Ausgabe 19/2013: Nur wer gestaltet, gewinnt

Wie wir berichtet hatten, gab es im Schenkung-/Erbschaftsteuerrecht eine relativ einfache Steuersparempfehlung, nämlich durch Schaffung von betrieblichen "Cash"-Gesellschaften, die anschließend steuerfrei verschenkt werden konnten. Jedenfalls war das beliebige Anhäufen von Liquidität in produktiven Unternehmen immer sogenanntes "begünstigtes Vermögen". Nach mehreren gescheiterten Versuchen wurde diese bisherige Gesetzeslage nunmehr mit Wirkung zum 07.06.2013 geändert. Die Steuerspargestaltung über Cash-Gesellschaften sollte damit beseitigt werden.Änderung mit FallstrickenUm diese beliebige Begünstigung von "Cash" in einem betrieblichen Gesellschaftsmantel zu verhindern, wurde mit dem Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz neu geregelt, dass auch zum nicht begünstigten, also sog. "schädlichen" Verwaltungsvermögen gehört: "Der gemeine Wert des nach Abzug des gemeinen Werts der Schulden verbleibenden Bestands an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und anderen Forderungen, soweit er 20 Prozent des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens, des Betriebs oder der Gesellschaft übersteigt". Mit anderen Worten, es können Cash-Mittel in Höhe der gesamten Schulden eines Unternehmens begünstigt sein, darüber hinaus noch weitere 20 Prozent des gesamten Unternehmenswertes. Dazu gibt es im Detail viele streitbare Fragen: Was ist z. B. mit dem Schuldposten "Drohverluste" oder auch mit "Pensionsrückstellungen"? Trotzdem kann man die neue Systematik auch anhand eines Beispiels gut erläutern:Der einfache FallDie Bilanz eines Autohausunternehmens besteht aus:Wird nun eine private Vermietungsimmobilie im Wert von 7 Mio. verkauft und der Erlös cash einbezahlt, so steigt der Wert des Unternehmens von angenommenen 3 Mio. (= EK vor Einlage) auf dann 10 Mio. Wird das Unternehmen nun verschenkt, ist der Cash-Betrag von 7 Mio. zuerst mit den Schulden von 5 Mio. zu "verrechnen", und nachdem der verbleibende Betrag von 2 Mio. nicht mehr als 20 Prozent des Unternehmenswertes beträgt, sind die mitverschenkten 7 Mio. "begünstigtes" Betriebsvermögen. In diesem Fall (kein schädliches Vermögen im Betrieb!) ist die Steuerbegünstigung zu 100 Prozent möglich. Selbstverständlich müssen die anderen Bedingungen für die Steuerfreiheit eingehalten werden - insbesondere Behaltensfristen u. a. Festzuhalten bleibt, dass ein Nettowert von 10 Mio. steuerfrei übertragen werden kann.Unglückliche AlternativeDas im Zentrum befindliche Autohaus - Wert 3 Mio. - wird fremdvermietet und ein Neubau errichtet. Dieser kostet 4 Mio. und ist fremdfinanziert. Das Bilanzbild stellt sich vereinfacht nun so dar:Der daraufhin durch Erbschaft eintretende Steuerfall ist im Vergleich zum ersten Beispiel dramatisch: Dem Wert des Unternehmens von nur 3 Mio. stehen schädliches Verwaltungsvermögen von 3 Mio. in Form der vermieteten Immobilie gegenüber, so dass die Verwaltungsvermögensquote über 50 Prozent beträgt und damit jegliche Vergünstigung für Betriebsvermögen entfällt! Auch wenn die alte Immobilie später verkauft werden sollte, um Darlehen zu tilgen: Solange der Kaufpreis nicht als cash zu aktivieren ist, bleibt es bei 3 Mio. schädlichem Vermögen - Pech gehabt? Als Resultat bleibt festzustellen: Im Gegensatz zum ersten Fall, bei dem "künstlich" noch Betriebsvermögen um 7 Mio. erweitert wird und somit 10 Mio. steuerfrei verschenkt werden können, sind die nur übergehenden 3 Mio. bei der unglücklichen Variante voll steuerpflichtig, abgesehen von noch zur Verfügung stehenden Freibeträgen (z. B. Ehegatten 500 TEUR und Kinder je 400 TEUR).Gesetzlicher SystemfehlerWenn man überhaupt davon ausgeht, dass der Gesetzgeber befugt ist, bei Schaffung einer Schenkung- und Erbschaftsteuer betriebliches Vermögen zu begünstigen, dann ist der vorliegende Fall ein Musterbeispiel dafür, dass es nach jetziger Rechtslage zum einen willkürlich ist, wann und wie es sich um Betriebsvermögen handelt, zum anderen gerade bei Todesfällen von Zufällen abhängig ist, wie gerade die Cash-Situation oder geplante Gestaltungen durch Zeitablauf noch nicht oder schon begünstigt sind. Dies ist aber mit Artikel 3 Grundgesetz, der von Steuergesetzen eine Belastungsgleichheit von vergleichbaren Steuerfällen verlangt, kaum vereinbar. Im Übrigen enthält das Gesetz auch noch weitere Steuerfreistellungen, die sogar Gesellschaften mit zu 100 Prozent fremdvermietetem Betriebsvermögen voll von der Besteuerung ausnehmen. Aber gerade solche Gestaltungsmöglichkeiten, die je mehr disponibles Vermögen vorhanden ist, je leichter umgesetzt werden können sind kaum mit Sinn und Zweck eines Schenkung- und Erbschaftsteuerrechtes vereinbar, das bestimmte Vermögensübergänge zwischen verschiedenen Personen einer gleichmäßigen Besteuerung unterziehen sollte. Für uns steht daher fest, dass die neuerlichen Änderungen des Schenkung- und Erbschaftsteuerrechtes die Grundproblematik verfassungsrechtlich nicht verbessert haben. Vielmehr ist es jetzt nur noch komplizierter geworden, sich nicht in steuerliche Fallstricke zu verwickeln, sondern gezielt dem Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht ein Schnippchen zu schlagen. Und eines ist jedenfalls sicher: Gezielte Steuerspargestaltungen sind nur durch Schenkungen optimal zu erreichen, plötzliche Todesfälle zu einem ungünstigen Zeitpunkt sind kaum steuerbar.KommentarDie jüngst vom Gesetzgeber "abgeschafften" Steuergestaltungsmodelle weisen weiterhin Besteuerungslücken auf wie ein weit geöffnetes Scheunentor, das zum Einfahren der Ernte (steuerfreie Vermögensübertragung) geradezu einlädt. Weiterhin können durch diesen Gestaltungsspielraum, der gerade bei größerem Vermögen tendenziell leichter besteht, Millionenvermögen völlig steuerfrei oder zumindest mit der 85%igen Steuerbefreiung mit (auch künstlich geschaffenem) Betriebsvermögen geschenkt oder vererbt werden. Da aber plötzliche Todesfälle einer geplanten Gestaltung ein jähes Ende setzen können, bleibt die verfassungswidrige Erbschaftsbesteuerung weiterhin bestehen, denn die Höhe der Steuer ist mehr von reinen Zufällen abhängig, statt auf einer gleichmäßigen Besteuerung unentgeltlich übergehenden Vermögens zu beruhen.So kann man die Änderungen, die neuerlich durch den Gesetzgeber erfolgt sind, nur als "Verschlimmbesserungen" bezeichnen. Die auch vom höchsten deutschen Finanzgericht, dem Bundesfinanzhof, dargestellte Verfassungswidrigkeit des Gesetzes ist somit praktisch in keiner Weise geheilt worden. Das seinerzeit unter dem Bundesfinanzminister Steinbrück eingeführte neue Erbschaftsteuerrecht bleibt weiterhin eines der verfassungswidrigsten Steuergesetze. Damit aber stellen sich die Politiker aller Parteien, die im Vermittlungsausschuss dieser Gesetzesänderung Gesetzeskraft verliehen haben, ein schlechtes Zeugnis aus.Walter Bley Wirtschaftsprüfer, Steuerberater www.raw-partner.deKurzfassung1. Die seit 07.06.2013 geltende neue Regelung zu "Cash" als begünstigtes oder schädliches Betriebsvermögen führt zu willkürlichen Ergebnissen.2. Es können weiterhin Millionenvermögen völlig steuerfrei übertragen werden.3. Die "Cash"-Gesellschaft ist zwar tot - aber die Cash-Gestaltung lebt weiter!!

Ausgabe 19/2013: Nur wer gestaltet, gewinnt

MEISTGELESEN

Weltpremiere des Audi Q3 Sportback: Schnittiger Doppelgänger

Renault-Handel: Die Richtung stimmt

"Multi Energy"-Strategie: Opel verschiebt Elektro-Wende

STELLENANGEBOTE

Werkstattleiter (m/w/d)

Kfz.-Servicetechniker (m/w/d)

Kfz-Bewerter (m/w/d)

Service Manager/Serviceleiter/Leiter After Sales (m/w/d)

Großkunden/Fleet-Verkäufer (m/w/d) für unsere Marke Volvo

NEWSLETTER