Ausgabe 16/2013: Neues aus der Arbeitswelt

Es ist immer wieder erstaunlich, welche Zeiträume es in Anspruch nimmt, bis gewisse Sachverhalte in letzter Instanz vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden werden. Bei solchen Entscheidungen geht es nicht etwa um rechtliche Randgebiete, sondern um Fälle, die im Geschäftsleben laufend vorkommen. Das BAG hat in letzter Zeit mehrfach derartige Urteile gesprochen.Kündigung "zum nächstmöglichen Zeitpunkt"Eine Arbeitnehmerin war in einem Unternehmen tätig, das sich im Insolvenzverfahren befand. Die gesetzliche Kündigungsfrist (§113 InsO) beträgt im Insolvenzfall drei Monate. Die Arbeitnehmerin erhielt die Kündigung mit der Formulierung, dass das Arbeitsverhältnis "zum nächstmöglichen Zeitpunkt" beendet würde. Ein konkretes Beendigungsdatum wurde nicht genannt. Es wurde allerdings - pauschal - auf die gesetzliche Frist verwiesen. Die Arbeitnehmerin erhob Klage mit der Begründung, die Kündigung verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot, und hatte in den ersten beiden Instanzen Erfolg. Das BAG entschied allerdings anders (Urteil vom 20.06.2013 - Az 6 AZR 805/11). Zwar müsse eine Kündigung "bestimmt und unmissverständlich" abgefasst sein und der Kündigungsempfänger müsse erkennen können, wann das Arbeitsverhältnis endet. Allerdings, so das BAG, ist ein Hinweis auf die gesetzlichen Fristen ausreichend, wenn der Arbeitnehmer hierdurch "unschwer auf das Ende seines Arbeitsverhältnisses schließen kann". Folgende Formulierung ist also rechtlich nicht zu beanstanden: "Hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum nächstmöglichen Termin. Die Kündigungsfrist ergibt sich aus dem Gesetz" oder, falls ein Tarifvertrag anzuwenden ist, "Die Kündigungsfrist ergibt sich aus dem Manteltarifvertrag ..." (der Tarifvertrag ist genau zu bezeichnen).Verzicht auf UrlaubsabgeltungArbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarten in einem Aufhebungsvertrag, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung des Arbeitgebers unter Beachtung der ordentlichen Kündigungsfrist aufgelöst wird, der Arbeitnehmer eine angemessene Abfindung erhält und "mit Erfüllung des Vergleichs wechselseitig alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt und gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt" sind. Später verlangte der Arbeitnehmer von seinem vormaligen Arbeitgeber die Abgeltung restlich noch bestehenden Urlaubs, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden konnte. Es kam zum Prozess. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hatte dem Arbeitnehmer die verlangte Urlaubsabgeltung von über 10.000 Euro zugestanden. Das BAG (Urteil vom 14.05.2013 - Az 9 AZR 844/11) hob das Urteil des LAG auf und wies die Klage mit folgender Begründung ab: Zwar kann von § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), wonach der Urlaub abzugelten ist, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Jedoch verhindert diese Regelung nur solche Abreden, die bereits das Entstehen von Urlaubsabgeltungsansprüchen ausschließen. Wenn der Arbeitnehmer allerdings die Möglichkeit hatte, Urlaubsabgeltung in Anspruch zu nehmen, und sieht er davon ab, steht einem Verzicht des Arbeitnehmers auf eine (vormals entstandene) Urlaubsabgeltung nichts entgegen. Fazit: Allein aus diesem Grunde sollte aus Arbeitgebersicht jede Vereinbarung über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses eine Abgeltungsklausel enthalten.Ausschlussklausel für VorsatzhaftungArbeitgeber und Arbeitnehmerin vereinbarten Anfang Februar 2010 die Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses zum Ende Mai 2010. Am 26. März unterrichtete die Arbeitnehmerin den Arbeitgeber darüber, dass sie gegen ihren Vorgesetzten Strafanzeige wegen Beleidigung und sexueller Belästigung gestellt hatte. Am 30. August reichte die Arbeitnehmerin gegen ihren vormaligen Arbeitgeber Klage ein und machte die Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen "Mobbings" geltend. Im schriftlichen Arbeitsvertrag war allerdings vereinbart, dass "alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen", verfallen sollten, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Im folgenden Gerichtsprozess wiesen die beiden ersten Instanzen die Ansprüche der Arbeitnehmerin mit der Begründung ab, dass diese wegen der vorhandenen vertraglichen Regelung verfallen seien. Das BAG (Urteil vom 20.06.2013 - Az 8 AZR 280/12) hob das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück. Nach Auffassung des BAG ist eine zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbarte Ausschlussfrist dahin auszulegen, dass sie nur die von Parteien für regelungsbedürftig gehaltenen Fälle erfassen soll. Anders als bei einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist können die Arbeitsvertragsparteien bei Haftung wegen Vorsatz im Voraus weder eine Verjährungserleichterung vereinbaren (§ 202 Abs. 1 BGB), noch die Haftung wegen Vorsatzes im Voraus erlassen (§ 276 Abs. 3 BGB). Zudem normiert § 104 Abs. 1 SGB VII bei Arbeitsunfällen und Berufsunfähigkeit die ausschließliche Vorsatzhaftung des Arbeitgebers. Bei dieser klaren Gesetzeslage, so der BGH, ist ohne besondere Anzeichen regelmäßig davon auszugehen, dass die Parteien des Arbeitsvertrages mit der Ausschlussklausel nicht auch Fragen der Vorsatzhaftung regeln wollten. Fazit: Eine vertraglich vereinbarte Ausschlussbzw. Verfallklausel betrifft nicht eine Vorsatzhaftung des Arbeitgebers.Dauer der Arbeitszeit ohne ausdrückliche VertragsbestimmungNach dem schriftlichen Arbeitsvertrag musste eine Arbeitnehmerin "auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig werden". Weitere Regelungen zur Arbeitszeit enthielt der Vertrag nicht. Die Arbeitnehmerin war der Ansicht, sie müsse weder an bestimmten Tagen noch zu bestimmten Zeiten im Betrieb sein. Ihre Arbeit sei nicht in Zeiteinheiten zu messen. Sie erfülle ihre Arbeitspflicht bereits dann, wenn sie die ihr vom Arbeitgeber übertragenen Aufgaben erledige. Seit Oktober 2010 forderte der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin auf, eine tägliche Arbeitszeit von mindestens 7,6 Stunden bzw. die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden einzuhalten. Wegen Nichtbeachtung dieser betriebsüblichen Arbeitszeit hatte die Arbeitnehmerin bis Herbst 2010 nahezu 700 Minusstunden angesammelt. Nachdem die Arbeitnehmerin den Vorgaben des Arbeitgebers nicht nachkam, kürzte dieser das Gehalt der Arbeitnehmerin um ca. 7.000 Euro brutto. Die Arbeitnehmerin war der Ansicht, dass der Arbeitgeber das volle Gehalt unabhängig von der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden zu zahlen habe, weil der Arbeitsvertrag keine ausdrückliche Dauer der Arbeitszeit enthielt. Die Klage blieb durch alle Instanzen erfolglos. Das BAG (Urteil vom 15.05.2013 - Az 10 AZR 325/12) entschied, dass die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart gilt, wenn in einem Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit nicht ausdrücklich geregelt ist. Fazit: Die betriebsübliche Arbeitszeit gilt als das Maß der zu leistenden Arbeit, sofern nicht eine ausdrückliche Vereinbarung hiervon abweicht. Der Arbeitgeber ist also nicht verpflichtet, Vergütung für solche Zeiten zu leisten, in denen ein Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat.Kurzfassung1. Eine Kündigung muss bestimmt und unmissverständlich abgefasst sein. Nicht zu beanstanden ist eine Kündigung "zum nächstmöglichen Zeitpunkt", wenn gleichzeitig ein Hinweis auf das Gesetz oder einen Tarifvertrag erfolgt und der Arbeitnehmer selbst berechnen kann, wann das Arbeitsverhältnis endet.2. Eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die bereits das Entstehen von Urlaubsabgeltungsansprüchen ausschließt, ist unwirksam. Zulässig ist allerdings eine Vereinbarung, mit welcher ein Arbeitnehmer auf bereits entstandene Urlaubsabgeltungsansprüche verzichtet.3. Eine vertragliche Vereinbarung, nach der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Frist verfallen, kann sich nicht auf eine Vorsatzhaftung des Arbeitgebers beziehen, diese ist nicht ausschließbar.4. Ist im Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit nicht ausdrücklich geregelt, so gilt die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart.KommentarNicht nur im Vertragsverhältnis zum Kunden, sondern auch im Vertragsverhältnis zum Arbeitnehmer gilt: Wer schreibt, der bleibt! Das finanzielle Risiko einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung mit einem Arbeitnehmer ist im Einzelfall enorm. Es sollte daher besondere Sorgfalt auf die Formulierung von Vereinbarungen mit dem Arbeitnehmer gelegt werden. Diese Sorgfalt ist in der Praxis leider allzu oft zu vermissen - mit entsprechend kostenintensiven Folgen.Rainer Bopp Fachanwalt für Arbeitsrecht

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