Ausgabe 06/2009: Kündigungsschranken

HandelKündigungsschrankenInsolvenz E Das Kündigungsrecht im Fall der Insolvenz hat Grenzen.Von Uwe BrossetteFast alle Händler- und Werkstattverträge haben Klauseln, die dem Hersteller erlauben, bereits im Falle der Insolvenzbeantragung den Vertrag außerordentlich zu kündigen. Gegen die Wirksamkeit solcher Klauseln bestehen große Bedenken. Sinn und Zweck der reformierten Insolvenzordnung ist es, die Sanierung und Reorganisation des Schuldners inner-halb eines für alle Beteiligten einheitlichen Insolvenzverfahrens zu ermöglichen. Zudem sollen in diesem Rahmen alle Gläubiger bestmöglich und gleichmäßig befriedigt werden. Dieser Sanierungs- und Befriedigungszweck würde beseitigt, wenn sich einzelne Gläubiger der Erfüllung von Vertragsverhältnissen, die eine Sanierung erst ermöglicht, vor Eröffnung verwei-gern könnten.Kündigung der HändlerverträgeGleichwohl sollen nach einem Urteil des OLG München (Az. 7 U 1518/04) derartige einseitige Lösungsklauseln nicht per se gegen AGB-rechtliche Bestimmungen verstoßen. Einem Hersteller sei es im Hinblick auf sein Ansehen bei den Kunden und den mit dem Insolvenzantrag verbundenen Risiken nicht zuzumuten, den Vertrag noch bis Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Diese Argumentation verfängt jedoch nicht. Denn die Insolvenzbeantragung führt nicht sofort und unmittelbar zur Unzumutbarkeit der Vertragsfortführung. Insbesondere ist der Ansehensverlust kein tragfähiges Kriterium.Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens tritt im normalen Geschäftsgang der Insolvenzverwalter nach Außen nicht in Erscheinung, so dass das Argument eines „Räumungsverkaufs-Images“, das mit dem Premiumanspruch des Herstellers nicht kompatibel sei, nicht überzeugen kann. Für die Kunden ändert sich in der Phase bis zur Insolvenzeröffnung in der Abwicklung des Kaufvertrages regelmäßig nichts. Der Händler kann ohne weiteres auch nach der Antragstellung die vom Hersteller gelieferten Fahrzeuge an seine Kunden übergeben, ohne dass damit für den Kunden ein Nachteil verbunden wäre. Ebenso wenig beeinträchtigt die Insolvenzbeantragung die Möglichkeiten des Händlers, neue Bestellungen von Kunden entgegenzunehmen. Der Hersteller hat insoweit die Möglichkeit, den Verkauf des Fahrzeugs an den Händler von Bedingungen abhängig zu machen, die unter Beteiligung des vorläufigen Insolvenzverwalters vereinbart werden können. Auf diese Weise kann die Bezahlung des Fahrzeugs sichergestellt werden ggf. durch die Vereinbarung einer Vorleistung oder Gewährung einer sonstigen Sicherheit. Dem vorläufigen Insolvenzverwalter verblieben auf diese Weise vielfältige Möglichkeiten, eine übertragende Sanierung vorzubereiten.Kündigung widerspricht Sanierungszweck der InsolvenzordnungUm die Sanierung überhaupt zu ermöglichen, räumt die Insolvenzordnung dem Insolvenzverwalter ferner das Recht ein, selbst zu entscheiden, ob er die für die Fortführung des Unternehmens notwendigen Verträge beibehalten will oder nicht. Einseitige Lösungsklauseln stehen diesem Ziel diametral entgegen. Nach der Rechtsprechung des BGH wird das Verwalter-wahlrecht sogar als das Mittel der Masseanreicherung und damit als Masseschutz verstanden. Mit der Zulassung von Klauseln, die die Kündigung von Verträgen bereits bei Insolvenzbeantragung ermöglichen, würde das gesetzliche Wahlrecht des Insolvenzverwalters fundamental unterlaufen und ihm damit ein wichtiges Instrument zum Zusammenhalt und zum Schutz der Masse aus der Hand geschlagen.Die mit der Insolvenzbeantragung für den Hersteller einhergehenden Risiken lassen sich daher – entgegen der Ansicht des OLG München –, insbesondere wenn keine Massearmut herrscht, fast vollständig ausschließen. Kündigungsklauseln, die die sofortige Kündigung erlauben, ohne die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, entsprechen vor diesem Hintergrund nicht dem AGB-rechtlichen Gebot der Anwendung des mildesten Mittels und benachteiligen damit den Händler entgegen den Geboten von Treu und Glauben in unangemessener Weise.Kündigung von WerkstattverträgenNoch deutlicher ist die Situation beim Werkstattvertrag. Enthält ein Werkstattvertrag ein fristloses Kündigungsrecht im Falle der Insolvenzantragstellung, verstößt dies gegen den wesentlichen Grundgedanken der Kündigungssperre des § 112 InsO und ist damit bereits aus diesem Grunde unwirksam. Mit dieser im Vergleich zur alten Konkursordnung neu geschaffenen Regelung wird nach dem Willen des Gesetzgebers sichergestellt, dass die Kündigung nicht zur Unzeit erfolgt und dem Insolvenzverwalter dadurch Gegenstände entzogen werden, die für die Betriebsfortführung, Sanierung oder Gesamtveräußerung des Unternehmens dringend benötigt werden. Diese gesetzliche Kündigungssperre ist nicht auf bloße Sachmiet- oder Pachtverhältnisse beschränkt. Nach dem Gesetzeszweck sollen dem Verwalter vielmehr sämtliche Betriebsmittel, die für die Betriebsfortführung erforderlich sind, erhalten bleiben. Hierzu gehören auch die Rechtspachtverhältnisse und insbesondere geschlossene Lizenzverträge. Werkstattvertrag als LizenzvertragWerkstattverträge sind rechtlich als Lizenzverträge zu qualifizieren. Sie enthalten eine Vielzahl lizenzrechtlicher Regelungen, die bei der Vertragsdurchführung im Vordergrund stehen und ohne die dem Werkstattpartner die Erbringung der Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten überhaupt nicht möglich wäre. Hierbei handelt es sich zum einen um die technischen Reparaturanleitungen, spezielle Softwarelösungen zur Auslese des im Fahrzeug eingebauten Fehlerspeichers, aber auch um Programme um geheime Daten (z.B. Wegfahrsperren und Schlüsseldaten) zu programmieren. Ohne die vertraglich eingeräumten Nutzungsrechte an diesem technischen Know-how des Herstellers wäre dem Servicepartner die Erbringung der vertraglich geschuldeten Kundendienstleistungen unmöglich. Die gewährten Gebrauchs- bzw. Nutzungsrechte an dem technischen Know-how des Herstellers sind als Nutzungslizenzen in-haltlich denjenigen aus Miet- bzw. Pachtverträgen gleichzustellen, so dass der Hersteller gemäß § 112 Nr. 2 InsO nicht berechtigt ist, den Vertrag wegen eines Eigenantrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens den Werkstattvertrag zu kündigen. Fehlende UnzumutbarkeitSchließlich spricht die Abwägung der beteiligten Interessen gegen die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung. Der offensichtlich geringfügig beeinträchtigten Interessenlage auf Seiten der Hersteller steht eine deutlich überragende Beeinträchtigung der Interessen der Servicepartner gegenüber. Der Betrieb des Herstellers wird durch die Aufschaltung der Servicepartner, wenn überhaupt, so nur denkbar gering beeinträchtigt. Insolvenzbedingte Zahlungsausfälle sind insoweit nicht zu befürchten. Der Servicepartner hingegen ist durch die fristlose Kündigung in seinem betrieblichen Fortbestand massiv gefährdet. In diesem Zusammenhang ist auch der Zeitraum der geschäftlichen Verbindung der Parteien zu beachten. Eine langfristige Geschäftsverbindung kann nicht im Einklang mit der Verkehrssitte vor der endgültigen Feststellung der Insolvenz bei andererseits erkennbarer Existenzgefährdung der Vertragswerkstatt durch fristlose Kündigung beendet werden. zLesen SIe hier...... welche rechtlichen Kündigungsschranken im Falle der Insolvenz eines Händlers oder Servi-cepartners bestehen.BuchtippEnde März erscheint zu dieser speziellen Thematik ein Buch: Brossette/Plagens/Schmidt: „Das Autohaus in der Krise und Insolvenz.“ Broschiert: 250 Seiten (Preis: € 48,00) Verlag: LexisNexis Deutschland GmbH - ZAP Verlag; 1. Auflage. (31. März 2009) ISBN-10: 3896553682, ISBN-13: 978-3896553683

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