein Praxispartner sein, sondern möchten den Menschen Perspektiven bieten." Genau das überzeugte auch Julia Seltz bei ihrer Wahl des Praxispartners: "Dass ich eben nicht nur drei Jahre lang ein Praktikumspartner bin, sondern dass ich mich ganz auf das Unternehmen einlassen, dort Herzblut einbringen kann." Wer das tut, wird im Volkswagen-Zentrum Dresden in der Regel mit Übernahme belohnt, auch wenn vielleicht gar keine Stelle offen ist. "Für die Absolventen, die wir jetzt übernommen haben, sind extra Stellen geschaffen worden", erklärt Anja Kürbis. "So entstehen bei uns auch neue Bereiche." Wenig Organisationsaufwand Organisatorisch bedurfte die Zusammenarbeit mit BA-Studenten zumindest im Volkswagen-Zentrum Dresden wenig Aufwand. Die Studenten sind anders als die Auszubildenden zwar direkt den Abteilungsleitern zugeordnet - auch, um mögliche Perspektiven aufzuzeigen -, erleben bislang allerdings noch denselben Ablauf. "Das wollen wir jetzt aber noch präziser auf das Studium abstimmen", kündigt Anja Kürbis an. "Wir möchten das in Zukunft stärker von den normalen Ausbildungen differenzieren." Darüber hinaus gilt es zudem, die von der Berufsakademie vorgegebenen Theorieschwerpunkte einzuhalten. Kosten fallen im Rahmen der Vergütung der BA-Studenten an, in Dresden liegt sie auf dem Niveau der Ausbildungsvergütung. Allerdings nennt Mario König eine wichtige Voraussetzung für die Einführung eines BA-Studiums im Autohaus: "Eine gewisse Offenheit, ein gewisses Vertrauen gehört dazu." Wer das mitbringe, werde aber letztlich belohnt: "Für uns ist das nur eine Gewinnsituation." Auch deshalb verzichtet König übrigens darauf, BA-Absolventen nach dem Studium vertraglich auf eine gewisse Zeit zur Mitarbeit im Unternehmen zu verpflichten: "Wer muss, ist bei mir verkehrt. Und wenn ich meine Mitarbeiter weiterentwickle, dann bleiben sie auch." Kurzfassung Seit 2003 bietet das Volkswagen-Zentrum Dresden regelmäßig dualen Studenten eine Ausbildungsmöglichkeit an. Für das Unternehmen ist das eine Antwort auf den drohenden Fachkräftemangel.

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