Ausgabe 08/2013: Perfektion gefragt

Perfektion gefragtNachbesserung – Der Bundesgerichtshof befasste sich in einem Urteil mit dem erforderlichen Auslieferungszustand eines Neufahrzeuges.autohaus-juristen Rechtsanwälte G. Haug & PartnerEs kommt leider immer wieder vor, dass vom Hersteller Neuwagen mit kleineren oder auch deutlicheren Transportschäden angeliefert werden. Auch im Autohaus erleiden Neufahrzeuge zwischen der Anlieferung und der Auslieferung an den Kunden mitunter kleinere Beschädigungen, z. B. beim Rangieren. In der Regel werden die Beulen und Kratzer ohne viel Aufhebens beseitigt, ohne dass der Kunde hiervon überhaupt etwas er-fährt. Mit Urteil vom 06.02.2013 – Az: VIII ZR 374/11 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) unter anderem darüber entschieden, welche Anforderungen an eine solche Instandsetzung zu stellen sind. Der FallEin Käufer bestellte im November 2009 bei einem BMW Vertragshändler einen BMW 320d als Neuwagen zum Preis von 39.000 Euro und leistete eine Anzahlung von 10.000 Euro. Am 29. Dezember 2009 scheiterte die Fahrzeugübergabe, weil der Kunde wegen diverser Beschädigungen des Fahrzeugs die Entgegennahme verweigerte. Der Käufer ließ ein privates Sachverständigengutachten erstellen. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass die hintere linke Seitenwand im Radbogenbereich verformt, die Stoßstange im hinteren linken Flankenbereich angeschlagen sowie Motorhaube und Kofferraumdeckel an der Lackoberfläche milchig blass waren. Der vom Käufer beauftragte Anwalt setzte dem Händler eine Frist zur Nachbesserung. Im Nachbesserungsverlangen wurde auf die Fabrikneuheit des Fahrzeugs ausdrücklich Bezug genommen und das Erfordernis einer „Makellosigkeit“ der Lackierung im Rahmen der Nachbesserung eigens hervorgehoben. Der Händler führte die Nachbesserung durch und bot dem Käufer das Fahrzeug am 14. Januar 2010 zum zweiten Mal zur Übergabe an. Unter Bezugnahme auf ein weiteres Gutachten, das die Nachbesserung für nicht ordnungsgemäß erachtete, lehnte der Käufer die Annahme des Fahrzeuges erneut ab. Daraufhin holte der Händler ein eigenes privates Sachverständigengutachten ein. Hiernach war das Fahrzeug nach der Nachbesserung mängelfrei, eine weitere Nachbesserung wurde vom Händler abgelehnt. Daraufhin erklärte der Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte dessen Rückabwicklung. Das Autohaus lehnte ab, so dass es zum Prozess kam. Das erstinstanzliche Urteil erging zugunsten des Klägers. Der Händler legte Berufung zum zuständigen Oberlandesgericht (OLG) ein.Urteil des OLGDas OLG hob das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts auf und wies die Klage des Käufers ab. Beim ersten Übergabeversuch sei das Fahrzeug zwar – so das OLG – allein schon wegen der Beschädigung im hinteren linken Seitenwandbereich mangelhaft gewesen. Der Käufer eines Neufahrzeuges könne nämlich ein völlig unbenutztes und unbeschädigtes Fahrzeug erwarten, sodass jede nicht ganz unerhebliche Beschädigung, wie sie am Radlauf vorhanden war, einen Mangel darstelle, der die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit der Fabrikneuheit aufhebe. Es habe sich jedoch eine Änderung der Situation dadurch ergeben, dass der Käufer Nachbesserung verlangte. Schließlich habe er selbst zur Nacherfüllung aufgefordert und hierbei über den Umfang der erforderlichen Nachbesserungsarbeiten auch Kenntnis gehabt. Er könne deshalb nicht nachträglich geltend machen, dass die von ihm verlangte Instandsetzung die Neuwagenqualität beseitigt habe.Im Verlauf des Prozesses wurde ein Sachverständigengutachten über die Qualität der Nachbesserungsarbeiten eingeholt. Das Gutachten kam zum Ergebnis, dass zwar im Reparaturbereich Hologrammerscheinungen, Oberflächenunregelmäßigkeiten und eine Lackkante vorhanden waren, der Schaden aber dennoch im Grundsatz sach- und fachgerecht behoben worden sei. Allerdings brachte das Gutachten auch zum Ausdruck, dass die Reparatur in ihrer handwerklichen Ausführung hinter dem technisch erreichbaren Reparaturerfolg zurückblieb und dementsprechend eine perfekte Reparatur nicht vorlag. Das OLG ging deshalb anhand des Gutachtens davon aus, dass das Fahrzeug auch nach der Nachbesserung noch mangelhaft war. Die Rückabwicklung des Kaufvertrages war nach Auffassung des OLG dem Käufer dennoch nicht zuzugestehen, da die mangelhafte Nachbesserung als „unerhebliche Pflichtverletzung“ im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB anzusehen sei. Zwar würden die Kosten einer perfekten Nachbesserung 2.000 bis 3.000 Euro betragen, allerdings seien sämtliche Mängel lediglich optischer Natur und auch für den sorgfältigen Betrachter kaum wahrnehmbar. Das OLG erachtete die vorhandenen Mängel „bei einer Gesamtbetrachtung nicht als derart unzuträglich, dass sie eine Rücktrittsreife begründen können“. Der Käufer legte Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) ein.Urteil des BGHDer BGH hob das Urteil des OLG auf. Nach Auffassung des BGH steht es einem Käufer zwar (selbstverständlich) frei, Nachbesserung auch dann zu verlangen, wenn die Behebung eines Mangels nicht vollständig möglich ist und er bereit ist, sich mit einem instandgesetzten Zustand der Sache zu begnügen. Dass der Käufer bei Stellung eines Nachbesserungsverlangens aber automatisch einverstanden sein soll, einen Nachbesserungserfolg unterhalb des technisch Möglichen zu akzeptieren, kann nicht ohne weiteres angenommen werden. Schließlich beinhaltet dies einen Rechtsverzicht. Für einen solchen Verzicht bedarf es eindeutiger Anhaltspunkte, die im konkreten Fall jedoch nicht vorlagen. Im Gegenteil: Der Käufer hatte ausdrücklich mit dem Nachbesserungsverlangen verbunden, dass die Instandsetzung „makellos“ zu sein hatte. Der BGH führt in seiner Entscheidung im Weiteren aus, dass das Fahrzeug zu keinem Zeitpunkt – auch nicht nach der Nachbesserung – als „fabrikneu“ angeboten wurde und insofern ein Sachmangel hinsichtlich der Beschaffenheit „Fabrikneuheit“ anzunehmen war. Dieser Sachmangel war auch nicht etwa unerheblich. Schließlich, so der BGH, sind für einen Käufer auch optische Gesichtspunkte ein Kriterium für eine Kaufentscheidung, insbesondere eine verarbeitungstechnische Makellosigkeit der Karosserie. Deshalb kommt einem solchen technischen Zustand zugleich eine wirtschaftliche Bedeutung zu, weil Fahrzeuge, die den Karosseriestandard eines Neuwagens eben nicht mehr aufweisen, üblicherweise mit Preisabschlägen gehandelt werden, da sie in der Wertschätzung des Verkehrs nur noch zweite Wahl sind. Das Urteil des OLG konnte somit keinen Bestand haben. Konsequenz: Transportschäden oder Ähnliches sind vor Auslieferung des Fahrzeugs an den Käufer so perfekt zu reparieren, dass das Fahrzeug insgesamt dem Auslieferungsstandard des Herstellerwerkes entspricht. Rechtsanwalt Rainer Boppkanzlei@raehaug-partner.deKurzfassung1. Ein Neuwagenkäufer, der die Entgegennahme des ihm angebotenen Fahrzeuges wegen vorhandener Karosserie- und Lackmängel ablehnt und deren Beseitigung verlangt, verliert hierdurch nicht den Anspruch darauf, dass das Fahrzeug technisch und optisch in einen Zustand versetzt wird, der der beim Neuwagenkauf konkludent vereinbarten Beschaffenheit „fabrikneu“ entspricht (Leitsatz des BGH).2. Nachbesserungen an Neufahrzeugen haben im Rahmen des technisch Machbaren „perfekt“ zu sein.Kommentar< Der BGH hat mit der aktuellen besprochenen Entscheidung vom 6. Februar 2013 ein weiteres Mal die Käuferrechte gestärkt. Der vorliegende Fall scheint dem BGH besonders am Herzen gelegen zu haben, denn: In dieser Entscheidung begnügt er sich nicht lediglich damit, in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht entsprechende sachliche Überlegungen anzustellen. Der BGH führt aus, dass das Nachbesserungsverlangen des Käufers in der Auslegung des Berufungsge-richts „dem üblichen Bedeutungsgehalt eines Nachbesserungsverlangens nicht gerecht wird“. Dies hört sich zwar harmlos an, beinhaltet jedoch im Kontext des weiteren Entscheidungstextes, dass das OLG nach Auffassung des BGH gegen einfache logische Denkgesetze verstoßen hat. Jedenfalls stellt der BGH klar, dass ein „fabrikneues“ Fahrzeug bei Auslieferung an den Kunden auch tatsächlich „fabrikneu“ zu sein hat. >

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