Kurzanleitung für die korrekte Abarbeitung: Sachmängelhaftung im Fahrzeugverkauf

Die tägliche Beratungspraxis lässt immer wieder Unsicherheiten erkennen, wie im Neu- und Gebrauchtwagenverkauf mit Kundenreklamationen umzugehen ist. Für welche Mängel hat der Händler einzustehen? Muss das Fahrzeug beim Kunden abgeholt werden? Sind Verbringungskosten vorzuschießen? Sind bei Distanzgeschäften Prüfungen vor Ort durch andere Werkstätten sinnvoll und kann auf Garantien verwiesen werden? Um unnötigen Ärger zu ersparen und insbesondere auch Rücktrittsmöglichkeiten zu vermeiden, empfiehlt sich eine Prüfung und Abarbeitung in nachfolgenden Schritten. Berechtigung der Person Erster Prüfungsschritt sollte die Klärung sein, ob der Reklamierende auch der Vertragspartner oder über diesen berechtigt ist. Wurde das Fahrzeug beispielsweise weiterverkauft, bestehen ohne Abtretung der Sachmängelhaftung keine vertraglichen Ansprüche des aktuellen Fahrzeugeigentümers gegen den Händler. Handelt es sich um ein Leasingfahrzeug, stehen Sachmängelhaftungsansprüche primär erst einmal dem Leasinggeber zu, da dieser auf Käuferseite in den Kaufvertrag eingetreten ist. Üblicherweise beinhalten die Leasingverträge entsprechende Abtretungen. Sind die konkreten Bestimmungen nicht bekannt, sollten im Zweifel entsprechende Legitimationsnachweise eingefordert werden. Ausschlüsse und Fristen In einem zweiten Schritt empfiehlt sich die Prüfung, ob und wie lange Sachmängelhaftung besteht. Bei Gewerbekunden wurden Ansprüche möglicherweise vertraglich ausgeschlossen. Insbesondere im GW- Geschäft ist dies ja eine übliche Regelung in AGBs. Zu beachten ist aber, dass ein solcher Ausschluss nach der Rechtsprechung nicht gelten kann für eine vertraglich vereinbarte Beschaffenheit wie beispielsweise Erstzulassung oder Fahrzeugausstattungsmerkmale. Generell sind für jeden Kunden Ansprüche ausgeschlossen, wenn er den behaupteten Mangel bei Abschluss des Kaufvertrages kannte oder kennen musste. Kann kein wirksamer Ausschluss beansprucht werden, beträgt die gesetzliche Frist für die Eintrittsverpflichtung des Händlers - wie auch im Verbrauchergeschäft - zwei Jahre ab Datum der Fahrzeugübergabe an den Kunden. Bezieht sich die Mängelrüge auf ein Gebrauchtfahrzeug, ist zu prüfen, ob wirksam von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde, die Einstandspflicht auf ein Jahr zu verkürzen. Dies ist immer dann der Fall, wenn im Kaufvertrag selbst die Geltung einer Sachmängelhaftungsfrist von einem Jahr vermerkt ist. Bei Regelungen in AGBs ist Vorsicht geboten. Zu prüfen ist nicht nur die wirksame Einbeziehung der AGBs in den Kaufvertrag, sondern vor allem auch ob - wie beispielsweise in den Muster-AGBs des ZDK - die Verjährung von Sachmängelhaftungsansprüchen nach Jahresfrist vorgesehen ist. Art. 5 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie lässt nach der Rechtsprechung des EuGH lediglich eine Verkürzung des Haftungszeitraumes zu, nicht aber einen - mit der Verjährung verbundenen - vorzeitigen Ausschluss auch der Geltendmachung innerhalb des Haftungszeitraumes aufgetretener Mängel. Weil sich Regelungen in AGBs nach deutschem Recht jeder inhaltlichen Auslegung entziehen, hat auch eine europarechtskonforme Auslegung einer solchen Verjährungsbestimmungen auszuscheiden. Im Ergebnis kann eine verkürzte Verjährungsfrist keinen Bestand haben und es gilt dann auch beim Gebrauchtwagenverkauf die gesetzliche Einstandspflicht von zwei Jahren. Bei wiederholten Reklamationen ist zu berücksichtigen, dass frühere Werkstattaufenthalte und Nacherfüllungsversuche die Sachmängelhaftungsfristen entsprechend verlängern können oder im Falle eines damit verbundenen vorbehaltslosen Anerkenntnisses sogar neu in Lauf gesetzt haben. Gesetzlicher Mangelbegriff Liegt kein Ausschluss vor und läuft die Sachmängelfrist noch, sollte nächster Prüfungspunkt die theoretische Berechtigung der Kundenreklamationen sein. Der Händler hat in erster Linie dafür einzustehen, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe "die vereinbarte Beschaffenheit" besessen hat, also der im Kaufvertrag aufgeführten Beschreibung entspricht. Angaben wie etwa zur Erstzulassung, Zahl der Vorbesitzer, zum Kilometerstand, den Ausstattungsmerkmalen oder zu Unfallschäden müssen zutreffend sein. Wurden solche Angaben nur unter Vorbehalt "lt. Vorbesitzer" gemacht, handelt es sich nach der Rechtsprechung lediglich um sogenannte "Wissenserklärungen" des Händlers, die keine Vereinbarung einer Beschaffenheit begründen, wohl aber ein Anfechtungsrecht des Kunden, wenn solche Angaben wider besseren Wissens unzutreffend oder "ins Blaue hinein" gemacht wurden. Hat der Kunde das Fahrzeug über das Internet gefunden, haftet der Händler auch für die im Internet angegebenen Daten - beispielsweise für das Vorhandensein der dort angegebenen Fahrzeugausstattung -, sofern solche Angaben im Kaufvertrag nicht berichtigt wurden. Betrifft die Reklamation des Kunden keine Vereinbarung zur Beschaffenheit des Fahrzeuges, ist zu prüfen, ob mit dem behaupteten Mangel eine nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung des Fahrzeuges beeinträchtigt ist, beispielsweise die vereinbarte Tauglichkeit als Zugfahrzeug mit bestimmter Anhängelast. Sind spezielle Vereinbarungen nicht getroffen, haftet der Händler für die "übliche Beschaffenheit", wie sie für ein vergleichbares Fahrzeug erwartet werden kann. Hier geht es um die "üblichen Schmerzen" von Klappergeräuschen über Mängel in der Lackierung bis zu Problemen bei der Motorsteuerung und Abgasaufbereitung, bei Neufahrzeugen aber auch - was oft vergessen wird - um Werbeaussagen des Verkäufers oder des Herstellers. Verschleiß stellt keinen Mangel dar. Dies gilt auch für übermäßigen Verschleiß, wenn er in die Verantwortlichkeit des Kunden fällt - wie etwa bei dem Rentner, der sein Fahrzeug grundsätzlich mit schleifender Kupplung fährt. Betrifft die Reklamation potenziell den Bereich des gesetzlichen Mangelbegriffs, ist die Überprüfung und Behebung berechtigter Beanstandungen anzubieten. Recht zur Prüfung Der Händler besitzt zunächst ein Recht zur eigenen Prüfung, ob der behauptete Mangel vorliegt und ob er für diesen Mangel auch einzutreten hat. Um ihm diese Prüfung zu ermöglichen, hat der Kunde sein Fahrzeug im Regelfall zum Händler zu bringen. Dies gilt auch, wenn das Fahrzeug defekt ist und nicht auf eigener Achse bewegt werden kann. Ein wirksames Nacherfüllungsverlangen muss deshalb die Bereitschaft erkennen lassen, das Fahrzeug beim Händler zur Verfügung zu stellen. Wird lediglich die Abholung gefordert, muss hierauf nur gegenüber nicht rechtskundigen Personen reagiert und Bereitschaft zur Prüfung erklärt werden, wenn das Fahrzeug gebracht wird. Nacherfüllung Bestätigt die Prüfung den Mangel und auch das Vorliegen oder die Veranlagung bereits bei Übergabe, schuldet der Händler nach Wahl des Kunden kostenfreie Reparatur/Nachrüstung oder Ersatzlieferung. Letztere ist bei Gebrauchtfahrzeugen nur in Ausnahmefällen überhaupt möglich und im Neuwagenbereich normalerweise mit unzumutbar hohem Kostenaufwand verbunden, so dass der Händler zumeist auf die Behebung des Mangels durch Reparatur oder Nachrüstung verweisen kann. Ist eine solche nicht möglich oder verursacht sie im Verhältnis zum Wert eines mangelfreien Fahrzeuges gleichfalls unverhältnismäßige Kosten, kann der Händler auch die Reparatur bzw. Nachrüstung verweigern. Gegenüber Verbrauchern können Ersatzlieferung und Reparatur nicht gleichzeitig ausgeschlossen, die Kosten aber entsprechend den Gegebenheiten des Einzelfalles auf einen nach Wert des Fahrzeuges in mangelfreiem Zustand und nach der Bedeutung des Mangels angemessenen Betrag beschränkt werden. Nur wenn die Nacherfüllung nicht erfolgreich ist, kann der Kunde nach Fristsetzung oder regelmäßig zwei ergebnislosen Nacherfüllungsversuchen von seinen weiteren Rechten Gebrauch machen, sich also zwischen Minderung, Rücktritt und/ oder gegebenenfalls auch Schadensersatz entscheiden. In ganz besonderen Fällen der von vornherein unzumutbaren Nacherfüllung stehen diese Rechte dem Kunden unmittelbar zu. Beweislastumkehr für Verbraucher Bei Mängeln am Fahrzeug, die innerhalb der ersten sechs Monate ab Übergabe auftreten, ist im Verbrauchergeschäft über die Eintrittsverpflichtung unter Berücksichtigung der gemäß § 477 BGB geltenden Beweislastumkehr zu entscheiden. Es gilt zugunsten des Verbrauchers die Vermutung, dass solche Mängel bereits bei Übergabe des Fahrzeuges vorgelegen haben. Eine Ausnahme von dieser Vermutung gilt nur dann, wenn sie nach der Art des Fehlers mit den Gegebenheiten nicht vereinbar ist. Der Händler hat hier nachzuweisen, dass ein Vorliegen des Mangels und eine Veranlagung bereits zum Übergabezeitpunkt ausgeschlossen ist. Da ein solcher Beweis nur in seltenen Fällen sicher zu führen sein wird, empfiehlt sich hier nur bei ganz eindeutigen Sachverhalten eine Verweigerung der Eintrittsverpflichtung. Kosten Die Nacherfüllung hat der Händler für den Kunden kostenfrei vorzunehmen. Dies gilt auch für die Kosten der Prüfung im Fall der nicht bestehenden Eintrittsverpflichtung. Die Erstattung von Transportkosten wird nur im Fall berechtigter Beanstandungen und nur im tatsächlichen notwendigen Umfang geschuldet. Ist für einen Verbraucher die Verbringung seines Fahrzeuges mit erheblichem finanziellen Aufwand verbunden, kann er einen Transportkostenvorschuss bereits für die Überbringung des Fahrzeuges zu Prüfzwecken verlangen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn zu befürchten ist, dass der Verbraucher sich ansonsten durch die Höhe der Aufwendungen von der Geltendmachung seiner Rechte abhalten lassen könnte. Das Risiko, den Transportkostenvorschuss im Falle eines nicht berechtigten Nacherfüllungsverlangens wieder eintreiben zu müssen, trägt der Händler. Bei großen Entfernungen kann es unter Kostenaspekten im Einzelfall sinnvoll sein, mit dem Kunden eine Vorabuntersuchung bei einer Werkstätte vor Ort mit direkter Konsultation und Kostenübernahme abzusprechen oder das Fahrzeug selbst abzuholen. Liegt kein eintrittspflichtiger Mangel vor, sollte dem Kunden in jedem Fall ein kostenpflichtiger Reparaturauftrag angeboten werden. Garantie Sachmängelhaftung und Garantie sind strikt auseinanderzuhalten. Insbesondere kann sich der Händler von seinen Verpflichtungen aus der kaufrechtlichen Sachmängelhaftung nicht durch einen Verweis des Kunden auf die mögliche Beanspruchung von Garantieleistungen entbinden. In der Praxis wird es sich gerade bei Geschäften mit räumlich großer Distanz aber empfehlen, den Kunden auf die für ihn mit einer möglichen Beanspruchung von Garantieleistungen vor Ort verbundenen Vorteile hinzuweisen. Ein solcher Hinweis ist aber gleichzeitig immer auch mit der erklärten Bereitschaft zu verbinden, mögliche Sachmängelansprüche gerne auch vor Ort im eigenen Haus zu prüfen. Kommentar Das an die Hand gegebene Prüfungsschema soll lediglich als Leitfaden verstanden werden, um vor allem in Konfliktfällen Anhaltspunkte zu geben für die Beurteilung von Rechten und Pflichten. Konkrete Entscheidungen sind immer im Einzelfall zu treffen und werden sicherlich auch gelegentlich großzügig zugunsten des Kunden ausfallen. In solchen Fällen ist immer die Dokumentation gegenüber dem Kunden zu empfehlen, dass die Leistung im Kulanzweg und ohne Anerkennung berechtigter Sachmängelhaftungsansprüche erfolgte. Dies kann beispielsweise durch Übergabe einer "Rechnung" über 0,00 Euro mit entsprechendem Zusatz und Vermerk der erbrachten Leistungen erfolgen. Vermieden werden kann so der mit einem Anerkenntnis verbundene neue Lauf der Sachmängelhaftungsfrist und gegebenenfalls auch eine Verwendung für Folgereklamationen.Rechtsanwalt Robert Glocker

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