Ausgabe 08/2011: Im Netz

Im NetzInternet E Private und dienstliche Nutzung des Internets am Arbeitsplatz.autohaus-Juristen rechtsanwälte G. Haug & PartnerVor gerade mal zehn Jahren war es durchaus ausreichend, dass ein Arbeitgeber mit seinem Arbeitnehmer einen „einfachen“ Arbeitsvertrag schloss, um die Grenzen der wechselseitigen Rechte und Verpflichtungen festzulegen. Gerade mal fünf bis sechs Jahre ist es her, dass das Internet den geschäftlichen und privaten Bereich der Menschen durchdrungen hat, wie dies vorher kaum vorstellbar war. Es gibt heute fast keinen Arbeitnehmer mehr, der nicht wenigstens über den Computeranschluss eines Arbeitskollegen Zugang zum Internet hat. Es wird gechattet, gemailt, geblogt und geordert, ohne dass der Arbeitgeber hiervon im Einzelfall Kenntnis hat. Hieraus ergeben sich grundlegende Konsequenzen für das Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer.Private Internetnutzung am ArbeitsplatzEs steht einem Arbeitgeber grundsätzlich frei, eine private Internetnutzung am Arbeitsplatz zuzulassen. Was den meisten Arbeitgebern aber unbekannt ist: Bei umfassend erlaubter Nutzung des Internets ist der Arbeitgeber im Hinblick auf § 3 Nr. 10, Nr. 6 Telekommunikationsdiensten (TKG) als Provider zu betrachten mit der Folge, dass er für die private Internetnutzung seines Arbeitnehmers gegebenenfalls haftet oder Unterlassungsansprüchen ausgesetzt ist. Im Falle solcher erlaubter Internetnutzung ist ein Arbeitgeber gleichermaßen auch den gesetzlichen Vorschriften des Telemedien-Gesetzes (TMG) unterworfen, wonach er als Dienste-Anbieter umfangreiche Voraussetzungen zu erfüllen hat.Eine der rechtlichen Folgen der erlaubten Internetnutzung ist es, dass die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) durch die spezielleren Bestimmungen des TKG verdrängt werden. Gemäß § 88 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 TKG ist es dem Arbeitgeber und seinen Mitarbeitern untersagt, sich über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen. Dies bedeutet ein generelles Kontroll- und Erhebungsverbot hinsichtlich der privaten Nutzungsdaten der Arbeitnehmer. Durchbrochen werden kann dieser Grundsatz nur durch § 88 Abs. 3 Satz 3 TKG. Hiernach ist eine Verwendung gewonnener Kenntnisse über Art und Umfang der Internetnutzung nur zulässig, soweit das TKG oder andere gesetzliche Vorschriften dies ausdrücklich vorsehen und sich dabei ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge beziehen. Gemäß § 100 Abs. 3 TKG darf der Arbeitgeber allerdings „Bestandsdaten und Verkehrsdaten erheben und verwenden, die zum Aufdecken sowie Unterbinden von Leistungserschleichungen und sonstigen rechtswidrigen Inanspruchnahmen der Telekommunikationsnetze und -dienste erforderlich sind.“ Bei missbräuchlicher Internetnutzung durch den Arbeitnehmer und (!) bei Vorliegen eines konkreten Tatverdachts für ein rechtswidriges Verhalten des Arbeitnehmers können somit Bestands- und Verkehrsdaten erhoben und verwendet werden. Eine Kontrolle der privaten Inhaltsdaten ist jedoch allgemein unzulässig. Hieraus ergibt sich auch, dass der Arbeitgeber mit irgendwelchen Daten, die er entgegen den Vorschriften des TKG gewonnen hat, nichts anfangen kann. Im Prozessfalle unterliegen diese Daten einem Beweisverwertungsverbot, Abmahnungen oder gar Kündigungen können hierauf also nicht gestützt werden. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass sich die gesetzlichen Vorgaben durch die Einführung des im Entwurf vorliegenden und noch zu verabschiedenden Beschäftigtendatenschutzgesetzes (siehe unseren Beitrag in AUTOHAUS 1-2/2011) noch ändern werden.Verbot der privaten Internet-nutzung am ArbeitsplatzAufgrund der vorstehenden Ausführungen wird jeder Arbeitgeber versucht sein, eine bei ihm über die Jahre hinweg schleichend eingeführte und geduldete Internetnutzung sofort zu untersagen. Jedoch stellt sich die Frage, ob das der Arbeitgeber überhaupt darf. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die private Internetnutzung eine „betriebliche Übung“ darstellt. Eine betriebliche Übung ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Arbeitgeber ein gleichartiges Verhalten über einen gewissen Zeitraum hinweg (in der Regel drei Jahre ausreichend) an den Tag legt – hier also die bewusste Duldung der privaten Internetnutzung – und die Arbeitnehmer daraus das Vertrauen ableiten dürfen, auch in Zukunft die Internetanschlüsse des Arbeitgebers privat nutzen zu können. Selbstverständlich ergibt sich auch bei Vorliegen einer solchen betrieblichen Übung kein Freibrief für die Arbeitnehmer. Diese sind aufgrund des Arbeitsvertrages bestimmten Pflichten unterworfen. Zu den arbeitsrechtlichen Pflichten gehört hierbei, dass der Arbeitnehmer zuvorderst seinen geschuldeten Arbeitsaufgaben nachzukommen hat und seine Leistung, für die er entlohnt wird, unter der privaten Internetnutzung nicht leiden darf. Die Beeinträchtigung betrieblicher Interessen muss somit ausgeschlossen sein, der Arbeitnehmer ist für die Internetnutzung somit auf Leerlaufzeiten, Pausen oder sonstige Freiraumzeiten zu verweisen. Ist ein Vertrauenstatbestand im vorstehenden Sinne bisher allerdings noch nicht eingetreten, kann der Arbeitgeber mit sofortiger Wirkung die private Internetnutzung untersagen. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben und aus dem Blickwinkel des Arbeitgebers wäre ein solches Verbot durchaus nachzuvollziehen.Dienstliche Nutzung des InternetsIst die private Internetnutzung arbeitsvertraglich oder durch zulässige Dienstanweisung untersagt und ist der Arbeitnehmer auf die dienstliche Verwendung des Internets beschränkt, kann der Arbeitgeber dennoch keine umfassende Kontrolle des Arbeitnehmers durchführen. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG sind in diesem Fall keine „spezielleren“ Datenschutzregelungen vorhanden, wie sie sich aus dem TKG und dem TMG ergeben, sodass der generelle Anwendungsbereich des BDSG eröffnet ist. Gemäß § 4, 28, 32 BDSG ist die Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit das BDSG selbst oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Arbeitnehmer eingewilligt hat. Ohne Mitwirkung des Arbeitnehmers dürfen personenbezogene Daten hiernach dann erhoben werden, wenn es zur Wahrung berechtigter Interessen des Arbeitgebers erforderlich ist, insbesondere zur Gefahrenabwehr, zur Verfolgung von Straftaten oder zur Aufdeckung von Vertragsbrüchen. Zu den berechtigten Interessen des Arbeitgebers sind hier selbstverständlich und insbesondere Betriebsgeheimnisse zu zählen. Nachdem bei der Erhebung und Nutzung von personenbezogenen Daten das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers betroffen ist, hat der Arbeitgeber immer das geringste Mittel eines Eingriffs zu wählen. Beispielsweise kann der Arbeitgeber im Rahmen der sogenannten Compliance keine automatische und lückenlose Kontrolle von eingehenden und ausgehenden E-Mails einrichten, er ist vielmehr auf Stichproben beschränkt. Liegt allerdings ein konkreter Verdacht vor, darf der Arbeitgeber einem solchen Verdacht auch gezielt und einzelfallbezogen nachgehen. Zur Aufdeckung von Straftaten und zur Korruptionsbekämpfung ist darüber hinaus ein systematischer Datenabgleich zulässig. Soweit möglich, soll ein solcher Datenabgleich anonymisiert durchgeführt werden. Die Zuordnung zu einem Arbeitnehmer soll erst dann erfolgen, wenn sich ein konkreter Verdachtsfall ergibt. Die auf einem betrieblichen Computer vom Arbeitnehmer gespeicherten privaten E-Mails sind für den Arbeitgeber überprüfbar. Für den Fall, dass ein Arbeitnehmer ein Betriebsmittel vertragswidrig nutzt – so das Arbeitsgericht Frankfurt (Entscheidung vom 14.07.2004, NZA 2002, 1093) –, unterfallen gespeicherte Privatdateien nicht mehr dem Schutz der Intim- oder Privatsphäre des Arbeitnehmers, weil dieser jederzeit mit einer Kenntnisnahme durch den Arbeitgeber rechnen muss. Der Arbeitnehmer verliert durch die bewusste Missachtung der arbeitsvertraglichen Regelungen den erhöhten Schutz der Privatsphäre. Die im Rahmen einer Kontrolle oder Überwachung angefallenen Daten sind zu löschen, sobald sie nicht mehr gebraucht werden.Rechtsanwalt Rainer Bopp, Fachanwalt für Arbeitsrecht, kanzlei@raehaug-partner.deKurzfassung1. Bei umfassend erlaubter Nutzung des Internets ist der Arbeitgeber Provider im Sinne des Telekommunikationsdienstgesetzes. Hiernach besteht ein Kontroll- und Erhebungsverbot hinsichtlich der privaten Nutzungsdaten der Arbeitnehmer. Dieses Verbot gilt allerdings nicht bei missbräuchlicher Internetnutzung durch den Arbeitnehmer; in diesem Fall dürfen Bestands- und Verkehrsdaten des Arbeitnehmers erhoben werden.2. Ein Verbot einer bisher geduldeten privaten Internetnutzung kann nur dann ausgesprochen werden, wenn eine betriebliche Übung nicht entgegensteht. Eine solche betriebliche Übung ist anzunehmen, wenn die Arbeitnehmer das Internet bei Kenntnis des Arbeitgebers einen gewissen Zeitraum privat genutzt haben.3. Bei rein dienstlich erlaubter Nutzung des Internets sind die Kontrollrechte der Internetnutzung durch den Arbeitnehmer durch das Bundesdatenschutzgesetz beschränkt. Personenbezogene Daten dürfen hiernach nur dann erhoben werden, wenn berechtigte Interessen des Arbeitgebers dies erforderlich machen. Dies gilt insbesondere für die Aufdeckung von Straftaten, Korruptionsfälle und schwere Vertragsbrüche.Kommentar< Was vormals am Stammtisch diskutiert wurde, wird heute über Facebook, Xing und Twitter öffentlich gemacht. Internet-Foren sind allgegenwärtig. Allein in Deutschland hat Facebook zum jetzigen Zeitpunkt 17 Millionen Nutzer. Wer die entsprechenden Internetadressen für seine Arbeitnehmer nicht sperrt und so einen Zugang auf rein technische Art und Weise verhindert, muss damit rechnen, dass die Internetforen auch tatsächlich aufgesucht werden. Was nicht ver-hindert werden kann, sollte daher ggf. einer geordneten Regelung zugeführt werden. Es ist in diesem Zusammenhang zu empfehlen, Richtlinien für die Internetnutzung aufzustellen und diese möglichst von den einzelnen Arbeitnehmern unterschreiben zu lassen. Mit solchen Richtlinien kann den Arbeitnehmern ein loyales und korrektes Internetverhalten nahegebracht werden. >

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