Ausgabe 03/2011: Weiterhin völlig offen

Weiterhin völlig offenVerfassungsbeschwerde E Erbschaft-/Schenkungsteuer und andere Verfassungswidrigkeiten: Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts „vertagt“.Rath, Anders, Dr. Wanner & Partner WPGWir hatten bereits mehrfach berichtet und an Beispielen aufgezeigt, warum aus unserer Sicht das ab 1. 1. 2007 völlig neu gestaltete Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) verfassungswidrig sein müsste. Diese Meinung vertreten auch mehrere Professoren. Drei dieser Kritiker hatten nun unmittelbar gegen dieses Gesetz Verfassungsbeschwerde eingelegt, weil sie sich durch das Gesetz selbst unmittelbar in unzulässiger und verfassungswidriger Weise zu einem bestimmten, Steuer sparenden Verhalten gezwungen sehen. Zum anderen wurde auch gerügt, dass durch die schon seit langem von Wissenschaftlern behauptete Verfassungswidrigkeit einzelner Regelungen für die Beschwerdeführer als potenzielle Erblasser ein Zustand völliger Rechtsunsicherheit geschaffen worden sei. Der Gesetzgeber habe völlig grundgesetzwidrige, ungleiche Privilegierungen für verschiedene Vermögensarten wie zum Beispiel Betriebsvermögen oder Geld geschaffen. Das ab dem 1. Januar 2007 neu gefasste ErbStG ist letztendlich so konstruiert, dass derjenige, der über viele flüssige Mittel und viel Vermögen verfügt, am besten dieser Steuer insgesamt ausweichen kann. Durch ihre Beschwerden wollten die „Betroffenen“ das neue Gesetz zu Fall bringen, ohne lange Instanzenwege durchlaufen zu müssen.Versagen des GesetzgebersIn der Vergangenheit hatte das Bundesverfassungsgericht mehrfach die völlig gleichheitswidrige Besteuerung von Schenkungen und Erbschaften angeprangert und den Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert, bis es schließlich nach jahrelanger Untätigkeit der Politiker ein Ultimatum zum 31. 12. 2006 gesetzt hatte: Sollte das alte Gesetz nicht endlich bereinigt und neu gefasst werden, so würde das alte Recht mit dem 1. 1. 2007 außer Kraft treten. Dann endlich handelte der Gesetzgeber, insbesondere wurde die alte Bewertung von Immobilien nach Einheitswerten durch die so genannte Bedarfsbewertung ersetzt. Letztlich wird heute sowohl Immobilienvermögen als auch Unternehmensvermögen insgesamt mit den Verkehrswerten angesetzt, so dass zumindest auf der Bewertungsebene eine gewisse Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen erfolgt. Allerdings wurde sodann durch Privilegierung bestimmter Vermögensarten wiederum im Betriebsvermögensbereich eine Sonderregelung geschaffen, bei der – kombiniert mit Nachversteuerungsklauseln – nunmehr sogar noch größere Ungerechtigkeiten entstehen können wie nach dem alten Gesetz (siehe Beispiele AUTOHAUS Heft 1-2/2009: Steuerfallen für Autohausinhaber, Heft 3/2009: Willkürliche Sozialklausel). Dass liquide Mittel im Betriebsvermögen grundsätzlich privilegiertes Vermögen darstellen, kann man nur als Aufforderung an Milliardäre bezeichnen, entsprechendes Vermögen völlig steuerfrei auf die nächste Generation zu übertragen. Verfassungsbeschwerden der falsche Weg?Wie wir bereits im Heft 7/2010 berichtet hatten, waren die oben genannten drei Verfassungsbeschwerden aber nahezu sicher zum Scheitern verurteilt: Das BVerfG entscheidet über Verfassungsbeschwerden grundsätzlich immer erst, wenn der Rechtsweg ausgeschöpft ist, so dass diese drei Beschwerden unmittelbar gegen das Gesetz kaum Aussicht auf Erfolg hatten. Wie also schon prophezeit, sind die Verfahren als unzulässig verworfen worden. Die Verfassungsbeschwerden konnten somit gar nicht zu einer Entscheidung in der Sache selbst führen. Interessant ist insoweit aber die Begründung, wann Verfassungsbeschwerden vom Gericht unmittelbar gegen ein Gesetz für denkbar erachtet werden. Bei der Erbschaftsteuer fehle es an einer eigenen „Beschwer“ der Beschwerdeführer, denn steuerpflichtig im Erbfall sei allein der Erbe(!), so das BVerfG. Aber auch der Schutzbereich des Eigentums beim Erblasser ist nicht tangiert, da das Gesetz grundsätzlich nicht auf eine Einschränkung der Testierfreiheit des Erblassers ausgerichtet ist. „Jeder kann als Erben einsetzen, wen er will.“ So führt das Gericht weiter aus: „Gemessen hieran haben die Beschwerdeführer ihre Selbstbetroffenheit nicht hinreichend substantiiert dargelegt.“Verfassungsfrage weiter offenNach dem vom Gericht geschilderten Sachverhalt hat auch offensichtlich keiner der Beschwerdeführer behauptet, dass er unmittelbar das dort genannte Millionenvermögen bereits zeitnah an potenzielle Erben im Wege der vorweggenommenen Erbfolgeregelung übertragen wolle und deshalb unmittelbar vom Gesetz in seiner Entscheidungsfreiheit betroffen sei. Denn anders als bei der Erbschaftsteuer wäre bei der Schenkungsteuer auch der Schenker zusammen mit dem Beschenkten Gesamtschuldner der Steuerbelastung. Aber selbst wenn solch ein Fall einmal im Wege der unmittelbaren Verfassungsbeschwerde zur Prüfung anstehen würde, haben wir Zweifel, ob das BVerfG nicht auch in solch einem Schenkungsfall die unmittelbare Betroffenheit verneint. Somit ist weiterhin völlig unklar, ob und wenn ja in welchen Sachverhaltsgestaltungen diese ab 2007 geltende Rechtslage nun tatsächlich einmal für verfassungswidrig erklärt wird. Wie so oft gilt: Es müssen erst die „richtigen“ Fälle zum BVerfG vordringen, damit der Gesetzgeber in seine Schranken gewiesen wird. Die Hoffnung der Beschwerdeführer war wohl darauf gegründet, dass das bis Ende 2006 vom Gericht gestellte Ultimatum vom Gesetzgeber doch nicht dadurch „erfüllt“ werden kann, dass das neue Gesetz mindestens im Ergebnis die gleichen Ungerechtigkeiten aufzeigt wie das bisherige Recht. Michael Böhlk-LankesRechtsanwalt, Steuerberatermuc@raw-partner.deKurzfassung1. Drei gegen das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz unmittelbar erhobene Verfassungsbeschwerden wurden als unzulässig verworfen.2. Wann das Bundesverfassungsgericht sachlich über die seit 1. 1. 2007 geltende neue Rechtslage entscheiden wird, ist weiter völlig offen.3. Mit den zum Teil sehr willkürlichen Ergebnissen der neuen Gesetzeslage wird man noch länger leben müssen, bis dem Bundesverfassungsgericht geeignete Fälle vorgelegt werden.4. Die Chance liegt jedoch für jeden darin, die möglicherweise verfassungswidrigen Vergünstigungsmöglichkeiten bei der Steuerplanung mit einzusetzen, um weitestgehende Steuerfreiheit, insbesondere durch vorweggenommene Erbfolgeregelungen zu erreichen.hoffnungsloser ausblick< Mit dem somit vom Bundesverfassungsgericht erzwungenen langwierigen Instanzenzug gegen Schenkung-/Erbschaftsteuerbescheide wird unseres Erachtens wieder einmal die Ursache dafür gesetzt, dass es dem Gesetzgeber gar nicht auf die Qualität der Neuregelungen ankommt. Kaum ein Politiker wird in seiner aktiven Zeit noch von solch einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für die Parlamentsentscheidungen die Quittung bekommen, denn wie die Vergangenheit lehrt, haben solche höchstrichterlichen Korrekturen bisweilen schon zwei Jahrzehnte gedauert! >Der Aktuelle BuchtippDer Autohaus-ChefFachbücher zum Themenbereich Führung/Management haben oft ein Manko: Sie sind praxisfern theoriegeboren. Ganz anders der Bestseller „Der Autohaus-Chef“ von Martin Sauer, der jetzt in dritter Auflage erschienen ist. Hier werden Führung und Management im Autohaus als konkrete Tätigkeiten beschrieben und erläutert. Der Autor stellt Praxisbeispiele für die Führungsaufgaben Planen, Entscheiden, Organisieren und Kontrollieren vor, die dem Leser eine leichte Umsetzung und Übertragung auf die eigene Situation ermöglichen. Auch die berühmten „Alltagsprobleme“ spart Martin Sauer nicht aus, die sich in der Autohaus-Praxis oft als Hürde bei der Umsetzung neuer Konzepte in den Weg stellen. Die komplett aktualisierte dritte Auflage seines Werks hat der Autor um zwei Fallstudien zu den Themen Marketing und Unternehmensführung ergänzt. Martin Sauer, seit vielen Jahren Autor für AUTOHAUS Buch & Formular, ist Dozent und Vorstandsvorsitzender der Bundesfachschule für Betriebswirtschaft im Kfz-Gewerbe. Neben seiner Tätigkeit im Automobilhandel war er unter anderem auch Pressesprecher der Kfz-Innung Reutlingen-Tübingen.

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