Ausgabe 04/2010: Sekt oder Selters

Sekt oder Selters gemischte Aufwendungen E Aufteilungs- und Abzugsverbot gekentert? Bundesfinanzhof (BFH) kippt jahrelange RechtsprechungRath, Anders, Dr. Wanner & Partner WPGWorum geht es? Steuerlich sind Ausgaben, die nicht klar abgrenzbar in einen beruflich veranlassten und einen privaten Anteil getrennt werden können – sog. gemischte Aufwendungen – insgesamt nicht von den steuerpflichtigen Einnahmen als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähig. Dabei hatte die Rechtsprechung bisher bei der Entscheidung, ob beruflich veranlasste Kosten abgrenzbar sind, oftmals darauf abgestellt, ob bei den gemischten Aufwendungen z. B. durch Zähler oder Zeiteinheiten eine klare Zuordnung zu beruflichen und privaten Anlässen möglich war. So konnte bei einem Telefonanschluss auf die Gesprächsgebühren als Kostenfaktor abgestellt werden und – für jeden bisher selbstverständlich – bei der gemischten Benutzung eines Autos auf die jeweils gefahrenen Kilometer beruflicher oder privater Natur. In solch einem Gebühren- und Veranlassungsverhältnis wurden sodann auch die allgemeinen Kosten (Telefongrundgebühr oder Pkw-Versicherung und -Steuer) dem betrieblichen und privaten Bereich jeweils zugeordnet. AufteilungsverbotUnter das Abzugsverbot fielen jedoch bisher meist Aufwendungen für durchaus beruflich mitveranlasste „Annehmlichkeiten“, die sich jeder gerne im Rahmen der allgemeinen Lebensführung leisten würde: Dies betraf im Wesentlichen Fälle, bei denen auch typischerweise die private Motivation Anlass für die ausgelösten Kosten sein könnte, weil diese auch in breiten Bevölkerungskreisen der rein privaten Sphäre zuzurechnen sind und keinem allgemein nachvollziehbaren Aufteilungsschlüssel unterliegen. Bestes Beispiel dafür waren „berufliche“ Reisen ins Ausland, die sodann mit touristischen Veranstaltungen umrahmt oder gar um ein paar Urlaubstage erweitert auch der allgemeinen Erholung oder dem rein touristischen Interesse des Reisenden zugeordnet werden könnten. So sind beruflich veranlasste Fachkongresse in diesem Zusammenhang zwar insoweit abzugsfähig gewesen, als die reinen Kongresskosten mit beruflichen Themen steuermindernd geltend gemacht werden konnten, nicht aber sodann die allgemeinen Reisekosten, also insbesondere nicht die angefallenen Flugkosten. Dieses Abzugsverbot entsprach nun allgemeiner jahrzehntelanger Rechtsprechung des BFH als oberstem deutschen Steuergericht. Kehrtwende des BFHDavon hat nun der Große Senat des BFH, der wie im vorliegenden Fall nur in wenigen Fällen von grundsätzlicher Bedeutung und besonders bei möglichen Unstimmigkeiten unter verschiedenen Senaten des BFH zur Entscheidung angerufen wird, eine Kehrtwende bzw. eine Fortentwicklung vorgenommen. Er hat nunmehr in bestimmten Fällen weitere Aufteilungen von Kosten für möglich erachtet und ausdrücklich mit der bisherigen Rechtsprechung zum Aufteilungs- und Abzugsverbot gebrochen. Dem lag nun folgender Fall zugrunde: Ein EDV-Controller besuchte – wie in den Vorjahren – eine Computermesse in Las Vegas, auf der er im Vorjahr einen Vortrag gehalten hatte. Seine Anreise war am Freitag, die Messe begann am Montag mit Fachveranstaltungen bis Donnerstag um 14.30 Uhr. Am Samstag flog er zurück. Ohne Hin- und Rückreisetag war er also 7 volle Tage in Las Vegas. Das Finanzgericht gestand ihm in erster Instanz u. a. auch 4/7 der Flugkosten als steuermindernde Ausgaben zu. Dagegen ging die Finanzverwaltung in Revision zum BFH, weil die Reisekosten insgesamt wegen des so genannten Aufteilungsverbotes dem privaten Lebensbereich zuzuordnen seien. Der BFH teilte nunmehr nicht die Auffassung des Bundesfinanzministeriums. Auch Hotel- und Reisekosten können in solchen Fällen nach Maßgabe der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden. Einzelfallentscheidung?Der Große Senat des BFH betont aber auch, dass weiterhin eine Aufteilung dann nicht erfolgt, wenn das unterschiedliche Gewicht der verschiedenen Veranlassungsbeiträge dazu Anlass gibt, weil es nur von untergeordneter Bedeutung ist. So könnte eine solche Reise dann entweder ganz oder auch gar nicht zum Abzug zugelassen werden, wenn einerseits der private Anlass als unbedeutend gering oder aber der beruflich veranlasste Teil als unbedeutend anzusehen ist. Dies haben letztlich die Finanzgerichte (also nicht der BFH) als letzte Tatsacheninstanz zu entscheiden. Jedenfalls hat der BFH im vorliegenden Fall die vom Finanzgericht festgestellten Zeitabläufe der Messeveranstaltungen, an denen der Kläger teilgenommen hatte, für relevant für eine Aufteilung in steuerlich abzugsfähige Teile der Kosten gebilligt. Damit aber brechen neue Zeiten für die Anerkennung von Betriebsausgaben und Werbungskosten an, wobei die Finanzverwaltung dann die Einzelheiten genauer prüfen wird, um die steuerlich abziehbaren Aufwendungen nicht ausufern zu lassen – dies ist wohl als sicher anzusehen! Die Steuerpflichtigen werden nunmehr gefordert sein, die geeigneten „Beweismittel“ zu sammeln, um doch eine Anerkennung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu erreichen. Gerade bei dienstlich mitveranlassten Reisen wird dies auch sehr von der gesamten Planung der Reise abhängig sein.Michael Böhlk-LankesRechtsanwalt, Steuerberatermuc@raw-partner.deKurzfassung1. Das bisher noch geltende steuerliche Abzugsverbot für gemischte Aufwendungen – also mit privatem und beruflichem Bezug – ist nunmehr vom BFH stark aufgeweicht worden.2. Insbesondere „gemischte“ Reisen sind auch hinsichtlich der Reisekosten generell aufteilbar in einen beruflichen und einen privaten Kostenteil, je nach den entsprechenden Zeitanteilen.3. „Das unterschiedliche Gewicht der verschiedenen Veranlassungsbeiträge kann es jedoch im Einzelfall erfordern, einen anderen Aufteilungsmaßstab heranzuziehen oder ganz von einer Aufteilung abzusehen“ – so der BFH.Kommentar< Im vorliegenden, dem BFH zur Entscheidung anstehenden Fall hat der Kläger an den Messetagen jeweils von 10.30 Uhr bis 17.00 Uhr an Fachveranstaltungen teilgenommen, die von drei halbstündigen Pausen unterbrochen waren. Somit hat der berufliche Anteil pro Tag 6,5 Stunden einschließlich üblicher Pausen gedauert, was offensichtlich dem BFH als voll beruflich zu wertendem Tag ausgereicht hat. Dies bedeutet aber auch, dass das Finanzamt den Werbungskosten- oder Betriebsausgabenabzug verhindern wird, wenn das berufliche Tagespensum niedriger ist. Es ist zu erwarten, dass das Finanzamt um solche Grenzen streiten wird. Und noch etwas ist nach der Entscheidung des BFH vorzumerken: Die Beweislast – oder wie man bei Finanzgerichtsverfahren sagt, die Feststellungslast für die steuerliche Abzugsfähigkeit von solchen Aufwendungen trägt immer noch der Steuerbürger. Also sollte man sich schon vor bzw. während solcher „gemischter“ Reisen um Nachweise für die beruflich veranlassten Teile kümmern (z. B. um Teilnahmebestätigungen des Veranstalters u. a.). Wie die Praxis bei der Finanzverwaltung mit dieser Entscheidung umgehen wird, steht nämlich noch in den Sternen! >

Ausgabe 04/2010: Sekt oder Selters

Sekt oder Selters

MEISTGELESEN

Die schönsten deutschen Designer-Autos aller Zeiten: Blech-Gemälde

Autohaus Hedtke: Erster Showroom für Lynk & Co

ZDK warnt vor E-Auto-Flaute: Trügerisches Wachstum

STELLENANGEBOTE

Kfz-Mechaniker/Kfz-Mechatroniker allg. Rep. (m/w/d)

Account Manager (w/m/d) Full-Service Leasing Automotive im Außendienst für unsere Vertriebskooperation Ford Fleet Management Vertriebsregion Süd (Baden-Württemberg, Bayern) im Homeoffice

Großkunden/Fleet-Verkäufer (m/w/d) für unsere Marke Volvo

Kfz.-Mechatroniker (m/w/d)

Serviceassistenz (m/w/d)

NEWSLETTER