In den meisten Fällen ist die Kündigung durch den Hersteller der Auslöser für die Frage: Wie geht es jetzt weiter ohne einen Händlervertrag? Verschiedene Möglichkeiten sind zu durchdenken und zu analysieren. Die Online- Veranstaltung "Händlervertrag weg - Wie geht es weiter?" der AUTOHAUS akademie am 2. November gab Anregungen zur Entwicklung der richtigen Strategie und konkrete Beispiele, wie Händler mit dem Verlust des Händlervertrages erfolgreich umgegangen sind.
Zum Auftakt gab Moderator Dr. Jörg von Steinaecker, Inhaber Steinaecker Consulting, einen globalen Überblick zum Thema. Nach einer Kündigung müsse man sich als Erstes die Frage stellen, wie man das eigene Autohaus mit einer sinnvollen Rendite weiter betreiben kann. Der Branchenkenner rät dazu, das Zepter in die Hand zu nehmen und ein Mobilitätsdienstleister zu werden.
Eigene Händlermarke stärken
Die Strategien der Hersteller haben laut Steinaecker das Ziel, Zugang zum Kunden und seinen Daten zu erhalten. Dieser Zugang liege momentan beim Händler - und das sei die Basis für seinen zukünftigen Erfolg. Neu entstehende Erlösmodelle und Dienstleistungen rund um die immer differenziertere Mobilität können ein interessantes Ökosystem für den Kunden sein. Ohne Vertrag habe der Unternehmer die Möglichkeit, in seinem Markt ohne hinderliche Vorgaben Strategien zu entwickeln, die den Kunden an ihn und seine Händlermarke binden. So können stabile Umsätze und starke Renditen erreicht werden. Für Inhaber, die gestalten und unternehmerisch tätig sein wollen, gäbe es viele Ansätze, diesen Weg zu gehen.
Erfahrungen aus der Praxis
Die wichtigsten Grundsatzentscheidungen, die zu treffen sind, führte Dr. Michael Plötscher, Geschäftsleitung APEG Automarkt, aus. Die erste und wichtigste Frage dabei sei, ob man Preis- oder Qualitätsführer in seinem Markt sein wolle. Ein Mittelweg, das habe die Vergangenheit gezeigt, sei nicht erfolgversprechend. Als ehemaliger Vertragshändler ist es laut Plötscher in der Regel sinnvoll, sich zum Qualitätsführer zu entwickeln. Das sei wahrscheinlich langfristig der stabilere und auch profitablere Ansatz. Abschließend riet er den Teilnehmern, nicht die Geduld zu verlieren, denn der Aufbau einer eigenen Marke dauert einfach seine Zeit, aber der Erfolg wird sich einstellen.
Matthias Prusseit, Geschäftsführer, Autowelt Prusseit, hatte nie einen Händlervertrag und nach sieben Jahren ein erfolgreiches Unternehmen mit mittlerweile 75 Mitarbeitern aufgezogen. Er stellte gemeinsam mit Maik Kynast, Bereichsleiter Vertrieb und Mobilität Santander, die Faktoren für den Erfolg dar. Vorhandene Möglichkeiten im Verkaufsprozess müssten komplett ausgeschöpft werden. Dazu gehöre auch, dass dem Kunden beim Autokauf alle begleitenden Finanzprodukte vom Verkäufer nicht nur angeboten, sondern auch aktiv verkauft werden.
Um Abhängigkeiten zu vermeiden, müsse der Zukauf gut organisiert sein und aus vielen Quellen stammen. Das regionale Umfeld muss dem Experten zufolge durch die klare Botschaft "Wir kaufen Dein Auto" verstehen, dass man bereit ist, auch Einzelfahrzeuge zuzukaufen. Ein Mitarbeiter sollte sich ausschließlich auf den Zukauf konzentrieren und die Verantwortung für das Portfolio haben. Kynast betonte, dass Santander die Händler, die ihren Vertrag verloren haben, gezielt auf ihrem Weg zu einem erfolgreichen Unternehmen ohne Herstellerbindung unterstützt. Mit einem hohen Maß an Flexibilität bei allen Beteiligten sei das zu erreichen.
Die Kündigung vor über 20 Jahren war für die beiden Händler Wolfram Lambeck, Geschäftsleitung Fahrzeughaus Lambeck, und Thorsten Cordes, Geschäftsführer Autohaus Cordes, der Startschuss, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Ihr Credo: Die Schockstarre nach der Kündigung muss möglichst schnell aufgelöst und eine Vision entwickelt werden, wie der Betrieb in der Zukunft aufgestellt sein soll. So könne man die zwei Jahre bis zum Vollzug der Auflösung des Vertrages effektiv nutzen. Eine offene Kommunikation mit Mitarbeitern und Kunden sei in dieser Zeit oberstes Gebot. Das neue Konzept müsse von allen verstanden werden. Ein wichtiger Punkt sei ebenso, rechtzeitig zu identifizieren, welche Prozesse nach Abkopplung vom Hersteller neu organisiert werden müssen. Die notwendige Software steht dabei ganz oben auf der Liste.
Während die beiden Händler diese Transformation erfolgreich umgesetzt hatten und ihre Erträge deutlich steigern konnten, hoben sie parallel noch die Einkaufsgenossenschaft EGA aus der Taufe, in der heute mehr als 1.000 Händler organisiert sind. Neben den günstigeren Einkaufskonditionen will man den angeschlossenen Partnern Unterstützung mit Wissen für alle Marken bieten.
Deutlich ertragreicher
Ein weiterer Erfahrungsbericht unter dem Motto "Es ist eine Chance und es wird besser!" kam von Rüdiger Koch, Geschäftsführung Autohaus Koch. Er konnte seinen Betrieb nach dem Ende des Handelsvertrags vor drei Jahren deutlich ertragreicher aufstellen. Für Koch war die wiedergewonnene unternehmerische Freiheit der entscheidende Faktor. Das Fahrzeugportfolio konnte dem Händler zufolge auf den Kunden zugeschnitten werden - und war nicht mehr abhängig von der Vorstellung der Herstellerverantwortlichen. Proaktiv ging man in die Kundenkommunikation und proklamierte: "Wir können jetzt mehr!" Koch freute sich über das Ergebnis: "Jetzt wird auch am Verkauf verdient, nicht mehr nur am Service."
Acht Etappen zum Ziel
- Will und kann ich mit meinem Team den Wandel gestalten?
- Ist mein Betrieb finanziell gesund?
- Was ist mein Markenkern? Wofür nehmen uns die Kunden wahr? Wie baue ich eine eigene starke Händlermarke auf?
- Welche Geschäftsfelder wollen wir in Zukunft abdecken?
- Welche Ressourcen brauchen wir?
- Welche Partner brauchen wir?
- Wie erzählen wir es den Kunden?
- Wie sieht unser Umzugsplan konkret aus?
Die Suche nach der richtigen Strategie
Mit den Augen eines Unternehmensberaters schaute Norbert Irsfeld, geschäftsführender Gesellschafter Prudentes, auf den Moment der Kündigung. "Den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern agieren", lautete seine Botschaft. Nach einer Kündigung müsse man unternehmerisch umdenken. Die drohende strategische Krise, die nicht allzu selten, erfahrungsgemäß nach drei Jahren, in der Insolvenz ende, müsse abgewendet werden.
Ist die Entscheidung gefallen, Autohandel ohne Herstellerbindung zu betreiben, stehe man vor verschiedenen Herausforderungen: Einkaufsquellen schaffen, neue Geschäftsfelder definieren, offene und klare Kommunikation betreiben. Sollten mehrere Standorte vorhanden sein, gelte es, diese einzeln zu bewerten. Standorte, die keinen Gewinn erwirtschaften, sollten dringend abgestoßen werden. Die übrigen Betriebsstätten werden je nach den Bedingungen vor Ort einzeln weiterentwickelt.
Ist das Vorgehen klar, müsse die Kommunikation konkret geplant werden. Zeitpunkte sollten abgestimmt werden. Zudem rät der Unternehmensberater, dass die Fakten dabei klar und für jeden verständlich sein sollten, sowohl intern als auch extern. Ehrlichkeit sei Trumpf, genauso wie aktives Vorgehen. Im Mittelpunkt sollte immer die Chance der Transformation stehen, betonte Irsfeld. Das Zentrum der Überlegungen müsse im gesamten Prozess immer der vorhandene Kundenstamm sein. Das sei das größte Kapital des Händlers.
Liquidität ist wichtig
Das Fazit der Referenten lautete: Die Liquidität ist wichtig. Der Vertrieb der Produkte muss im Vordergrund stehen. Dabei sollte sich der Autohändler zum Mobilitätsdienstleister für die ganze Familie entwickeln. Man sollte als Inhaber bei den anstehenden Veränderungen mutig sein. Der Markt ist offen für solche Unternehmer, sie werden gebraucht. Die Praxisbeispiele zeigten, dass ein Leben ohne Herstellervertrag nicht nur möglich ist, sondern auch Freiheit bedeutet - und dabei sehr erfolgreich sein kann. Ein Dank geht an die Sponsorenpartner der Veranstaltung: Loco-Soft und Santander.