Ausgabe 05/2010: Praxistest

PraxistestAGENDA Automobilhandel 2010 E Die maßgeblichen To Do‘s für Autohaus-Unternehmer im kritischen Branchenjahr 2010. Teil 3: Die Unternehmensentwicklung proaktiv vorantreiben. Von Walter MissingIn Krisenzeiten sind zuallererst die Chefs gefordert. Sie müssen die Lage des Unternehmens ehrlich darstellen und Antworten auf die zentralen Fragen geben: Wo stehen wir? Warum ist die Situation so, wie sie ist? Was bedeutet sie für Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter? Und vor allem: Was wollen und werden wir konkret unternehmen?Grundsätzlich gilt: Unternehmer und Geschäftsführer müssen gerade in kritischen Branchen- und Unternehmenssituationen das Gesetz des Handelns unmittelbar in die Hand nehmen. Geschäftliche Entwicklungen dürfen zu keinem Zeitpunkt als unabwendbar hingenommen, sondern müssen den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entsprechend geplant und präzise gesteuert werden. Konsequent zu Ende gedacht bedeutet das, dass sich die gesamte Wirtschaft und damit auch die deutschen Automobilhandelsunternehmen in einem fortwährenden Anpassungsprozess befinden und deshalb im Grundsatz einen permanenten Restrukturierungsbedarf aufweisen.Rechtzeitig handeln und gestaltenDoch im Automobilhandel „ereignet sich Geschäft“ noch viel zu oft und ist zu selten das Ergebnis einer klaren Unternehmensstrategie: Welche Ziele verfolgen wir? Was wollen wir bis wann erreichen? Es geht darum, die kurz-, mittel- und langfristigen Ziele zu definieren und im Sinne einer unternehmerischen Agenda die erforderlichen Maßnahmen festzulegen. Die Kernfragen lauten: Was genau ist zu tun? Und: Was werden wir künftig anders, besser, zusätzlich oder auch nicht mehr machen? Wie sehen die einzelnen Schritte aus?Zu diesem konkreten unternehmerischen Gestalten gibt es keine Alternative. Das Aussitzen von Problemen mag in der Politik ein probates Mittel sein – in Unternehmen hingegen ist Aktion oder besser noch Pro-Aktion angesagt. Damit ist gemeint, dass Unternehmer und Geschäftsführung Restrukturierungsprogramme bereits dann auflegen müssen, wenn die Veränderungen in ihrem Markt- und Wettbewerbsumfeld als nachhaltig einzustufen sind. Obwohl sich im Automobilhandel signifikante Krisenzeichen bereits 2007/2008 abzeichneten, ist das viel zu selten geschehen. Sicher vernebelte 2009 die Abwrackprämie den klaren Blick. 2010 jedoch wird voraussichtlich noch schlechter als erwartet. Deshalb sollte spätestens jetzt konsequent gehandelt werden.Restrukturierung: ein PraxisbeispielIm vorliegenden Fall hatten der Unternehmer und seine Geschäftsführung die aufziehenden Krisensymptome bereits 2008 richtig eingeschätzt und ein Restrukturierungsprojekt aufgelegt. Es handelte sich also nicht um einen der typischen Sanierungsfälle, bei dem das Unternehmen seine Handlungsfreiheit eingebüßt und die Banken das Kommando übernommen hatten. Vielmehr wurden die oft zitierten Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt, richtig interpretiert und die relevanten Themen proaktiv in die Hand genommen. Externe BeraterunterstützungWegen der hohen Komplexität des Vorhabens wurde in dem Beispiel eine Beratungsgesellschaft beauftragt, das Projekt zu begleiten und umzusetzen. Bei der Wahl war entscheidend, dass die Berater neben exzellenten Analysefähigkeiten und modernen Methodenkenntnissen ein tief gehendes Branchen-, Sach- und Fach-Know-how mitbringen. Sie sollten mit ihrem neutralen Blick und ihrer Branchen-Expertise externes Wissen in den Restrukturierungsprozess einbringen und helfen, die Grundlagen für eine nachhaltig positive Unternehmensentwicklung zu schaffen. Das dafür ausgegebene Geld erwies sich später als gut investiert und amortisierte sich bereits mit ersten Umsetzungserfolgen um ein Mehrfaches.Projektumfang und -strukturBekanntlich bestehen Autohandelsunternehmen aus einer Vielzahl organisatorischer Einheiten, die nur in ihrem perfekten Zusammenwirken ein zukunftsfähiges Ganzes ergeben. Die Untersuchung der betriebswirtschaftlichen Daten – so unerlässlich sie ist – reicht deshalb nicht aus. Ertragsplanung, Liquiditätsplanung oder Planbilanz als maßgebliche betriebswirtschaftliche Arbeitsumfänge und Ergebnisse runden ein Restrukturierungsprojekt immer nur ab. Die Projektarbeit muss grundsätzlich auf einer umfassenden Analyse des gesamten Unternehmens mit allen seinen Geschäftsfeldern aufsetzen. Bezogen auf das Beispielunternehmen (Umsatz rd. 150 Mio. Euro p.a.) bedeutete das die detaillierte Untersuchung der Leistungs- und der Kostenseite, der Strukturen und der Prozesse für zwei Marken und fünf Betriebe. Eine hochkomplexe Aufgabenstellung, die nur mit einer schlüssigen Projektstruktur und einer Web-basierten Controlling-Plattform bewältigt werden konnte. Entscheidend für den Erfolg war auch die unmittelbare Einbindung der Führungskräfte in die Projektarbeit einschließlich der Übertragung klar definierter Verantwortung für die einzelnen Projektbereiche.Projekterfolg ist in Zahlen messbarDas im Rahmen der durchgeführten Analyse ermittelte Ergebnisverbesserungspotenzial für das Gesamtunternehmen über alle Leistungs- und Kostenbereiche und alle Marken und Betriebe hinweg ist in der Grafik dargestellt. Es summiert sich im zweiten Planjahr auf über 2% vom Umsatz des Unternehmens. Aus Platzgründen können hier nicht alle Einzelergebnisse behandelt werden. Nachfolgend werden deshalb zwei Bereiche mit großer Hebelwirkung für jeden erfolgreichen Turn around herausgegriffen.Praxisbeispiel: Verkauf GWDie Leitung für diesen Projektteil wurde dem Leiter Verkauf Pkw-Gebrauchtwagen übertragen. Mit Unterstützung externer GW-Experten legte er mit einem von ihm ausgewählten Mitarbeiterteam Arbeitspakete fest, in denen die wichtigsten Handlungsfelder gebündelt wurden. Für jedes Arbeitspaket erfolgte eine umfassende Maßnahmenplanung. Dabei wurde jede einzelne Maßnahme in ihrer Auswirkung auf die Kosten- und die Leistungsseite in harten Euro bewertet und festgeschrieben. Für die termingerechte Umsetzung jeder Maßnahme wurden Verantwortliche bestimmt.Eine der zentralen Maßnahmen war die Einführung eines aktiven Standzeitenmanagements, der wiederum verschiedenste Detailmaßnahmen wie die Umsetzung der 30-60-90-Tage-Strategie, die Begrenzung der Standzeiten der Fahrzeuge in verschiedenen Kategorien oder die Reduzierung der Standzeit Null zugrunde gelegt wurden. Innerhalb von nur vier Monaten gelang es im Wesentlichen mit diesen Maßnahmen, die Bestandsstruktur radikal zu verändern, und zwar ohne die Fahrzeuge zu verramschen. Durch die klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten und neue Prämiensysteme wurden Management-Attention und Verkäufersensibilität für diese Fahrzeuge gezielt erhöht. Arbeitspakete After SalesIm After Sales wurden drei Arbeitspakete in den Bereichen Service, Organisation/Logistik und Service-Marketing definiert, aus denen analog dem Vorgehen im GW-Bereich umfangreiche Maßnahmenpläne resultierten. Ganz oben stand dabei die Festlegung von Sollwerten pro Werkstattdurchgang in Bezug auf Erlöse, Kosten und Erträge. Sie wurden in griffigen Zahlen so vereinfacht und so plastisch dargestellt, dass sie jeder Mitarbeiter bis hin zu den Monteuren und Lageristen nachvollziehen konnte. Über diesen Weg wurde als verbindliches Ziel eine mindestens 10%ige Erlösrendite sowohl im Lohn- als auch im Teilebereich aus den definierten Sollwerten festgelegt und durch entsprechende Maßnahmen abgesichert und später auch realisiert.Bestände und Working CapitalDas Unternehmen aus dem Praxisbeispiel hatte zu Beginn des Restrukturierungsprojekts sechs Bankenpartner einschließlich der Herstellerbank und verfügte über Kreditlinien von insgesamt 30 Mio. Euro. Innerhalb eines Dreivierteljahres konnten die Linien aufgrund präzisen Liquiditätsmanagements und konsequenter Reduzierung des Working Capital (Bestände Fahrzeuge/Teile plus Forderungen abzüglich kurzfristige Verbindlichkeiten) auf 18 Mio. Euro zurückgeführt werden. Parallel zu der erheblichen Verringerung des Zinsaufwandes, Verbesserung der Bilanzstruktur und des Ratings wurden die Finanzbeziehungen auf vier Bankenpartner konzentriert.Die Reduzierung der Bestände erfolgte bei den Neu-, Vorführ- und Gebrauchtwagen und vor allem auch bei den Teilen, denen unverändert zu wenig Beachtung geschenkt wird. Es wird den Herstellervorgaben für die Bevorratung gefolgt, anstatt sich kritisch mit Bestandsstrukturen, Warenwerten und Gängigkeiten auseinanderzusetzen. Mit der WAWEG-Methode gibt es ein erprobtes und vom Autor in seiner Beratungspraxis erfolgreich eingesetztes Instrument, mit dem die Lager genau nach diesen Gesichtspunkten analysiert werden können. In den fünf Betrieben des untersuchten Unternehmens belief sich das Bestandsreduzierungspotenzial im Teilebereich auf insgesamt rd. 0,750 Mio. Euro. Es lohnt sich deshalb, in jedem Restrukturierungsprojekt auch diesen Bereich kritisch zu überprüfen. Er eignet sich aber auch bestens für ein isoliertes Projekt, das sich garantiert immer rechnet. zLesen SIe hier...Proaktive Unternehmensentwicklung bedeutet permanente Anpassung des Unternehmens an veränderte Markt- und Branchenbedingungen. Wo dieser Prozess noch nicht sauber etabliert ist, empfiehlt es sich, im Sinne einer Initialzündung ein grundlegendes, d.h. alle Unternehmensbereiche umfassendes Restrukturierungsprojekt aufzulegen – egal ob mit oder ohne die Begleitung externer Berater. Wird das konsequent angegangen und umgesetzt, liegt in den Leistungs- und Kostenbereichen des Unternehmens im Normalfall ein Verbesserungspotenzial von rund 2% des Umsatzes. Über diese SerieAGENDA Automobilhandel 2010 Die maßgeblichen To Do´s für Autohaus-Unternehmer im kritischen Branchenjahr 20101. Teil: Klare Konzepte gegen Bankendruck entwickeln (AUTOHAUS 3/2010)2. Teil: Fokus auf die vorrangigen Managementprozesse richten (AUTOHAUS 4/2010)3. Teil: Unternehmensentwicklung proaktiv vorantreiben (AUTOHAUS 5/2010)4. Teil: Neues Kapitel in den Hersteller-Händler-Beziehungen aufschlagen (AUTOHAUS 6/2010)Wenn Sie Anmerkungen oder Fragen haben, können Sie sich gerne an den Autor und Experten für Sanierungs- und Restrukturierungsarbeit wenden: Walter.Missing@MissingManagement.com oder Tel. 033201 - 43 03 26 / 27 bzw. Mobiltelefon 0175 - 41 88 922.ErgebnisverbesserungspotenzialQuantifizierung in T€lfd. GeschäftsjahrGeschäftsjahr 2010Geschäftsjahr 2011Maßnahme/InhaltBRG-PotenzialeKostenpotenzialeAufwandBRG-PotenzialeKostenpotenzialeAufwandBRG-PotenzialeKostenpotenzialeAufwandSofortmaßnahmen0,0235,00,00,0476,00,00,0654,00,0Maßnahmen kaufmännischer Bereich0,0120,00,00,0236,30,00,0236,30,0Maßnahmen Neuwagen Pkw60,30,050,0241,275,0150,0321,675,0150,0Maßnahmen Neuwagen Nfz70,50,010,0187,10,030,0249,10,030,0Maßnahmen Gebrauchtwagen Pkw36,90,050,0145,345,850,0193,045,80,0Maßnahmen Gebrauchtwagen Nfz41,05,041,5167,022,051,5221,022,051,5Maßnahmen Service: Werkstatt223,033,5173,0559,0157,5218,0880,0157,5218,0Maßnahmen Service: Teiledienst142,70,0169,0259,969,3200,5384,969,3200,5Abfindungen p.a.0,00,00,00,00,0150,00,00,0150,0Summe574,4393,5493,51.559,51.081,9850,02.249,61.259,9800,0

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