EU-Richtlinie: Führerscheinumtausch und Fahrerlaubnis

Auch wenn die Aufmerksamkeit derzeit hauptsächlich anderen Dingen gilt, steht mit dem 19. 1. 2022 der erste Termin in der insgesamt bevorstehenden Umtauschpflicht für unbefristet ausgestellte Führerscheine an. Die zunächst Betroffenen müssten auch schon Post von den Verwaltungsbehörden, sprich den Führerscheinstellen erhalten haben. Viele sind erst einmal überrascht, da die unbegrenzte Gültigkeit des Führerscheins zumindest für die langjährigen Inhaber der Fahrerlaubnis bislang immer eine Selbstverständlichkeit war. Es besteht deshalb auch eine gewisse Verunsicherung, beispielsweise hinsichtlich der Konsequenzen eines gegebenenfalls verpassten Umtausches, insbesondere darüber, ob mit der Gültigkeit des Führerscheins auch die Fahrerlaubnis entfällt.HintergrundGrundlage der ganzen Aktion ist - wieder einmal - die Umsetzung einer EU-Richtlinie, vorliegend der Richtlinie 2006/126/ EG aus dem Jahr 2008, der sogenannten 3. EU-Führerscheinrichtlinie. Ziel der Richtlinie war im Hinblick auf die damals EU-weit 110 verschiedenen Führerscheintypen eine Harmonisierung der Vorschriften in den einzelnen EU-Staaten zur Erlangung der Fahrerlaubnis, ferner die gegenseitige Anerkennung der erteilten Fahrerlaubnisse und die Einführung einheitlicher und möglichst fälschungssicherer Führerscheine. Auf der Grundlage vereinheitlichter Standards sollen u. a. grenzüberschreitend die Nachweise der Fahrerlaubnis, gleichzeitig aber auch die Kontrollmöglichkeiten erleichtert werden. Dies speziell auch durch zusätzliche Einführung einer Gültigkeitsdauer von zehn bzw. maximal 15 Jahren für bislang unbefristet geltende Führerscheine mit der Notwendigkeit, den Nachweis aller Fahrerlaubnisse regelmäßig zu erneuern. Dies soll es nach Ziff. 7 der Erwägungsgründe der Richtlinie den nationalen Behörden ermöglichen, anlässlich der regelmäßigen Erneuerung des Führerscheins die neuesten Maßnahmen zum Schutz gegen Fälschungen anzuwenden und ärztliche Untersuchungen oder andere von den Mitgliedsstaaten vorgeschriebene Maßnahmen durchzuführen. Durch entsprechenden Datenabgleich und Bindung der Führerscheinerteilung an den Wohnsitz soll auch der "Führerscheintourismus" bei Entzug der Fahrerlaubnis eingedämmt werden.Vorgegeben war eine Umsetzung der Richtlinie durch Erlass der entsprechenden nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bis 19. 1. 2011 und die Anwendung dieser Vorschriften ab dem 19. 1. 2013. Art. 3 Ziff. 3 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass bis zum 19. 1. 2033 alle ausgestellten oder im Umlauf befindlichen Führerscheine sämtliche Anforderungen der Richtlinie erfüllen.UmsetzungDen Vorgaben der Richtlinie entsprechend hat der deutsche Gesetzgeber die maßgeblichen Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und der hierauf basierenden Fahrerlaubnisverordnung (FeV) angepasst. Eingeführt wurden insbesondere bereits frühzeitig die neuen Fahrerlaubnisklassen und der EU-Kartenführerschein, der bereits seit 1. 1. 1999 ausgegeben wurde. Seit 19. 1. 2013 erfolgte die Ausgabe dieser Kartenführerscheine dann auch mit der vorgeschriebenen zeitlichen Gültigkeitsdauer, die unter Gebrauch des eingeräumten Spielraums auf 15 Jahre ab Ausstellung festgelegt wurde. Bei den Führerscheinklassen für Fahrzeuge oberhalb der Gesamtmasse von 3.500 Kilogramm, mehr als neun Insassen oder mit einem Anhänger mit einer Gesamtmasse von mehr als 750 Kilogramm wurde die Gültigkeitsdauer auf längstens fünf Jahre festgesetzt mit dem Erfordernis, für eine Verlängerung die "anhaltende Erfüllung der Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Tauglichkeit für das Führen der betreffenden Fahrzeuge" jeweils nachzuweisen.Die unzähligen Führerscheine, die vor dem 19. 1. 2013 für Pkw und Zweiräder ausgestellt wurden, enthalten bezüglich der Gültigkeit keine zeitlichen Beschränkungen. Hier geht es um die "alten grauen Lappen" mit den Jahrzehnte alten Nostalgie-Jugendfotos der Inhaber, um die ab April 1986 ausgestellten rosaroten "Schweinchen-Führerscheine" im etwas kleineren Format und auch um die Kartenführerscheine, die folgend über gut 14 Jahre im Zeitraum 1. 1. 1999 mit 18. 1. 2013 ausgegeben wurden. Betroffen ist damit ein Großteil der insgesamt etwa 43 Millionen ausgegebenen Führerscheindokumente, die zum Stichtag 19. 1. 2033 durch die richtlinienkonformen Führerscheine (Karte mit beschränkter Gültigkeitsdauer) zu ersetzen sind. Wegen des erheblichen und zum Enddatum konzentriert nicht darstellbaren Verwaltungsaufwandes hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, den letztendlich notwendigen Umtausch dieser Führerscheine zeitlich so zu staffeln, dass eine Umstellung der Führerscheine verwaltungsmäßig verträglich bewältigt werden kann.Inhaltliche RegelungZur Umstellung der noch in Papierform im Umlauf befindlichen Führerscheine wird zunächst differenziert nach dem Geburtsjahr begonnen. Außen vor bleiben zunächst alle diejenigen, die einen grauen oder einen rosa Papierführerschein besitzen und vor 1953 geboren sind. Für diese Gruppe gilt das ultimative Umtauschdatum 19. 1. 2033. Die Geburtsjahrgänge 1953 mit 1958 sind als erste verpflichtet, den Umtausch aktuell bis spätestens 19. 1. 2022 vorzunehmen. Es folgen jeweils im Jahresrhythmus die Geburtsjahrgänge 1959 mit 1964 (Umtauschdatum 19.1. 2023), 1965 mit 1970 (Umtauschdatum 19. 1. 2024) sowie alle ab 1971 Geborenen (Umtauschdatum 19. 1. 2025).Für die Inhaber eines Scheckkartenführerscheins wird nicht auf das Lebensalter, sondern auf das Ausstellungsdatum des Dokuments abgestellt. In den Jahren 1999 mit 2001 ausgestellte Kartenführerscheine sind bis 19. 1. 2026 zu tauschen, für das Ausstellungsdatum 2002 mit 2004 gilt das Umtauschdatum 19. 1. 2027 und danach bis einschließlich 2007 der 19. 1. 2028. Wegen der dann bereits parallel anstehenden Verlängerung der ab 2013 mit befristeter Geltungsdauer von 15 Jahren ausgestellten Führerscheine ist der Tausch der in den Folgejahren 2008 mit 2011 ausgestellten Kartenführerscheine jahresweise vorzunehmen ab 19. 1. 2029 bis 19. 1. 2032. Die letzte Frist 19. 1. 2033 gilt dann für die Kartenführerscheine mit Ausstellungsdatum 1. 1. mit 18. 1. 2013, ferner für die Veteranen mit Papierführerschein und Geburtsdatum vor 1953.Gültigkeit unbefristet erteilter FahrerlaubnisseUnberührt von den Vorschriften zum Umtausch der Führerscheindokumente bleiben ursprünglich unbefristet und ohne Auflagen erteilte Fahrerlaubnisse gültig. Dies gilt auch für die nach dem 19. 1. 2013 erteilten Fahrerlaubnisse der Klassen A, A1, A2, A, B, BE, L und T (§ 23 Abs. 1 FeV). Allerdings gilt nach § 2 Abs. 1 StVG auch für diese Klassen die Verpflichtung, beim Führen von Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Straßen das Bestehen der Fahrerlaubnis durch die entsprechende behördliche Bescheinigung in Form eines gültigen Führerscheindokuments nachzuweisen. Gültig bezieht sich hier sowohl auf die Form des Dokuments (z. B. Kartenführerschein) als auch auf die zeitliche Geltung (Gültigkeitsdauer des Dokuments nicht überschritten). Wer bei geltender Fahrerlaubnis zur Vorlage eines gültigen Führerscheins nicht in der Lage ist, begeht eine Ordnungswidrigkeit und kann mit Bußgeld belegt werden.Anderes gilt für Fahrerlaubnisse der weiteren Klassen wie Lkw etc., die ohnehin nur zeitlich befristet erteilt wurden und für welche nicht nur eine Verlängerung des Führerscheins, sondern auch der Fahrerlaubnis selbst mit den entsprechenden Nachweisen der Tauglichkeitsvoraussetzungen erforderlich ist.Kurzfassung1. Papierführerscheine und vor dem 19. 1. 2013 ohne Gültigkeitsdauer ausgestellte Kartenführerscheine verlieren mit der Umsetzung der 3. EU-Führerscheinrichtlinie schrittweise bis spätestens 19. 1. 2033 ihre Gültigkeit.2. Für den erforderlichen Umtausch in einen Kartenführerschein nach EU-Muster und mit zeitlicher Beschränkung gelten jahresweise gestaffelte Termine, die mit dem 19. 1. 2022 und der Umtauschpflicht von Papierführerscheinen für Führerscheininhaber der Jahrgänge 1953 mit 1958 beginnen.3. Unbefristet erteilte Fahrerlaubnisse bleiben auch über die Umtauschfristen hinaus gültig, auch wenn der Führerschein als Dokument seine Gültigkeit verliert. Ein Verstoß gegen die Nachweispflicht kann aber als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.KommentarDie Rücknahme von begünstigenden Verwaltungsakten ist ein problematisches Thema und wegen des Vertrauensschutzes nur unter besonderen Voraussetzungen möglich. Die Erteilung der Fahrerlaubnis ist ein solcher Verwaltungsakt, weshalb eine unbefristete Erteilung nicht ohne weiteres nachträglich beschränkt werden kann. Mit der Umsetzung der 3. EU-Führerscheinrichtlinie und der flächendeckenden Einführung des EU-einheitlichen Kartenführerscheins mit zeitlich beschränkter Gültigkeitsdauer wird diese Problematik aber nicht berührt, da es ausschließlich um den Ablauf eines Ausweispapieres geht, vergleichbar mit dem Ablaufdatum eines Personalausweises. Ist dieser abgelaufen, verliert der Inhaber nicht die Existenzberechtigung. Er kann sich lediglich nicht mehr wirksam ausweisen. Vergleichbar verhält es sich mit dem Führerschein. Ist dieser nicht mehr gültig, kann das Bestehen einer unbefristet gültigen Fahrerlaubnis nicht nachgewiesen werden. Die Fahrerlaubnis selbst erlischt nicht. Der rechtzeitige Umtausch des Führerscheins gegen ein wirksames Dokument ist zur Vermeidung unnötigen Ärgers aber dringend zu empfehlen.Rechtsanwalt Robert Glocker

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