Ausgabe 16/2013: Schutz der Insolvenzmasse

Erst vor kurzem sorgte ein Urteil des Bundesgerichtshofs (IX ZR 169/11 - vgl. auch den Beitrag von Uwe Brossette in AUTOHAUS 5/2012) für Aufruhr. Immerhin ist seit diesem Urteil ernsthaft in Fragen zu stellen, ob ein Hersteller einen Händlervertrag allein wegen des Insolvenzantrages fristlos kündigen kann.Nun hat der BGH ein weiteres Urteil (IX ZR - 191/12) für die Kfz-Händlerbranche gesprochen, welches eine derartige Kündigung jedenfalls "teurer" für den Hersteller macht und viele erfreuen dürfte. In der Entscheidung ging es um die fristlose Kündigung eines VW-Händlervertrages, unmittelbar nachdem der Händler Insolvenzantrag stellen musste. Den Ausgleichsanspruch des Händlers, der erst durch diese fristlose Kündigung entstanden war, verrechnete die Volkswagen AG sogleich mit noch offenen Kaufpreisforderungen gegen den in Schieflage befindlichen Händler aus der Zeit vor dem Insolvenzantrag. Nur den danach noch verbleibenden Teil des Ausgleichsanspruchs zahlte der Hersteller an die Insolvenzmasse, wo er dann zur Befriedigung der übrigen Gläubiger zur Verfügung stand.Kein Vorzug für HerstellerDieser gängigen Praxis vieler Hersteller, sich per Aufrechnung am Ausgleichsanspruch "zu bedienen", während alle anderen Gläubiger in die Röhre gucken, hat der BGH nun ein Ende bereitet. Der Senat befand diese Form der bevorzugten Befriedigung insolvenzrechtlich für unwirksam. Dass der Ausgleichsanspruch zunächst durchaus positiv für die Insolvenzmasse und oftmals die größte Einzelforderung eines insolventen Autohauses ist, interessierte den BGH zu Recht nicht. Entscheidend war für die Richter nur die Benachteiligung anderer Gläubiger. Dementsprechend klar hat der BGH formuliert, dass der Ausgleichsanspruch allen Gläubigern zur Verfügung stehen muss. Für die Praxis bedeutet dies, dass der Hersteller den Ausgleichsanspruch immer in voller Höhe in die Insolvenzmasse einzahlen muss. Mit seinen eigenen vorinsolvenzlichen Forderungen muss sich der Hersteller dann wie andere Gläubiger auch zur Insolvenztabelle "anstellen" und auf eine gute Quote hoffen.Die vom BGH aufgestellten Grundsätze greifen im Übrigen nicht nur für den Ausgleichsanspruch, sondern gelten auch für andere Ansprüche des Händlers. Schon im Jahr 2012 hat beispielsweise das OLG Frankfurt am Main in einem nicht veröffentlichten Urteil dem Hersteller die Aufrechnung in einer ähnlichen Konstellation verwehrt. Damals wollte der Hersteller gegen offene Prämienforderungen des Händlers eigene Rückgewähransprüche aus überhöhten Bonusabschlagszahlungen verrechnen. Diese Rückgewähransprüche hatte sich der Hersteller aber ebenfalls erst durch die fristlose Kündigung "verschafft".Sanierungszweck gestärktInsgesamt fügt sich das Urteil in eine Reihe von Entscheidungen ein, die zuletzt den Schutz der Insolvenzmasse und den Sanierungszweck der Insolvenzordnung Stück für Stück gestärkt haben. Die Hersteller haben künftig weitaus mehr rechtliche und wirtschaftliche Überlegungen anzustellen, bevor sie die Vertragsbeziehung nach einem Insolvenzantrag reflexartig abbrechen. Die jüngere Entscheidungspraxis des BGH wird dazu beitragen, dass die Hersteller einen Händler nach dessen ohnehin schon schwerem Gang zum Insolvenzgericht nicht mehr wie einen faulen Apfel fallen lassen können. Die Chancen auf eine letztendliche Vermeidung der Insolvenz oder wenigstens eine übertragende Sanierung wird sich erhöhen.Diese Entwicklung ist zu begrüßen, nachdem in der Vergangenheit ein Insolvenzantrag viel zu oft gleichbedeutend mit der Zerschlagung und Abwicklung eines Unternehmens war, statt den eigentlichen Kerngedanken der Insolvenzordnung, nämlich die Sanierung, in den Vordergrund zu rücken.* Rechtsanwalt Christoph Boeminghaus ist Mitglied des vertriebsrechtlichen Teams bei Osborne Clark. Er berät nationale und internationale Mandanten im Bereich des Handels- und Vertriebsrechts.

Ausgabe 16/2013: Schutz der Insolvenzmasse

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