Schadensersatz im Arbeitsrecht: Zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise

Bei Verletzung von Vertragspflichten durch einen Vertragspartner drohen Schadensersatzansprüche des anderen Vertragspartners. Dies gilt wie allgemein im Vertragsrecht auch im Arbeitsrecht. Schadensersatzpflichtig können sich sowohl Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer machen, wobei Arbeitnehmer ein gewisses Haftungsprivileg reklamieren können. Als Spezialität im Arbeitsrecht haben sich in Arbeitsverträgen und in Tarifverträgen so genannte Verfallklauseln etabliert - so z. B. auch in den regionalen Manteltarifverträgen des Kfz-Gewerbes. Verfallklauseln bestimmen, dass Ansprüche zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise geltend gemacht werden müssen, ansonsten sie nicht mehr durchsetzbar sind. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich jüngst mit Urteil vom 07.06.2018 (Az. 8 AZR 96/17) unter Berücksichtigung einer vertraglich vereinbarten Verfallklausel mit dem Schadensersatzanspruch eines Autohauses gegen einen Automobilverkäufer befasst. Verfallklausel und Dienstanweisung Der im späteren Prozess verklagte Arbeitnehmer war im Autohaus der Klägerin als Automobilverkäufer angestellt. Der Arbeitsvertrag enthielt unter der Überschrift "Verfallfristen" neben anderem folgende Regelung: "Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, ausgenommen Provisionsansprüche, verfallen innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit, spätestens jedoch innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn sie nicht vorher gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind." Daneben bestand im Autohaus die schriftliche Dienstanweisung der Geschäftsleitung an die Verkäufer, dass ein Neufahrzeug nur bei vollständiger Zahlung oder gesicherter Finanzierung an den Käufer übergeben und hiervon nur mit Einwilligung der Geschäftsleitung abgewichen werden darf. Verunglücktes Neuwagengeschäft Im Mai 2014 bestellte ein Kunde beim Autohaus ein Neufahrzeug Audi A1 zum Preis von knapp 30.000,00 Euro. Der Kunde gab an, das Fahrzeug über die Herstellerbank finanzieren zu wollen. Noch im Mai 2014 erhielt das Autohaus von der Bank die Zusage zur Finanzierung mit folgender Einschränkung: "Für den Kunden ist nur eine Finanzierung möglich (es liegen für diesen Kunden jedoch mehrere Kreditanfragen vor)." Eine weitere Kreditanfrage bei der Bank betraf einen VW Touareg, über den ein Darlehensvertrag tatsächlich zustande kam. Zu einer Darlehensfinanzierung des Audi A1 kam es deshalb nicht. Der Audi A1 war aufgrund der Bestellung des Kunden zwischenzeitlich an das Autohaus geliefert worden. Der Verkäufer verstieß nach Angabe des Autohauses gegen obige Dienstanweisung und gab das Fahrzeug gegen eine Anzahlung von 9.125,00 Euro und das Versprechen zur unmittelbar nachfolgenden abschließenden Abwicklung des Neuwagengeschäfts an den Kunden heraus. Nachdem der Kunde sich allerdings nicht wieder beim Autohaus einfand, wurde im September 2014 Strafanzeige erstattet. Der Kunde wurde in Italien aufgrund eines Haftbefehls festgenommen, das Fahrzeug wurde dort beschlagnahmt. Der Haftbefehl und die Beschlagnahme wurden im März 2015 aufgehoben und das Fahrzeug an den Kunden wieder herausgegeben. Danach verschwanden der Kunde und das Fahrzeug spurlos. Auch die Ermittlungen einer vom Autohaus eingeschalteten Detektei blieben erfolglos. Am 20.08.2015 reichte das Autohaus Klage gegen den Kunden unter der offiziell zuletzt bekannten Adresse ein. Die Klage konnte wie zu erwarten nicht zugestellt werden, das Autohaus blieb auf dem offenen Kaufpreis sitzen. Mit Schreiben vom 20. November 2015 forderte das Autohaus wegen behaupteter Pflichtverletzung aus dem Arbeitsvertrag nun den Verkäufer auf, seine "Schadensersatzverpflichtung zunächst dem Grunde nach anzuerkennen und zu diesem Zweck das beigefügte Schuldanerkenntnis bis spätestens 04.12.2015" zurückzusenden. Dem kam der Verkäufer nicht nach. Nachfolgend reichte das Autohaus gegen den Verkäufer Klage auf Schadensersatz in Höhe von knapp 30.000,00 Euro wegen des restlichen Kaufpreises und der entstandenen Anwalts- und Gerichtskosten ein. Das Autohaus verlor durch alle Instanzen. Geltendmachung in der richtigen Zeit Gemäß Revisionsurteil des BAG vom 07.06.2018 konnte es offenbleiben, ob der Verkäufer durch die Herausgabe des Fahrzeugs an den Kunden seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag tatsächlich verletzt hatte. Unter Beachtung der Ausschlussklausel im Arbeitsvertrag waren nämlich alle etwaigen Schadensersatzansprüche verfallen. Eine vertragliche Ausschlussfrist beginnt grundsätzlich mit der Fälligkeit des Anspruchs zu laufen. Diese tritt bei Schadensersatzansprüchen ein, wenn der Schaden für den Gläubiger feststellbar ist, also sobald der Gläubiger vom Schadensereignis Kenntnis erlangt oder bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte erlangen können. Aufgrund der oben geschilderten Umstände musste dem Autohaus - so das BAG - letztlich bereits im März 2015 klar sein, dass es "den Pkw nie wieder sehen werde" - und damit der Schaden feststellbar war. Unabhängig davon begann nach den Darlegungen des BAG die dreimonatige Ausschlussfrist jedenfalls spätestens zu dem Zeitpunkt zu laufen, als sich das Autohaus entschlossen hatte, Klage gegen den (verschwundenen) Käufer zu erheben - also vor dem Zeitpunkt der Einreichung der Klage bei Gericht am 20.08.2015, da die Entscheidung zur Klageeinreichung schließlich vorher gefallen war. Zwischen dem Entschluss des Arbeitgebers zur Einreichung der Klage gegen den Kunden und dem Forderungsschreiben des Autohauses vom 20.11.2015 an den Verkäufer lagen somit mehr als drei Monate. Deshalb - so der BAG - konnte das Schreiben des Autohauses vom 20.11.2015 die Ausschlussfrist nicht wahren. Das Autohaus hatte zu lange gewartet. Geltendmachung in der rechten Art und Weise Obwohl der Schadensersatzanspruch des Autohauses gegen den Verkäufer bereits aus zeitlichen Gründen abzulehnen war, sah sich das BAG veranlasst, in den Urteilsgründen die rechte Art und Weise der Geltendmachung des Anspruchs anzusprechen. Unter Bezugnahme auf vorangehende Rechtsprechung bezweifelte das BAG das Vorliegen einer ordnungsgemäßen schriftlichen Geltendmachung im Schreiben des Autohauses vom 20.11.2015. Geltend gemacht werden können Schadensersatzforderungen, sobald der Gläubiger in der Lage ist, sich den erforderlichen Überblick ohne schuldhaftes Zögern zu verschaffen und seine Forderung wenigstens annähernd beziffern kann (BAG vom 30.10.2008, Az. 8 AZR 886/07). Eine "hinreichende Spezifizierung der Forderung der Höhe nach" konnte das BAG im Schreiben des Autohauses vom 20.11.2015 nicht erkennen. Unter Berücksichtigung der zurückhaltenden Rechtsprechung bei Schadensersatzforderungen eines Arbeitgebers gegen einen Arbeitnehmer ist es ratsam, Arbeitgeberansprüche bei einer "Geltendmachung" so umfassend darzustellen, dass der Arbeitnehmer ohne weiteres eine vollständige und abschließende Beurteilung der Ansprüche vornehmen kann. Kurzfassung 1. In Arbeitsverträgen und Tarifverträgen finden sich regelmäßig Verfallklauseln, die eine Ausschlussfrist bestimmen, nach deren Ablauf die Durchsetzung von Ansprüchen nicht mehr möglich ist.2. Eine solche Ausschlussfrist beginnt grundsätzlich mit der Fälligkeit des Anspruchs zu laufen. Diese tritt bei Schadensersatzansprüchen ein, sobald der Gläubiger vom Schadensereignis Kenntnis erlangt oder bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte erlangen können (BAG vom 16.05.2007, Az. 8 AZR 709/06) und damit eine Geltendmachung möglich ist.3. Die Möglichkeit zur Geltendmachung setzt darüber hinaus voraus, dass der Gläubiger in der Lage ist, sich den erforderlichen Überblick zu verschaffen, und seine Forderung wenigstens annähernd beziffern kann (BAG vom 30.10.2008, Az. 8 AZR 886/07). Die Geltendmachung gegenüber dem Schuldner muss eine hinreichende "Spezifizierung der Forderung der Höhe nach" enthalten. Kommentar In einem Arbeitsvertrag werden die Vertragsklauseln vom Arbeitgeber in aller Regel einseitig vorgegeben, ohne dass der Arbeitnehmer hierauf Einfluss nehmen kann. Der Arbeitsvertrag ist deshalb regelmäßig ein "Verbrauchervertrag" im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Etwas anderes könnte ausnahmsweise nur dann gelten, soweit Vertragsklauseln tatsächlich individuell im Sinne eines wechselseitigen Gebens und Nehmens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgehandelt werden. Bei einem Verbrauchervertrag findet nach gesetzlicher Vorgabe eine Kontrolle nach Inhalt, Transparenz und Klauselverboten Anwendung. Die im vorliegenden Beitrag zitierte Verfallklausel wäre nach dieser Kontrolle unter mehreren Gesichtspunkten "eigentlich" unwirksam, unter anderem weil Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz vom Verfall nicht ausdrücklich ausgenommen sind (BAG vom 18.09.2018 - Az. 9 AZR 162/18). Auf eine solche Unwirksamkeit kann sich allerdings nur der Arbeitnehmer und nicht der Arbeitgeber berufen. Denn die Inhaltskontrolle nach AGB-Recht - so das BAG (Urteil vom 18.12.2008, Az. 8 AZR 105/08) - dient nicht dem Schutz des Arbeitgebers als "Klauselverwender", da er gegenüber dem in der Vertragsposition schwächeren Arbeitnehmer die Formularbestimmung einseitig in den Arbeitsvertrag eingeführt hat.Rechtsanwalt Rainer Bopp

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