Bewertung von Ersatzteilen: Kunst und Kampf - oder Knete?

Ein wesentlicher Punkt bei der Erstellung und Prüfung von Jahresabschlüssen und bei Betriebsprüfungen im Kfz-Gewerbe ist die richtige und angemessene Bewertung des Ersatzteilbestandes. Gerade bei der steuerlichen Betriebsprüfung sind sich Steuerpflichtiger und Betriebsprüfer oft uneins hinsichtlich der angemessenen Bewertung der Ersatzteile, obwohl doch immer noch die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz besteht. Vom Ansatz her sind Ersatzteile - wie die Neu- und Gebrauchtwagen - dem Umlaufvermögen zuzuordnen. Umlaufvermögen wird in der Handelsbilanz prinzipiell mit den Anschaffungskosten oder einem niedrigeren Marktpreis angesetzt. Die Heranziehung des Angebotspreises für die Bestimmung des Marktwertes ist für die Ersatzteile allerdings nicht uneingeschränkt geeignet, da die Nachfrage hier nur begrenzt vom Verkaufspreis, sondern fast ausschließlich vom Anlass (Reparatur) abhängt. Auch durch eine Herabzeichnung des Angebotspreises werden - von einzelnem Zubehör abgesehen - länger lagernde Teile im Regelfall nicht vermehrt nachgefragt. Weiterhin typisch für ein Ersatzteillager ist, dass bestimmte Verschleißteile wie z. B. Bremsbeläge oder Luftfilter durch Inspektionen sehr häufig nachgefragt werden, während manche Ersatzteile sehr selten oder nie nachgefragt werden. Insofern stellt sich die praktische Frage, wie der (niedrigere) Marktpreis bzw. der steuerliche Teilwert ermittelt werden kann. Pauschale Abschläge? Relativ einfach ist der Sachverhalt, sofern nachgewiesen werden kann, dass die Einkaufspreise und damit die Wiederbeschaffungskosten gesunken sind. Unabhängig von etwaig unveränderten Verkaufspreisen muss handelsrechtlich insoweit eine Wertberichtigung vorgenommen werden, die bei voraussichtlich dauerhafter Wertminderung auch steuerrechtlich nachvollzogen werden darf. Da dieser Sachverhalt erfahrungsgemäß nur in Einzelfällen zutrifft, werden alternativ häufig pauschale Abschläge von den Anschaffungskosten für den gesamten Ersatzteilbestand oder einzelne Teilegruppen vorgenommen. Üblich sind hier Sätze zwischen 5 und 15 Prozent. Dies hat den unbestreitbaren Vorteil einer einfachen Bewertung, wird jedoch oft von der Finanzverwaltung nicht anerkannt, die sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stützt. Hilfreich ist - nicht nur in diesen Fällen - die Archivierung der (in den Folgejahren) vorgenommenen Verschrottungsprotokolle, um eine entsprechende Wertlosigkeit nachzuweisen. Retrograde Bewertung Von der Finanzverwaltung anerkannt ist ein retrograder Bewertungsansatz, welcher durch eine Rückrechnung von den zu erwartenden Verkaufserlösen ausgeht. Danach kommt auch steuerlich eine Wertminderung in Betracht, wenn der voraussichtliche Verkaufspreis die Summe aus Anschaffungskosten, Selbstkosten (inkl. zu erwartender Lagerkosten) und durchschnittlichem Unternehmergewinn unterschreitet. Dementsprechend muss für die Berechnung des Teilwerts wie folgt vorgegangen werden: Verkaufserlöse ./. nach dem Stichtag anfallende Selbstkosten (Verkaufs-, Vertriebs- und Gemeinkosten, insbesondere Lager- und Verwaltungskosten sowie Zinsen) ./. durchschnittlicher Unternehmensgewinn = Teilwert Liegt dieser Teilwert unter den Anschaffungskosten, ist eine entsprechende Teilwertabschreibung erforderlich. Gängigkeitsanalyse In der Praxis werden die Ersatzteile häufig in Gängigkeitsklassen (Schnell- und Langsamdreher) bzw. A-, B- und C-Teile eingeteilt. Je länger die Lagerdauer, desto höher wird üblicherweise wertberichtigt. Dem halten Betriebsprüfer erfahrungsgemäß entgegen, dass die bisherige Lagerdauer nichts über die zukünftige Lagerdauer aussagt - und nur diese erwarteten Kosten sind bei der Bestimmung des Teilwerts abziehbar. Nichtsdestotrotz verursachen weniger gängige Teile höhere Lagerkosten und damit einen höheren Wertberichtigungsbedarf. Des Weiteren wird von Seiten der Finanzverwaltung gern argumentiert, dass bestimmte Ersatzteile (z. B. Verschleißteile wie beispielsweise Kupplungsscheiben) erst ein paar Jahre nach Verkaufsbeginn des entsprechenden Fahrzeugmodells vermehrt nachgefragt werden, oder, dass Originalteile auch an den Hersteller zu Anschaffungskosten zurückgegeben werden können. Letzteres ist jedoch häufig nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen der Fall. Nicht selten muss z. B. eine Mindestlagerdauer oder ein Mindestwert je Teil erfüllt sein. Bei einer Bewertung der Ersatzteile sollte zudem berücksichtigt werden, dass der Hersteller sowohl bei Änderung der laufenden Serie oder Produktaufwertungen sowie im Rahmen von Modellpflegen (Facelifts) neue, verbesserte Ersatzteile an die Händler ausgibt. Die alten Ersatzteile sind somit unter Umständen nicht mehr werthaltig, da diese von Seiten des Herstellers nicht mehr eingebaut werden dürfen. Folglich sollten diese Teile verschrottet werden. Diese Argumente einem Betriebsprüfer jedoch überzeugend näher zu bringen, verlangt viel Kunst und Kampf. Kurzfassung 1. Die Bewertung von Ersatzteilen ist aufwändig und wird von Betriebsprüfern häufig kritisch hinterfragt.2. Eine Gängigkeitsanalyse berechtigt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs für sich allein genommen noch nicht zu einer pauschalen Wertminderung.3. Eine Wertminderung wird steuerlich nur anerkannt, wenn der Teilwert unter Berücksichtigung der nachgewiesenen, zu erwartenden Selbstkosten und eines durchschnittlichen Unternehmergewinns unter den Anschaffungskosten liegt. Kommentar Eine steuerlich sattelfeste Ersatzteilbewertung verlangt - gerade in der Auseinandersetzung in der Betriebsprüfung - viel Arbeit. Knackpunkt ist in der Regel der Nachweis der zu erwartenden Selbstkosten inkl. Lagerkosten. Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch eine gute Datenbasis. Dies beginnt zum einen mit der Kostenrechnung, auf deren Basis die zu erwartenden Selbstkosten ermittelt werden müssen, und endet beim genutzten Lagerhaltungsprogramm. Denn nur dieses kann die notwendigen Auswertungen zum Bestand und zur Gängigkeitsanalyse liefern. Kfz-Betriebe sollten ihre Lagerbestandssoftware daher auch dahingehend überprüfen, ob rückwirkende Auswertungen des Lagerbestands und der Teileumschlagshäufigkeit zum Bilanzstichtag erstellt werden können. Dies kann nicht nur dann hilfreich sein, wenn die Auswertung am Bilanzstichtag vergessen wurde, sondern auch, wenn ein Betriebsprüfer noch nachträglich weitere Auswertungen verlangt.Erkennt ein Betriebsprüfer die Teilwertabschreibung bei Ersatzteilen nicht an, erfolgt im Übrigen die teilweise Auflösung der Teilwertabschreibung mit dem ärgerlichen Einmaleffekt in Form von Steuernachzahlung zuzüglich Zinsen. In den Folgejahren treten dann lediglich die üblichen Schwankungen auf, die sich zusammen mit dem Einmaleffekt in einer Totalbetrachtung wiederum ausgleichen. Insofern stellt sich fast schon die Frage, ob es nicht ökonomischer ist, den Zins auf den Steuereinmaleffekt als Preis für den ersparten Zeitaufwand zu zahlen. Nicht zuletzt auch, weil sich inzwischen eine von der Handelsbilanz abweichende Steuerbilanz kaum noch vermeiden lässt.Peter Harbauer Wirtschaftsprüfer Steuerberater www.raw-partner.de

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