Ausgabe 05/2010: Kundenzufriedenheit als Margenbestandteil?

HandelKundenzufriedenheit als Margenbestandteil?marge E Kundenzufriedenheit ist wichtig. Wichtiger aber ist die Kundenloyalität. Die Messsysteme für Kundenzufriedenheit haben Grenzen. Viele Feststellungen sind subjektiv und eignen sich nicht als Margenkriterium. Abschaffen!von Prof. Hannes BrachatEin Kunde, aus welchem Grunde auch immer er ein Autohaus betritt, hat eine Soll-Vorstellung, wie aus seiner Sicht der Gang der Dinge ablaufen sollte. Nun hat er das Ist-Erlebnis, die konkrete Erfahrung gemacht. Deckt sich seine Soll-Erwartung mit dem Ist-Erlebnis, sprechen wir von 100 Prozent Kundenzufriedenheit. Wurde gar seine Vorstellungswelt übertroffen, sprechen wir von Kundenbegeisterung. Wird selbst diese – wann auch immer – übertroffen, ist Kundenbeglückung das Sein der Dinge. Die Automobilhersteller streuen hier ferngesteuerte Königswünsche!Es besteht ohne Frage die hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein Autohaus mit höherer Kundenzufriedenheit auch höhere Umsätze erwirtschaftet, auf eine größere Preisbereitschaft beim Kunden trifft und zu einer höheren Toleranzschwelle für einen Marken- oder Autohauswechsel beiträgt. Der Nachweis, dass das Autohaus mit der höchsten Kundenzufriedenheit auch die höchsten Gewinne einfährt, ist bislang nicht erbracht worden. Das wird zwar behauptet, trifft aber in der Praxis oftmals nicht zu.Irrige Illusion?Entspricht die Aufforderung nach maximaler Kundenzufriedenheit gar einer irrigen Illusion? Grundsätzlich möchte der Kunde Rolls Royce fahren, aber nicht mehr als für einen Golf bezahlen. Verbraucherschutz definiert sich als Politik der niedrigen Preise mit vielen Rechten für den Konsumenten. Das Fleisch soll billig und nahrhaft sein. Ob diese Art der Produktion die Tiere quält, die Böden vergiftet, die Landschaft leer räumt und die Bauern verarmen lässt, das ist nicht das Problem des Produkts. Wissen und Tun klaffen oft auseinander. Wer wirklich ein Maximum an Zufriedenheit bei seinen Kunden möchte, der sollte seine Leistungen verschenken oder dem Kunden einmal pro Monat einen Gratisurlaub auf Elba oder kostenlos all seine Ersatz- und Vorführwagen anbieten, die Autos nach jedem Werkstattbesuch reinigen und volltanken. Bitte, Kundenzufriedenheit ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Kundenbindung. Man muss aber endlich die Realitäten sehen: Bei hoher Kundenzufriedenheit bewirkt eine weitere Steigerung der Zufriedenheit eine beachtliche Erhöhung der Kundenbindung. Bei sehr zufriedenen Kunden führt eine zusätzliche Steigerung nur zu einer unterdurchschnittlichen Erhöhung der Kundenbindung. Und die Grenze zwischen hoher und sehr hoher Kundenzufriedenheit haben inzwischen diverse Marken überschritten. Und noch immer hält man an der Spirale des Überdrehens fest. Das kostet alles viel Geld und bringt wenig Nutzen! Gelingt es wirklich, Differenzierungsmöglichkeiten zu schaffen, für die der Kunde auch bereit ist zu bezahlen, haben wir eine Zufriedenheit auf beiden Seiten geschaffen. Darum geht es! Das Unternehmen Autohaus ist keine Fürsorgeveranstaltung, sondern ein Dienstleistungsgeschäft, das nachhaltige Gewinne erforderlich macht. Es müssen hinter dem Begriff der Nachhaltigkeit die Werte Vernunft, Verantwortung, Gerechtigkeit und Zukunft stehen. Eine bessere Zukunft muss man sehen, riechen und schmecken können. Nur so kann der Verbraucher als „dritte Kraft“ neben Wirtschaft und Politik zu Recht gesehen werden. Das Olympia-Motto „schneller, höher, weiter“ hat beim Konsum ausgedient. Die Zukunft gehört den Werten: „besser, gesünder, gerechter“. Der Margenbestandteil Kundenzufriedenheit muss fallen!Wie gut die Kundenorientierung gelingt, wird von den Herstellern über die Kundenzufriedenheit gemessen. Ursächlich wurden diese Kundenzufriedenheitsbefragungen als Frühwarnsystem für Betriebe und Stärken-Schwächen-Analysen vorgesehen. Inzwischen sind sie vielfach für den Handel zum Margenbestandteil gemacht worden. Das hat eine ganz andere Intention. Im Rahmen neu zu gestaltender Geschäftsmodelle ist die Kundenzufriedenheit als Margenbestandteil dringlich zu schleifen. Warum? Weil Kundenzufriedenheit eine subjektive Größe mit relativem Aussagewert ist. Weil jeder Fragebogen fragwürdige Inhalte hat, weil die Zufriedenheitsmessung außerordentlich schwierig ist. Wenn der Hersteller z. B. den Kunden fragt, ob er mit dem GW-Hereinnahmepreis zufrieden war, gleicht dies der Frage, ob ein Mitarbeiter mit seinem Gehalt zufrieden ist. Die Kundenzufriedenheit setzt sich immer aus der Produktzufriedenheit, der Kauf- und der Servicezufriedenheit zusammen. Die Produktzufriedenheit macht 50 Prozent aus, wird durch den Hersteller bestimmt, beeinflusst aber die weiteren Zufriedenheitsstationen. Da lässt sich das eine vom anderen überhaupt nicht sauber trennen!Es geht den Herstellern bei diesen aufwendigen Befragungen gar nicht um den Kunden, sondern um ein System. Der Hersteller will bei J. D. Power & Co. der öffentlichen Wirkung wegen an erster Stelle stehen. Oder glaubt wirklich einer an die Mär, dass all die Glaspaläste im Markenhandel auf Kundenwunschbefragungen zurückgehen? 60 Prozent der dem Kunden ursprünglich zugesagten Neufahrzeugauslieferungstermine können nicht eingehalten werden. Das schafft hohe Kundenzufriedenheit! Auch bei der Garantie- und Kulanzabwicklung geht es um den Faktor Kundenzufriedenheit. Wer das restriktive Verhalten und die bewusste Komplexitätsmehrung im Antragverfahren vor Augen hat, muss den Glauben an Kundenzufriedenheit verlieren. Hier werden berechtigte Ansprüche des Kunden vielfach dem Handel aufgeladen. Man stelle sich die aktuelle Rückrufaktion von Toyota vor. Es wird querbeet Produkt-, Kauf- und Servicezufriedenheit vermengt und ist damit auch nicht verursachungsgerecht messbar.Mitarbeiter als ZehnkämpferHohe Kundenzufriedenheit setzt außerdem ausreichend Personal voraus. Immer weniger Mitarbeiter müssen in immer kürzerer Zeit immer komplexere Aufgaben bewältigen. Wie soll und kann Service für den einzelnen Mitarbeiter Freude machen!? Sie sind als Zehnkämpfer gefordert, haben aber für diverse Disziplinen nicht die ausreichende Kraft, sprich Zeit. Oder wenn ein Hersteller bei einem spezifischen Produkt unhaltbare Elektronikmängel produziert, dann hat das der Handel ganz massiv mit negativer Kundenzufriedenheit auszubaden. Letztlich befinden – wie bei der Formel 1 – Hundertstelsekunden über den ersten Platz! In Wahrheit ist das ein wenig sinnhafter Streit um Kaisers Bart.KundenanforderungenDer Handel wird über die völlig unzureichende Ertragssituation in seiner Substanz und in seinen Zukunftsinvestitionen über jedes Maß strapaziert. Der Kunde wünscht Freundlichkeit, Schnelligkeit in der Bedienung, Bearbeitung oder Belieferung, eine gute Beratung und einen fundierten Preis. So einfach ist das! Weg mit all dem Papierkram um (nachträgliche) Befragungen, die den Kunden nur nerven und keine Erkenntnis bringen. Inzwischen wird man als Kunde schon nach einem Winterreifenwechsel angerufen und auf die Leistung hin befragt. Lachhaft! Es wäre viel nützlicher, die Werksstrategen würden sich statt auf Befragungsrituale auf Umsatzinitiativen stürzen. Wenn wenigstens der Händler mit der höchsten Kundenzufriedenheit am meisten verdienen würde! Tatsache ist: Wer je 100 Prozent Kundenzufriedenheit erreicht, ist pleite! Ein weiterer Aspekt: 85 Prozent der Kunden behaupten, zufrieden zu sein. Aber nur 40 Prozent kommen wieder. Der Anteil der wiederkommenden Kunden ist aber doch der wahre Maßstab für die Zufriedenheit. Und wie oft werden die falschen Kunden zufrieden gestellt? Wer jeden Kunden gleich gut behandelt, wird jene 20 Prozent, die 80 Prozent der Erlöse bringen, nicht gut genug behandeln. Nochmals: Hohe Kundenorientierung ist im gesamten Autohaus ein Muss! Fazit: Jeder Kundenkontakt ist eine Chance! Jedes Geschäft ist eine Vereinbarung mit der Zukunft! zKundenorientierung1. Der Kunde ist immer die wichtigste Person für mich, ob ich mit ihm persönlich, schriftlich oder telefonisch kommuniziere.2. Jeder Mitarbeiter fühlt sich für den Kunden zuständig, um Wartezeiten zu vermeiden. 3. Der Kunde wird sofort angesprochen. 4. Ein Kunde unterbricht meine Arbeit nicht. 5. Kundenberatungsgespräche sollten nicht unterbrochen werden. 6. Lache und lächle. Die Menschen mögen das.7. Mache öfter Komplimente.8. Trotz oder zusätzlich zu allem Lächeln: Die Prozesse müssen stimmen.9. Wir sprechen den Kunden mit Namen an, tragen einheitliche Kleidung mit Namensschildern.10. Welchen Nutzen hat der Kunde durch mein Wirken?11. Wir begleiten den Kunden zu seinem Fahrzeug!12. Geht nicht gibt‘s nicht!13. Dennoch: Weniger versprechen, mehr halten!14. Keine Reklamation? Irgendetwas läuft falsch. Beschwerden sind eine zweite Chance.15. Professionelles Telefonieren optimiert u. a. die Wirkung des Erstkontaktes!16. Bearbeiten Sie Kundenanfragen – E-Mails – schnell und eingehend.17. Messen Sie alles!18. Kleine Gesten erhalten die Kundschaft.19. Sagen Sie bitte „Bitte“, „Danke“. Danke!Quelle: Peter Kruse

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Kundenzufriedenheit als Margenbestandteil?

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