Verjährungsfrist: Riskante Untätigkeit

Das Bundesjustizministerium, der Gesetzgeber und der ZDK haben jede taugliche Reaktion auf ein bedrohliches EuGH-Urteil vermissen lassen. Bereits am 13.07.2017 hatte der EuGH auf Vorlage eines belgischen Gerichtes entschieden, dass nationale Vorschriften zur möglichen Verkürzung der Verjährung bei Gebrauchtfahrzeugen auf ein Jahr der EU-Richtlinie zum Verbrauchsgüterkauf (1999/44) widersprechen und damit auch innerstaatlich nicht bindend sind. Das deutsche Recht arbeitet in § 476 BGB mit einer solchen Verkürzung der Verjährung zur Haftungsbeschränkung. In der Reaktion versprachen seinerzeit sowohl das Bundesministerium als auch ZDK und BVfG, sich umgehend des sich für den Gebrauchtwagenhandel ergebenden Problems anzunehmen. Nach nunmehr über zwei Jahren ist festzustellen, dass lediglich der BVfG seine Vertragsgestaltung angepasst hat. Sonst blieb alles beim Alten und über dem Gebrauchtwagenhandel schwebt bei Verwendung der AGB des ZDK oder anderweitiger Verkürzung der Verjährung weiterhin die Gefahr, dass die Verjährung von Sachmängelhaftungsansprüchen in einem Jahr nicht wirksam vereinbart ist. Vor diesem Hintergrund ist dem Gebrauchtwagenhandel die Selbsthilfe zu empfehlen, um den möglichen Schaden zu begrenzen, der mit einer Haftung für zwei Jahre verbunden ist.Der FallMit Urteil vom 13.07.2017 - Aktenzeichen C-133/16 - entschied der EuGH über den Fall eines holländischen Staatsbürgers mit Wohnsitz in Belgien, der sich für 14.000 Euro im September 2010 ein Gebrauchtfahrzeug bei einem Händler gekauft hatte. Die Zulassung des Fahrzeuges wurde ihm allerdings von den Behörden verweigert, weil das Fahrzeug im Schengener Informationssystem (SIS) als gestohlen gemeldet war. Der Händler verweigerte eine Rücknahme und recherchierte, dass nicht das Fahrzeug, sondern lediglich die Papiere gestohlen worden waren, um sie für ein anderweitig gestohlenes Fahrzeug zu verwenden. Im Januar 2011 konnte das Fahrzeug daraufhin dann doch zugelassen werden. Der Kläger verlangte mit einer im März 2012 eingereichten Klage insbesondere Ersatz der ihm entstandenen Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges. Da die vertraglich vereinbarte Haftungspflicht von einem Jahr bei Klageeinreichung bereits abgelaufen war, wollte das belgische Berufungsgericht durch Vorlage beim EuGH klären lassen, ob bei einer solchen Verkürzung der Sachmängelhaftung die Verjährung tatsächlich zwei Jahre beträgt.Die RechtslageDie aktuell noch geltende EU-Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf 1999/44 gibt zur Vereinheitlichung des Verbraucherschutzes in der EU als Mindeststandard eine Haftung des Verkäufers im Verbrauchergeschäft für jede Vertragswidrigkeit der Ware vor, die - so Art. 5 der Richtlinie - "binnen zwei Jahren nach der Lieferung des Verbrauchsgutes offenbar wird". Gemäß Art. 7 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten allerdings bei gebrauchten Waren die Vereinbarung einer verkürzten Haftungsdauer vorsehen, die aber ein Jahr nicht unterschreiten darf. Gilt für die Geltendmachung solcher Ansprüche eine Verjährungsfrist, so darf sie nicht vor Ablauf eines Zeitraums von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Lieferung enden (Art. 5 S. 2 der Richtlinie). Im deutschen Recht findet sich die Umsetzung in § 476 BGB, der bei gebrauchten Waren die Vereinbarung einer verkürzten Verjährungsfrist von einem Jahr ab Übergabe zulässt. Für das Gebrauchtwagengeschäft eine wichtige Regelung, von der ganz überwiegend über AGB Gebrauch gemacht wird.Klare Ansage des EuGHAuf die Anfrage des belgischen Berufungsgerichts erteilt der EuGH nationalen Bestimmungen eine klare Absage, die entgegen Art. 5 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie eine Verkürzung der Verjährung unter die Standardfrist für Sachmängelhaftungsansprüche von zwei Jahren vorsehen. Der EuGH differenziert zwischen "Haftung" und "Verjährung". Art. 7 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie setzt demnach den Erwägungsgrund Nr. 17 der Richtlinie um, der eine Verjährungsfrist von mindestens zwei Jahren ab Lieferung vorgibt. Dementsprechend wird den Mitgliedstaaten lediglich die Möglichkeit gegeben, eine Verkürzung des Haftungszeitraums zuzulassen, nicht aber eine Verkürzung der Verjährung unter zwei Jahren.Dem deutschen Recht ist eine solche Unterscheidung fremd, weshalb mit der optionalen Verjährungsregelung in § 476 BGB die Haftung beschränkt werden sollte. Dem hat der EuGH eine klare Absage erteilt.Auswirkungen in der PraxisEbenso erstaunlich wie erfreulicherweise hat die damit verbundene Problematik auch nach mehr als zwei Jahren bislang kaum auf dem deutschen Prozessalltag durchgeschlagen. Es wäre allerdings ein Leichtes, hier einen großen Stein ins Rollen zu bringen mit der Konsequenz, dass die Kalkulation des Handels im Gebrauchtwagenverkauf das faktisch auf zwei Jahre erweiterten Haftungsrisiko zwingend mit einzubeziehen hätte. Zwar wird es wohl gerade noch möglich sein, § 476 BGB "europarechtskonform" dahingehend auszulegen, dass damit die Haftung auf ein Jahr beschränkt werden soll. Diese Auslegungsmöglichkeiten enden aber im deutschen Recht bei der üblichen Haftungsbeschränkung durch AGB-Regelungen. § 305c BGB verbietet bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen die sogenannte "geltungserhaltende Reduktion". Regelungen in AGB müssen eindeutig sein und können nicht nach dem Günstigkeitsprinzip ausgelegt, d. h. zu Gunsten einer wirksamen Regelung interpretiert werden. Hier liegen der Hase und die lauernde Gefahr begraben. Es wäre wohl ein Leichtes gewesen, kurzfristig eine Änderung des § 476 BGB auf den Weg zu bringen und statt einer Verkürzung der Verjährung eine solche der Haftung zu erlauben. Auch wäre zu erwarten gewesen, dass der ZDK kurzfristig seine weitverbreiteten AGB entsprechend redigiert und statt einer Verkürzung der Verjährung eine Verkürzung der Haftung einpflegt, wie dies der BVfK getan hat. Mit dieser Änderung ist zwar nicht zu verhindern, dass Verbraucher Sachmängelhaftungsansprüche innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren ab Übergabe einklagen können, der drohende Schaden wird aber immerhin erheblich verkürzt auf Mängel, die innerhalb eines Jahres aufgetreten sind.LösungAuch wenn das EU-Parlament zwischenzeitlich Ende März 2019 neue Richtlinien zum Verbraucherschutz COM (2017) 0637 beschlossen hat, ist das Problem noch nicht gelöst. Zum einem ist diese neue Richtlinie noch nicht gültig. Zum anderen wird aber auch hier mit dem Erwägungsgrund Nr. 42 und Art. 10 vorgesehen, dass verkürzende Verjährungsvorschriften die Geltendmachung innerhalb der Mindesthaftungsfrist auftretender Mängel nicht behindern dürfen. Dies wäre bei § 476 BGB weiterhin der Fall, wenn beispielsweise ein Mangel erst am letzten Tag der Jahresfrist auftritt. Auch kann die Umsetzung der neuen Richtlinie in nationales Recht noch weitere zweieinhalb Jahre dauern. Nachdem von außen wenig Lösung angeboten wird, bleibt aktuell nur die Selbsthilfe. Dies ist in Anbetracht ohnehin bereits mit formellen Erfordernissen überfrachteter Kaufverträge zwar keine attraktive Lösung, aber uneingeschränkt empfehlenswert. Unter der Rubrik besondere Vereinbarung oder an anderer geeigneter Stelle sollte in dem Gebrauchtwagenkaufvertrag mit Verbrauchern unbedingt vermerkt werden "Gewährleistung 1 Jahr" oder "Sachmängelhaftung 1 Jahr". Sollte dann die Verjährungsregelung in den AGB angegriffen werden, verbleibt es wenigstens bei der Haftungsbeschränkung für Mängel, die bei Übergabe vorlagen oder veranlagt waren und nachweisbar innerhalb eines Jahres aufgetreten sind. RechtsanwaltKurzfassung1. Nach einem Urteil des EuGH vom Juli 2017 widersprechen nationale Regelungen der Richtlinie für den Verbrauchsgüterkauf 1999/44, wenn sie bei gebrauchten Waren für Sachmängelhaftungsansprüche die Vereinbarung einer kürzeren Verjährung als zwei Jahre zulassen.2. Die im deutschen Recht nach § 476 BGB mögliche Verkürzung der Verjährung im Gebrauchtwagenhandel muss deshalb europarechtskonform so ausgelegt werden, dass lediglich eine Verkürzung der Haftungsfrist vereinbart werden kann. Regelungen in AGB können eine solche Auslegung jedoch nicht erfahren und müssen deshalb als unwirksam betrachtet werden.3. Die damit verbundene Problematik hat auf den Prozessalltag erfreulicherweise auch nach über zwei Jahren noch kaum durchgeschlagen. Hilfe wurde weder vom Gesetzgeber noch vom ZDK angeboten. Auch kommende Regelungen einer neuen EU-Verbrauchsgüterkauf richtlinie werden das Problem voraussichtlich ohne Umsetzung im nationalen Recht nicht lösen. Zur Schadensbegrenzung ist deshalb aktuell weiterhin Selbsthilfe angesagt.KommentarDie aktuell noch geltende EU-Richtlinie für den Verbrauchsgüterkauf stammt aus dem Jahr 1999, die Umsetzung in das deutsche Recht erfolgte mit der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002. Es ist immer wieder erstaunlich, dass Unzulänglichkeiten bei der Umsetzung in nationales Recht erst nach vielen Jahren aufgedeckt werden. Vorliegend hat es 15 Jahre gedauert, bis sich herausstellte, dass der deutsche Gesetzgeber Art. 5 der Richtlinie nicht richtig gelesen hat, als er für gebrauchte Waren eine optional verkürzte Verjährungsfrist in das BGB einführte. Auch als diese Erkenntnis gewonnen war, blieb eine Reaktion aus. Spekuliert wurde wohl auf die Einführung einer neuen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und dort geänderte Regelungen. Diese dürften allerdings ohne Umsetzungsmaßnahmen nicht ausreichen, um die Rechtslage in diesem Punkt zu klären. Der Gebrauchtwagenhandel wird hier seit Juli 2017 im Regen stehen gelassen und trägt das Risiko der Rechtsunsicherheit auf den eigenen Schultern. Mit der kommenden neuen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie droht dem Gebrauchtwagenhandel darüber hinaus aber bereits wieder neues und weiteres Ungemach: Im Verbrauchergeschäft wird die Beweislastumkehr zeitlich ausgedehnt von sechs Monaten auf künftig ein Jahr. Techniker sind hier sicher nicht am Tisch gesessen.Robert Glocker Rechtsanwalt

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