Ausgabe 18/2012: Noch wenig Erhellung

Noch wenig ErhellungGVO – EU-Kommission veröffentlicht einen Antwortenkatalog zu häufig gestellten Fragen – und enttäuscht. Autohaus-Juristen Rechtsanwälte G. Haug & PartnerAm 27. 8. 2012 veröffentlichte die EU-Kommission einen Katalog von Antworten auf 18 Fragen zur Erläuterung des Verständnisses der Kommission, wie die Bestimmungen der seit 1. 6. 2010 geltenden Kfz-GVO Nr. 461/2010 und die hierzu herausgegebenen Leitlinien in dringlich interessierenden Bereichen angewendet werden sollten. Betont wird, dass es sich um eine nicht rechtsverbindliche Orientierungshilfe ohne Vorgriff auf Beurteilungen im konkreten Einzelfall handeln soll.HintergrundWettbewerbsbeschränkungen durch Kartellabsprachen widersprechen unserer Marktordnung. Verboten sind Absprachen der Marktteilnehmer, „die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken“. Von diesem Verbot ausgenommen sind im notwendigen Minimalrahmen nur solche Absprachen, die für den Verbraucher einen gewissen Nutzen erwarten lassen, ohne den Wettbewerb auszuschalten.Diese Grundsätze gelten weitgehend inhaltsgleich und abgestimmt nach dem deutschen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und den kartellrechtlichen Bestimmungen im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Gemäß Art. 101 AEUV sind dementsprechend Verträge und Vereinbarungen unwirksam, wenn sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten erschweren und Wettbewerbsbeeinträchtigungen innerhalb des Binnenmarktes bewirken können. Sind die Ausnahmevoraussetzungen gegeben, muss auf EU-Ebene die Verbotsvorschrift für die betroffenen Vereinbarungen konkret für nicht anwendbar erklärt werden. Für die Vertriebsverträge der Kraftfahrzeugbranche ist dies ab 1974 auf Einzelanträge und seit 1985 mit den jeweils geltenden Gruppenfreistellungsverordnungen einheitlich erfolgt.Die von den Herstellern mit ihren Verträgen zu erfüllenden Befreiungsvoraussetzungen werden in den Freistellungsverordnungen jeweils nach den von der EU-Kommission gesehenen Notwendigkeiten neu festgelegt. Im Idealfall sollten diese Verordnungen aus sich selbst heraus verständlich sein. Zu dem relativ bescheidenen Regelungsumfang der neuen Kfz-GVO vom 27. 5. 2010 erklären sich die Leitlinien mit insgesamt 71 Randziffern und nunmehr der Antwortenkatalog in 18 Punkten u. a. auch zu den Leitlinien.Einschränkung der GarantieUnter dem Gesichtspunkt des erwünschten Wettbewerbs mit freien Werkstätten und Anbietern von Ersatzteilen zum Nutzen der Verbraucher soll jedenfalls Folgendes gelten:Für den Bereich der Garantie (wiederum falsch mit „Gewährleistung“ bezeichnet) sieht die Kommission einen Verstoß gegen das Verbot, die Erbringung von Garantieleistungen von der Ausführung der vorangehenden Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten durch Vertragswerksstätten oder von der Verwendung bestimmter Ersatzteile (auch Schmieröl) abhängig zu machen, auch dann erfüllt, wenn sich entsprechende Beschränkungen in Garantiebedingungen außerhalb des Kaufvertrages (z. B. im Serviceheft) finden. Das Verbot soll auch für erweiterte Garantiezusagen gelten, die im zeitlichen Zusammenhang mit dem Fahrzeugkauf erfolgen, auch wenn sie über einen Versicherer gewährt werden.Die Inanspruchnahme der Garantie darf nicht erschwert werden, wenn der Kunde das Fahrzeug im EU-Ausland erworben hat. Der Umfang der Garantieleistung kann sich aber nach dem Land des Erwerbes bestimmen, da die Kalkulation des dortigen Verkaufspreises abweichende Leistungen beinhalten kann.Mit den Hersteller verbundene Leasingunternehmen können unter dem Gesichtspunkt des Restwertinteresses die Durchführung der Wartungen (und wohl auch der nicht erwähnten Instandsetzungen) in Vertragswerksstätten unter Verwendung von Ersatzteilen des Herstellers verlangen, sofern während der Vertragslaufzeit die Übernahme des Fahrzeuges durch den Leasingnehmer nicht feststeht.Ersatzteile, Werkzeug, InformationMacht ein Hersteller die Gewährung von Prämien oder Rabatten für den Bezug von Originalteilen davon abhängig, dass die Werkstätte auch Ersatzteile für Fahrzeuge anderer Fabrikate über ihn bezieht, kann dies außerhalb der Regelungen der Kfz-GVO wegen der marktbeherrschenden Stellung des Herstellers einen Verstoß gegen das Missbrauchsverbot des § 102 AEUV darstellen. Die Verpflichtung zur getrennten Lagerung von Ersatzteilen anderer Marken ist zulässig, wenn damit für die Werkstätte kein unangemessener Mehraufwand verbunden ist und die Führung anderer Ersatzteilmarken nicht durch die auferlegten Erschwernisse verhindert wird. Verboten sind vertragliche oder anderweitige Beschränkungen, Originalteile direkt oder über unabhängige Vermittler an freie Werkstätten verkaufen zu dürfen. Unabhängig davon ist die einzelne Werkstätte jedoch nicht verpflichtet, solche Verkäufe zu tätigen. Wird den freien Werkstätten der Erwerb von Originalteilen wegen fehlender Lieferbereitschaft der Kollegen wesentlich erschwert, kann der Fahrzeughersteller zur Lieferung verpflichtet sein.Der Hersteller darf den Vertragswerkstätten vorschreiben, bestimmte Werkzeuge und Ausrüstungen für Diagnose-, Instandsetzungs- und Servicearbeiten zu benutzen, auch wenn gleichwertige Ausrüstungen anderer Anbieter zur Verfügung stehen. Der Hersteller seinerseits ist nicht verpflichtet, Werkzeugherstellern technische Informationen zur Verfügung zu stellen, damit diese beispielsweise Diagnosegeräte für verschiedene Fahrzeugmarken produzieren können.Das Verbot, freien Werkstätten den Zugang zu technischen Informationen zu verweigern, gilt auch für die Einsicht und Fortschreibung der Wartungshistorie, soweit diese nicht anderweitig verfügbar ist. In besonders sicherheitsrelevanten Bereichen (z. B. modelltypisches Hochspannungssystem; Tausch von Karosserieteilen aus Kohlenstoff-Verbundwerkstoffen) sind Beschränkungen zulässig, wenn die Interessen des Herstellers nicht mit milderen Mitteln (z. B. durch das Angebot von Schulungen) gewahrt werden können.Der Hersteller darf im qualitativ selektiven System die Vergabe eines Servicevertrages nicht verweigern, weil der Bewerber bereits Vertragswerksstätte eines anderen Herstellers ist. Die Reparatur ausschließlich von Fahrzeugen der eigenen Marke ist kein taugliches Kriterium zur Bestimmung der Qualifikation. Gleichwohl gibt die GVO dem Bewerber keine taugliche Anspruchsgrundlage, den Abschluss eines Servicevertrages durchzusetzen (siehe Kommentar).Die aktuell weiteren Erklärungsversuche enttäuschen bei näherer Betrachtung bereits mangels zu erwartender Präzision. Zweifel dürfen auch bestehen, ob mit dem Fragenkatalog wirklich die brennenden Probleme behandelt werden. ■Rechtsanwalt Robert Glockerkanzlei@raehaug-partner.deKurzfassung1. Grundlage auch der aktuell geltenden Freistellungsverordnungen ist das EU-Kartellrecht. Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union erfordert für Ausnahmen vom Verbot der Beschränkung des zwischenstaatlichen Handels die explizite Erklärung, dass die Verbote auf die betroffenen Herstellerverträge für Handel und Service nicht anwendbar sind.2. Die von der EU-Kommission vorgestellten Fragen betreffen sechs verschiedene Punkte im Werkstattbereich, schwerpunktmäßig die Garantiemodalitäten, Ersatzteile und technische Informationen.3. Die Antworten lassen teilweise die zu erwartende Präzision vermissen und bieten wenig neue Erkenntnisse.Kommentar< Die praktische Bedeutung der GVO liegt für die Vertragshändler und -werkstätten in der Aufrechterhaltung der selektiven Vertriebssysteme. Darüber hinaus ist sie ein stumpfes Schwert. Ihre Wirkung erschöpft sich darin, dass die Hersteller die Gestaltung ihrer Händlerverträge regelmäßig nach dem Günstigkeitsprinzip an der Grenze der Möglichkeiten anpassen, welche ihnen die aktuell geltende GVO einräumt. Forderungen lassen sich für die Vertragspartner der Hersteller aus den Freistellungsverordnungen nicht ableiten, nicht einmal auf Erfüllung der erforderlichen Freistellungsvoraussetzungen. Dies hat der BGH mit Urteil vom 28. 6. 2005 (K ZR 26/04) zur gleichen Rechtslage unter der GVO 1400/2002 klargestellt. Wenn es also bspw. um die Zulassung als Vertragswerkstatt geht, bleibt nur der Weg über das nationale Kartellrecht, den aber der BGH mit seinem MAN-Urteil vom 30. 3. 2011 (K ZR 6/09) gleichfalls versauert hat.Verstößt der Hersteller gegen die Freistellungsvoraussetzungen, kann sich der Vertragspartner allenfalls auf die Unwirksamkeit seines Vertrages berufen oder sich wegen Abhilfe mit einer Anzeige an die Aufsichtsstellen wenden. Damit dürfte aber in den wenigsten Fällen wirklich geholfen sein, und schon gar nicht in einem zeitlich vertretbaren Rahmen. >

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