Ausgabe 20/2009: Erleichterte Suche kontra Urheberrecht

Erleichterte Suche kontra UrheberrechtOnline-Börsen E Eine Kfz-Internetbörse liegt mit einem Anbieter von Meta-Daten im Streit. AUTOHAUS-JURISTEN RECHTSANWÄLTE G. HAUG & PARTNERDie großen Kraftfahrzeug-Internetbörsen geben Millionen für eigene Werbung aus, um Angebot und Nachfrage auf ihre Plattformen zu lenken und damit Marktanteile und Bekanntheit gegenüber der Konkurrenz auszubauen. Verdient wird das Geld durch den Verkauf von Werbeanzeigen auf den Internetseiten und über Nutzungsgebühren für gewerbliche Anbieter.Ein anderes Geschäftsmodell macht sich die Konkurrenz der Börsen zu Nutze. Softwarehersteller bieten gegen Lizenzgebühr Programme an, die auf den Datenbestand verschiedener Internetbörsen gleichzeitig zugreifen und von dort zumindest Grunddaten und Kontaktadressen gesuchter Fahrzeuge übermitteln. Interessant sind solche Programme vor allem für den Handel, da sie die Möglichkeit bieten, die Suche automatisiert in vorzugebenden Intervallen so lange wiederholen zu lassen, bis ein benötigtes Fahrzeug zu den gewünschten Konditionen gefunden ist.Dorn im AugeDiese Softwareanbieter sind den Internetbörsen ein Dorn im Auge, weil sie fürchten, über fehlende „Klicks“ erhebliche Werbeeinnahmen und zahlende Nutzer zu verlieren. So streiten aktuell zwei Vertreter der verschiedenen Lager über die Zulässigkeit des Verkaufs eines solchen Softwareprogrammes. AutoScout24 hatte AutoBingooo vor dem Landgericht Hamburg im Verfahren der einstweiligen Verfügung zunächst erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Urteil wurde vom Hanseatischen Oberlandesgericht jedoch aufgehoben. Nur zwei Werktage vorher hatte das LG Hamburg im zwischenzeitlich anhängigen Hauptsacheverfahren wiederum zugunsten von AutoScout24 entschieden. Die Urteilsgründe widersprechen den Argumenten des OLG in maßgeblichen Punkten.Rechtslage Die Auseinandersetzung kapriziert sich im Wesentlichen auf § 87 b Urheberrechtsgesetz (UrhG) und damit auf die Frage, ob der Vertrieb der Software gegen das ausschließliche Recht der Internetbörse verstößt, als Datenbankhersteller über die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe ihrer Datenbank zu bestimmen. Geschützt ist primär der Datenbestand als Gesamtes und in wesentlichen Teilen. Der Schutz gilt bei wiederholtem und systematischem Zugriff aber auch für unwesentliche Teile einer Datenbank, sofern – so der Gesetzgeber – „diese Handlungen einer normalen Auswertung der Datenbank zuwiderlaufen oder die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers unzumutbar beeinträchtigen“. Wettbewerbsrechtlich geht es darum, ob eine gezielte Behinderung vorliegt. LandgerichtlichesVerfügungsverfahrenDie Klägerin hatte u. a. geltend gemacht, dass 86 % aller Datenzugriffe in ihrem System automatisiert erfolgen und ihr Datenbestand mit jeder automatisierten Anfrage bis zu 9-mal pro Minute durchsucht wird. Hieraus ergäben sich insbesondere auch geschäftsschädigende Auswirkungen aufgrund technischer Kapazitätsprobleme und damit verbundener Kundenunzufriedenheiten.Zutreffend sah das Landgericht (Az. 310 O 407/07), dass über das Programm der Beklagten nur die Daten der einschlägig gefundenen „Treffer“ kopiert werden, die aber im Verhältnis zu dem von der Klägerin angegebenen Gesamtdatenbestand von 1,6 Millionen Einzeldatensätzen zumindest quantitativ keinen wesentlichen Teil der Datenbank darstellen. Beschränkt auf die Möglichkeit der automatisiert wiederholenden Suche sprach das LG aber die beantragte Unterlassung zu. Als mitverantwortliche Gehilfin und Störerin habe die Beklagte sich die aus der Verbreitung und Nutzung der Software in der Summe ergebenden Beeinträchtigungen zurechnen zu lassen.Korrektur durch das OLGDas Hanseatische Oberlandesgericht (Urteil v. 16.04.09 -5 U 101/08) hob das Unterlassungsurteil auf. Bei EU-richtlinienkonformer Auslegung (Art. 7 Abs. 5 RL 96/9/EG) könne auch bei automatisierter Suche nicht von einer wiederholten und systematischen Vervielfältigung und Verbreitung unwesentlicher Teile der Datenbank im Sinne von § 87b UrhG ausgegangen werden. Verhindert werden solle lediglich eine systematische Vervielfältigung der Datei oder einzelner, für sich untergeordneter Teile zum Zweck einer Wiederzusammenstellung als Ganzes. Abzustellen sei auf die einzelnen Softwarenutzer, die jedoch lediglich wiederholend auf immer dieselben Teile der Datei zugreifen, also immer wieder nur dieselbe Fahrzeugkonfiguration der aktuellen Suche aufrufen. Dies sei nicht geeignet, den Datenbestand der Klägerin im Gesamten oder in wesentlichen Teilen anzugreifen. Und wenn die einzelnen Anwender der Software damit nicht unzulässig in den Datenbestand der Klägerin eingreifen, könne mangels „Haupttat“ in der Konsequenz auch keine Störereigenschaft der Beklagten vorliegen. Auch wettbewerbsrechtlich wurde ein Unterlassungsanspruch der Klägerin verneint. Falls die Parteien überhaupt im Wettbewerb stünden, fehle es an ausreichendem Vortrag zu einer gezielten Behinderung. Die Beklagte verfolge mit dem Vertrieb der Software primär eigene geschäftliche Interessen. Ermöglicht werden solle den Nutzern eine schnelle und zeitgleiche Auswertung des Inhalts verschiedener Datenbanken. Technische Behinderungen und andere behauptete Nachteile der Klägerin seien als lediglich indirekte Folge des Softwareeinsatzes hinzunehmen.Vorläufiger Status quoParallel zum Streit um den einstweiligen Rechtsschutz entschied das LG auch im regulären Streitverfahren. Mit Urteil vom 09.04.09 (Az. 310 O 39/08) definiert es bereits den mit der Software möglichen Zugriff auf einzelne Datensätze aus dem Bestand der Klägerin als einen Zugriff auf qualitativ wesentliche Teile der Datei und beruft sich hierbei auf dieselben Urteile des EUGH, die auch vom OLG zitiert werden. Die Bewertung ergäbe sich aus der Erheblichkeit des Schadens in Bezug auf die Amortisation der klägerischen Investitionen. Für die tragende Urteilsbegründung lässt das LG diesen Standpunkt dann aber überraschend wieder außen vor und wiederholt – ausführlicher begründet – seine Rechtsauffassung aus dem Verfügungsverfahren. Dies lässt den Softwarehersteller auf einen nochmaligen Erfolg in der Berufungsinstanz hoffen. z Rechtsanwalt Robert Glocker kanzlei@raehaug-partner.deKurzfassung1. Der Gebrauch einer Software zur zeitgleichen Auswertung verschiedener Internetbörsen nach konkreten Kfz-Angeboten verstößt nach Auffassung des Hanseatischen OLG auch dann nicht gegen das Urheberrecht der einzelnen Datenbankhersteller, wenn deren Datenbestände automatisch wiederholend durchsucht werden.2. Mit dem Gebrauch solcher Software verbundene Beeinträchtigungen sind von den Internetbörsen wettbewerbsrechtlich als nur indirekte Folge der Programmanwendung hinzunehmen. Der Vertrieb der Software kann nicht untersagt werden.3. Die vorstehenden Auffassungen des OLG im Verfügungsverfahren lassen mit einiger Wahrscheinlichkeit die Aufhebung eines entgegenstehenden Urteils des LG Hamburg im Hauptsacheverfahren erwarten.Recht + SteuernKommentar< Maßgeblich besitzt die Hauptsacheentscheidung des Landgerichts Vorrang vor der Entscheidung des OLG im Eilverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Damit ist es AutoBingooo erst einmal untersagt, seine Software mit automatisch wiederholbarer Suchfunktion anzubieten. Die Entscheidung des LG ist zwar nicht rechtskräftig, gegen eine festgesetzte Sicherheitsleistung von lediglich 25.000 Euro aber vorläufig vollstreckbar. AutoScout24 kann bei Hinterlegung dieses Betrags den Vertrieb der beanstandeten Programme bis zu einer weiteren Entscheidung des OLG erst einmal wieder verhindern. Auf Dauer wird dies nach dem Stand der Dinge voraussichtlich aber nicht gelingen. Das OLG hat seine Entscheidungstendenzen deutlich vorgegeben und damit auch den Parteien die notwendigen Argumentationen. Mit einer Zulassung der Revision ist nicht zu rechnen.Interessant ist, dass AutoScout24 die generelle Beanstandung des Softwareprogramms schnell fallen ließ und auch im Hauptsacheverfahren nur noch die automatisch wiederholte Suche reklamierte. Darf hieraus auf eine vielleicht doch im Grundsatz sinnvolle wirtschaftliche Symbiose der Parteien geschlossen werden? >

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