Ausgabe 06/2013: Inhaltskontrolle

InhaltskontrolleFortbildung – Wird die Rückzahlung von Fortbildungskosten mit dem Arbeitnehmer vertraglich vereinbart, müssen die Klauseln dem AGB-Recht entsprechen. Autohaus-Juristen Rechtsanwälte G. Haug & PartnerEs ist beileibe keine besondere Weisheit, dass der Geschäftserfolg eines jeden Unternehmens zu einem erheblichen Anteil von motivierten und entsprechend ausgebildeten Mitarbeitern abhängt. Die technischen und rechtlichen Entwicklungen erfordern hierbei eine ständige Fortbildung der Arbeitnehmer, die mit deutlichen Kosten für den Arbeitgeber verbunden ist. Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben beide einen Vorteil von der Fortbildung: Der Arbeitnehmer erhöht seinen „Marktwert“, der Arbeitgeber verfügt für den täglichen Geschäftsablauf über einen qualifizierten und effektiven Mitarbeiter. Fortbildungsvertrag abschließenFür den Arbeitgeber ergibt die kostenintensive Fortbildung eines Arbeitnehmers naturgemäß nur dann Sinn, wenn sich die Kosten auch amortisieren. Dementsprechend ist mit der Fortbildung die Erwartungshaltung des Arbeitgebers verbunden, dass der Arbeitnehmer dem Unternehmen möglichst lange erhalten bleibt. Wie kann der Arbeitgeber jedoch sein Interesse in dieser Hinsicht schützen? Die Antwort erscheint zunächst relativ einfach: Es ist ein Vertrag mit dem Arbeitnehmer abzuschließen, der diesen verpflichtet, die Kosten der Fortbildung an den Arbeitgeber zurückzuzahlen, wenn der Arbeitnehmer schon kurze Zeit nach Abschluss der Fortbildung das Arbeitsverhältnis kündigt. Auch ist es dringend zu empfehlen, eine solche Vereinbarung tatsächlich mit dem Arbeitnehmer zu treffen, denn nur auf diese Art und Weise kann sich der Arbeitgeber wenigstens in einem gewissen Rahmen „rückversichern“. Allerdings verpflichtet nur ein unter Berücksichtigung der Rechtsprechung wirksamer Vertrag den Arbeitnehmer zur Rückzahlung.PraxisfallFolgender Fall befand sich Ende Februar 2013 in der anwaltlichen Beratung: Ein großes Autohaus vereinbarte mit einem Arbeitnehmer die Fortbildung zum Servicetechniker. Die Schulungsmaßnahme wurde vom Hersteller Audi durchgeführt. Für die von September 2011 bis September 2012 in Anspruch genommenen Teilmodule der Fortbildung berechnete der Hersteller gegenüber dem Autohaus über 10.000 Euro netto. Der Arbeitnehmer kündigte das Arbeitsverhältnis und schied zum 31.10.2012 aus dem Unternehmen aus. Der Arbeitgeber verlangte daraufhin vom Arbeitnehmer einen Teil der verauslagten Schulungskosten i. H. v. 4.500 Euro. Grund für diese Forderung war ein im Jahr 2008 abgeschlossener Vertrag, der den Arbeitnehmer zur Rückzahlung von Schulungskosten verpflichten sollte. Es war dies ein vom Arbeitgeber vorgehaltener 3,5-seitiger Standardvertrag mit 17 Klauseln und zusätzlichen Unterklauseln. In § 7 dieses Vertrages wurden die Schulungskosten pauschal angegeben: 290 Euro pro Schulungstag, 50 Euro Mietwagenkosten pro Tag, Kraftstoffkosten „je nach Schulungsstätte“ von 150 Euro, Übernachtungskosten und Bewirtung pro Nacht 100 Euro, Erstattung von betrieblichen Fehlzeiten pro Schulungstag 94,65 Euro (ausgerichtet an der Monatsvergütung). In den §§ 8 – 8c war festgehalten, dass die Rückzahlungsverpflichtung für den Fall der Arbeitnehmerkündigung in den ersten zwölf Monaten nach Abschluss der Fortbildungsmaßnahme 100 Prozent betragen sollte und sich über den Lauf von vier Jahren absteigend auf 20 Prozent verringern sollte. Die konkrete Rückzahlung verlangte der Arbeitgeber aber nicht anhand dieses Vertrages mit den pauschalen Einsatzbeträgen, sondern vielmehr anhand der tatsächlich angefallenen und vom Hersteller berechneten Schulungskosten, worüber es aber keine Vereinbarung gab. Vorwegzunehmendes Ergebnis: Dem Arbeitgeber steht keinerlei Rückzahlungsanspruch zu. Rechtliche Vorgaben Fortbildungsverträge stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen dar. Dementsprechend ist in dieser Hinsicht die besondere AGB-Inhaltskontrolle zu beachten. Es ist zu fragen, ob ein Arbeitnehmer durch eine Vertragsklausel ggf. „unangemessen benachteiligt“ wird. Es ist zu Lasten des Arbeitgebers immer die arbeitnehmerfreundlichste Auslegungsvariante einer Vertragsklausel heranzuziehen. Immer dann, wenn auch nur ein einzig denkbarer Fall unter eine Vertragsklausel subsumiert werden kann, die den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen würde, ist die Klausel – und die gesamte Rückzahlungsverpflichtung – unwirksam. Im obigen Praxisfall war es denkbar, dass die Schulungskosten de facto niedriger als 290 Euro pro Tag waren, die Übernachtungskosten ggf. überhaupt nicht anfielen, weil der Arbeitnehmer am Ort der Schulung wohnte, die Fahrtkosten niedriger waren, weil eine Fahrgemeinschaft mit anderen Schulungsteilnehmern gebildet wurde etc. Dementsprechend war die oben stehend berichtete Vertragsklausel zur pauschalen Rückzahlungsverpflichtung wegen einer möglichen unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers unwirksam. Nach dem jüngsten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21. 8. 2012 (Az.: 3 AZR 698/10) genügt eine Klausel über die Erstattung von Ausbildungskosten dem gesetzlichen Transparenzgebot nur dann, wenn die entstehenden Kosten im Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren im Fortbildungsvertrag angegeben sind. Ist eine Vertragsklausel über die Rückzahlung von Fortbildungskosten wegen des Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam, hat der Arbeitgeber als der „Verwender“ der Klausel keinen Anspruch auf Erstattung der Fortbildungskosten. Hinsichtlich der konkret anhand der Herstellerrechnungen zurückgeforderten (teilweisen) Schulungskosten bestand im dargelegten Fall keine vertragliche Vereinbarung, so dass auch in dieser Hinsicht kein Rückzahlungsanspruch des Autohauses gegenüber dem Mitarbeiter bestand. Tatsachenkriterien und BindungsfristenDarüber hinaus sind weitere von der Rechtsprechung vorgegebenen Kriterien für die zulässige Bindungsfrist für eine Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers zu beachten:Ist die Schulungsmaßnahme im alleinigen Interesse des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers? Ist die Schulungsmaßnahme im beiderseitigen Interesse, wenn ja, mit welcher Quotelung?Verbessern sich durch die Schulung die Chancen des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt?Welchen Nutzen zieht der Arbeitgeber aus der Schulung?Wie lange dauert die Schulungsmaßnahme?Wie hoch sind die Kosten der Maßnahme?Anhand vorstehender Kriterien ist der Fortbildungsvertrag mit den entsprechenden Bindungsfristen und den prozentualen Rückzahlungsverpflichtungen auszugestalten. Die Verpflichtung eines Arbeitnehmers zur Rückzahlung von Fortbildungskosten mit entsprechenden zeitlichen Bindungsfristen ist einer Angemessenheitsüberprüfung zu unterziehen. Nach verschiedentlichen Urteilen des Bundesarbeitsgerichts wurden für Schulungsmaßnahmen beispielsweise folgende Fristen für die Bindung des Mitarbeiters an das Unternehmen für zulässig erachtet:Maßnahmedauer bis zu einem Monat: höchstens sechs MonateMaßnahmedauer bis zu zwei Monaten: höchstens ein JahrMaßnahmedauer bis zu vier Monaten: höchstens zwei JahreMaßnahmedauer bis zu sechs Monaten: höchstens drei JahreMaßnahmedauer bis zu zwei Jahren: höchstens fünf JahreBei Maßnahmen mit einer Dauer von weniger als einem Monat – zum Beispiel Tagesschulungen – beträgt die maximale Bindungsfrist in der Regel drei Monate. ■Rechtsanwalt Rainer Boppkanzlei@raehaug-partner.deKurzfassung1. Die Rückzahlung von Fortbildungskosten kann ein Arbeitgeber vom Arbeitnehmer nur aufgrund einer wirksamen Vereinbarung verlangen. Der Abschluss eines schriftlichen Vertrages ist dringend zu empfehlen.2. Fortbildungsverträge stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) dar. Bei der besonderen AGB-Inhaltskontrolle ist zu hinterfragen, ob der Arbeitnehmer durch eine Vertragsklausel gegebenenfalls unangemessen benachteiligt wird.3. Eine Vertragsklausel über die Erstattung von Fortbildungskosten genügt dem Transparenzgebot nach AGB-Recht nur dann, wenn – so das Bundesarbeitsgericht – in dieser die entstehenden Kosten dem Grund und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren angegeben sind.4. Ist eine Vertragsklausel über die Rückzahlung von Fortbildungskosten unwirksam, hat der Arbeitgeber keinen Anspruch auf (auch nur teilweise) Rückzahlung der Fortbildungskosten.Kommentar< Die Unterschiedlichkeit von Schulungsmaßnahmen erfordert auch eine unterschiedliche vertragliche Behandlung. Dies bedeutet, dass letztlich für jede Schulungsmaßnahme ein passgenauer Vertrag mit Rückzahlungsklausel zu vereinbaren ist. Zwar ist es durchaus denkbar, dass für verschiedene Standardfortbildungen wiederverwendbare Musterverträge ausgearbeitet werden. Diese sind jedoch regelmäßig zu überarbeiten und auf den neuesten Tatsachenstand zu bringen. Je höher die Schulungskosten und je größer der Vorteil für den Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt, umso mehr kann dieser gebunden werden. >

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