Recht: Teure Falle Verjährung

Sinn der Verjährungsvorschriften ist es, dafür zu sorgen, dass man nach einem angemessenen Zeitraum nicht mehr damit rechnen muss, mit irgendwelchen Ansprüchen behelligt zu werden, gegen die man sich mangels noch vorliegender Unterlagen, verblassender Zeugenerinnerungen etc. nicht mehr adäquat verteidigen könnte. Wann tritt grundsätzlich Verjährung ein? Nach der seit 01.01.2002 in Kraft getretenen großen Schuldrechtsreform im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gilt sowohl für Kaufpreisansprüche als auch für Werklohnansprüche gemäß § 195 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren - und zwar unabhängig davon, ob der Kunde Unternehmer oder Verbraucher ist. Die Verjährung beginnt beim Kaufpreisanspruch mit dem Ende des Jahres zu laufen, in welchem die Übergabe der Kaufsache erfolgte. Werklohnansprüche beginnen mit dem Ende des Jahres zu verjähren, in welchem die Abnahme der Werkleistung (regelmäßig bei Rückgabe des reparierten Fahrzeugs) erfolgte. Für den Beginn der Verjährung ist nicht das Schreiben einer Rechnung entscheidend, sondern wann die Rechnung hätte geschrieben werden können (also die Leistung erbracht war). Wenn das reparierte Fahrzeug beispielsweise kurz vor Ende des Jahres an den Kunden zurückgegeben und von diesem die Werkleistung abgenommen wurde, könnte nicht etwa durch das Schreiben der Reparaturrechnung erst im Januar des Folgejahres praktisch ein Jahr mehr Verjährungsfrist für die Werklohnforderung generiert werden. Man spricht daher eben auch nicht von der Verjährung von "Rechnungen", sondern von Forderungen. Fristen im Blick Man sollte Verjährungsfristen immer mit Vorlauf im Blick behalten, um rechtzeitig Maßnahmen zur Hemmung oder für den Neubeginn der Verjährung treffen zu können. Verhängnisvoll ist, wenn ver- jährungsverhindernde Maßnahmen nur deshalb nicht erfolgen können, weil zum Beispiel die geänderte Postanschrift des Privatkunden, die geänderten Firmenverhältnisse oder die Sitzverlegung bei einem Geschäftskunden nicht mehr rechtzeitig ermittelt werden können. Die Verjährungsfrist läuft dann nach drei Jahren zum Ende des Ablaufjahres ab, was man plakativ als "Silvesterregelung" bezeichnet. Im Jahr 2022 entstandene Kaufpreis- und Werklohnforderungen drohen somit mit Ablauf des 31.12.2025 zu verjähren. Die Verjährung wird nicht etwa vor Gericht von Amts wegen automatisch berücksichtigt, sondern nur, wenn der Schuldner dies als Einrede erhebt! Ansonsten erfolgt eine Verurteilung zur Zahlung eben trotz eingetretener Verjährung. Grundsatz also: "Bei Einreden muss man reden!" Hemmung der Verjährung Will man den Eintritt einer zum Ende des Jahres drohenden Verjährung aufhalten, ist eine der zur Verfügung stehenden Maßnahmen die Herbeiführung einer Hemmung der Verjährung gemäß den §§ 203 bis 213 BGB. Diese bewirkt dann grundsätzlich die Nichteinrechnung bestimmter Zeiten in die Verjährungsfrist. So ist zum Beispiel im Falle schwebender Verhandlungen die Verjährung so lange gehemmt, bis der eine oder andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt dann frühestens drei Monate nach dem Abbruch oder Auslaufen der Verhandlungen ein. Die genaue Bestimmung von Beginn und Ende der Verhandlungen bleibt der Rechtsprechung im Einzelfall überlassen. Bei "einschlafenden" Verhandlungen etwa soll die Hemmung in dem Zeitpunkt enden, in welchem der nächste Schritt nach "Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte " (§ 242 BGB) zu erwarten gewesen wäre. Insofern ist die Hemmung durch Verhandeln immer noch ein gutes Stück "Wischiwaschi". Auch eine gerichtliche Klage, ein gerichtliches Mahnverfahren (nicht: die bloße außergerichtliche Mahnung, welche den Kunden lediglich in Zahlungsverzug setzt) und auch ein selbstständiges Beweisverfahren vor Gericht (früher: "Beweissicherungsverfahren") sowie ebenso die Streitverkündung gegen eine andere Partei während eines Gerichtsprozesses und auch die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs in einem Prozess umgekehrten Rubrums (also Klage des Kunden gegen das Autohaus wegen einer anderen Forderung) hemmen die Verjährung. Aus einem rechtskräftigen zivilrechtlichen Urteil kann dann dreißig Jahre vollstreckt werden. Neubeginn der Verjährung Der Neubeginn der Verjährung (früher sogenannte Unterbrechung) tritt üblicherweise nur noch beim Anerkenntnis des Schuldners ein. Rechtsfolge ist dann, dass die Verjährungsfrist ab dem Neubeginn komplett von vorn zu laufen beginnt (wie der Name schon sagt). Das Mittel des Anerkenntnisses kann sich eignen, wenn zum Beispiel einmal die Verfolgung einer kauf- oder werkvertraglichen Forderung gegen den Kunden "zunächst durch den Rost gefallen" war und dies erst kurz vor Ende der zum Jahresende ablaufenden Verjährungsfrist auffällt. Man will den Kunden dann üblicherweise nicht vergraulen und somit also nicht sogleich den sichersten Weg wählen, nämlich den Weg der Hemmung durch gerichtliche Geltendmachung. Es sollte in solchen Fällen dann Kontakt zum Kunden aufgenommen werden, um ihm die Dinge zu erklären. Wenn er behauptet, das Geld so schnell nicht beschaffen zu können, sollte man ihm klar machen, dass dann rein zur Sicherung der Forderung grundsätzlich kostenträchtig gerichtliche Geltendmachung erfolgen müsste, aber alternativ über ein - zwecks Nachweisbarkeit am besten schriftliches - Anerkenntnis ohne weitere Kosten die Verjährung sogar zum Neubeginn geführt werden kann. Auch in Ratenzahlungen steckt natürlich jeweils ein Anerkenntnis. Sonst könnte der Kunde ja bei nur kleinen Abschlagszahlungen auf lange Dauer häufig die letzten Raten verweigern mit dem Argument der Verjährung der Restforderung. Verjährungsvereinbarungen Beispielsweise wenn die Forderung streitig ist und der Schuldner noch Zeit zum Recherchieren benötigt, eine Verjährungshemmung durch Anerkenntnis also nicht in Betracht kommt und eine Verjährungshemmung durch Verhandeln aber eine unsichere Sache ist, kommt eine möglichst schriftlich konkret gefasste Verjährungsvereinbarung in Betracht. So kann ein - regelmäßig zeitlich begrenzter - Einredeverzicht betreffend die Verjährung vereinbart werden in der Art, dass zum Beispiel hinsichtlich der umstrittenen Forderung für die nächsten drei Monate, konkret bis zum "Soundsovielten", vom Kunden auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichtet wird. K. Martin Hake Rechtsanwalt, der sich seit über 30 Jahren schwerpunktmäßig den Gebieten des Autoverkaufs-, Reparatur- und Unfallschadensrechts sowie dem Handelsrecht und auch Verkehrsstraf- und Bußgeldsachen, ferner dem Recht des Forderungsmanagements im Kfz-Bereich widmet. Gemeinsam mit den Anwälten in seiner Kanzlei "Hake Rechtsanwälte" (kontakt@hake-rechtsanwaelte.de) ist er deutschlandweit bei der Beratung sowie außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretung insbesondere von Kfz-Händlern und Werkstätten sowie Herstellern und Importeuren im Einsatz. Parallel betätigt sich der Spezialist für Autorecht als Autor von Fachbüchern, Fachbeiträgen in Zeitschriften sowie als Konzeptionist und Dozent unter anderem für die zertifizierten Lehrgänge der Branche rund um das Thema Kfz-Recht. Seine Bücher "Rechtsfragen der Kfz-Werkstatt" (8. Auflage), "Rechtssicherheit beim Autoverkauf" und die Fibel "Forderungsmanagement im Autohaus" sind im Verlag Springer Fachmedien erhältlich. www.hake-rechtsanwaelte.de