Volkswagen- und Audi-Vertragsverhandlungen: Zwischen Hoffen und Bangen

Für die Volkswagen- und Audi-Händler ist es eine Zitterpartie. Mittlerweile liegen ihnen die Kündigungen ihrer Vertriebs- und Serviceverträge vor. Sie sollen am 31. März 2020 wirksam werden. Viele haben einen Letter of Intent bekommen, die meisten für unbefristete Verträge, manche für bis zum 31. März 2023 befristete. Wie viele keinen Letter of Intent mehr bekommen haben, ist unklar. Denn: Wie das zukünftige Netz von Volkswagen aussehen wird, darüber hüllt sich der Hersteller in Schweigen. Für Fachanwalt Uwe Brossette, der den Partnerverband berät, ist aber klar: Die Volkswagen AG hat den festen Vorsatz, in Zukunft mit deutlich weniger Händlern in Deutschland zusammenzuarbeiten. Gerüchte, wonach 400 Händler ausscheiden sollen, werden aber weder von Volkswagen noch vom Händlerverband kommentiert. Aus Ingolstadt heißt es: "Wir bekennen uns ausdrücklich zur Fortsetzung unserer Partnerschaft mit dem Audi-Händlernetz in seiner aktuellen Größenordnung." Bedenkzeit nutzen Ob die Volkswagen- und Audi-Partner die Vertragsangebote annehmen werden, muss sich noch herausstellen. Brossette empfahl den Partnern, die Bedenkzeit bis November auf jeden Fall zu nutzen. "Bitte keine schnellen Entscheidungen", wird er in den Breaking News des Volkswagenund Audi-Partnerverbands (VAPV) vom 12. März zitiert. Wie schon bei der ersten Informationsveranstaltung am 1. Februar zeigten sich die von AUTOHAUS befragten Händler auch nach der zweiten Tagung am 12. März enttäuscht von den Vertragsentwürfen bei Audi und vom schleichenden Fortschritt der Verhandlungen bei Volkswagen. Präsident Dirk Weddigen von Knapp nannte als Knackpunkt im Servicevertrag die Gewährleistung bei digitalen Produkten. Im Vertrieb gehe es hauptsächlich um das Online-Geschäft und die zukünftige Beziehung der Händler und Servicepartner zur AG. Zur Erinnerung: Vor allem zwei Punkte wurden anlässlich der ersten Informationsveranstaltung von den "Partnern" als unerträglich empfunden: Das permanente einseitige Änderungsrecht des Herstellers in allen Bereichen und der Direktvertrieb an Endkunden. Schlimm auch die offensichtlichen handwerklichen Fehler in dem Vertragswerk, die die Händler als grobe Missachtung verstehen. Wie kann es sonst sein, dass auf der einen Seite zwar die "normale" Kündigungsfrist von zwei Jahren in den neuen Verträgen steht. Diese aber durch die Verknüpfung der insgesamt vier Verträge - einer für Vertrieb, einer für Service, ein Agenturvertrag und einer für digitale Produkte - ausgehebelt wird. So kann der Vertrag für digitale Produkte bei Nichterfüllung innerhalb von drei Monaten gekündigt werden. Wenn dieser entfällt, sind aber auch alle anderen weg. Bisher keine Einigung Hatte sich Weddigen von Knapp im Februar noch zuversichtlich gezeigt: "Wir kriegen das hin", sieht er derzeit nur im Großkundengeschäft Chancen auf eine Einigung. Hier gelte es neben anderen Punkten, die Übernahme des Multi-Nationals-Geschäfts durch das Werk zu verhindern. Da beide Seiten aber bisher noch in keiner einzigen Frage eine Einigung erzielt haben, könnte es laut Weddigen von Knapp sein, dass - anders als beabsichtigt - über den 30. Juni hinaus verhandelt werden müsse. Inakzeptables Angebot von Audi Auch Audi plant nach Angaben einer Sprecherin einen solchen Puffer ein. Deswegen sei der Letter of Intent, also die Absichtserklärung zur Fortsetzung des Vertragsverhältnisses, bis zum 30. November gültig, hieß es aus Ingolstadt. Bei Audi gibt es aber auch noch besonders viel Gesprächsbedarf. "Das ist komplett daneben." "Ein absolutes No Go." "Sehr frustrierend." Das sind nur einige der Reaktionen der von AUTOHAUS befragten Partner zu den Ideen des Herstellers aus Ingolstadt zu ihrer zukünftigen Zusammenarbeit. Alle Macht dem Hersteller Nicht nur, dass auch Audi - wie Volkswagen - sich mit nur vier Monaten Frist einseitige Eingriffsrechte in die Vereinbarungen vorbehalten will. Hinzu kommt, dass der Hersteller nicht mehr das Vertriebsrecht für sein gesamtes Portfolio vergeben will, sondern nur für einzelne Baureihen. Vorgesehen ist, an den Vertriebsvertrag eine Liste der Baureihen anzuhängen, auf der dann diejenigen angekreuzt werden, die der Händler verkaufen darf. Bei neuen Modellen wird von Fall zu Fall neu entschieden. Und: Unabhängig davon, wie viele Modellreihen ein Händler vertreiben darf, er muss immer alle Standards erfüllen. Zur Höhe der Marge wird dagegen keine Angabe gemacht. Alles flexibel und einseitig änderbar, so der Tenor. Außerdem plane Audi, den Händlern Lager-, Ausstellungs- und Vorführwagen "zuzuweisen". Der Händler soll dafür seine Stellflächen zur Verfügung stellen. Ob er die Fahrzeuge aber auch verkaufen darf, werde später entschieden. Daten mit zweierlei Maß In Sachen Daten muss sich der Händler verpflichten, dem Hersteller Zugriff auf seine IT zu gewähren, hieß es. Der Händler darf die erhobenen Daten aber nur zweckgebunden nutzen. "Audi hingegen behält sich vor, damit zu machen, was sie wollen", so ein Unternehmer. Bei Ende der Vertragslaufzeit, so die Pläne der Marken, behält der Hersteller dann die Daten, der Händler muss alles löschen. Zusätzliche Unterstützung Angesichts dieser Entwürfe erwarten die Partner, dass der Händlerverband bedeutende Verbesserungen in den Verhandlungen mit Volkswagen und Audi erreichen muss. Um den VAPV in seinen Bemühungen zu unterstützen, beschloss die Versammlung einen "außerordentlichen Mitgliedsbeitrag". Die zusätzlichen Mittel sollen zum Beispiel für Spezialisten eingesetzt werden, die bei den Verhandlungen hilfreich sein können. So werde man das nicht unterschreiben, wurde einstimmig entschieden und dem Verband der Auftrag erteilt, so lange zu verhandeln, bis das Vertragswerk für die Volkswagen- und Audi-Partner zukunftsfähig ist. "Wir müssen eine einvernehmliche Lösung finden, wie dieser Vertrag im Sinne der VW- und Audi-Partner geändert werden kann und damit für das neue Geschäftsmodell zukunftsfähig ist." Nächster Termin: 20. Juni Kurz vor dem derzeit vorgesehenen Ende der Gespräche am 30. Juni 2018 wird die nächste Informationsveranstaltung des VAPV in Hannover stattfinden. Termin: 20. Juni. Kurzfassung Knackpunkt im Servicevertrag ist die Gewährleistung bei digitalen Produkten. Im Vertrieb geht es hauptsächlich um das Online-Geschäft und die zukünftige Beziehung der Händler und Servicepartner zur AG auch im Hinblick auf den Umgang mit Daten. Kommentar Schulterschluss ist angesagtErst die Kunden betrügen und dann die Händler über den Tisch ziehen. So lauten einige der Kommentare auf die jüngsten Aktivitäten des Volkswagen-Konzerns. 13,8 Milliarden operativen Gewinn, fast doppelt so viel wie im Jahr zuvor, verzeichnete das Unternehmen 2017 - und macht den Händlern das schlechteste Vertragsangebot der Geschichte. Die Reaktionen darauf sind denn auch deutlich: "Das ist ein absolutes No Go." Für die deutschen Händler ist es ein Schock, wie ihr langjähriger "Partner" mit ihnen umgeht. Nach den monatelangen Diskussionen mit den verärgerten Dieselbetrugskunden und den bis heute dauernden Nachwehen und Kostenrisiken gibt es zum Dank die Händlernetzkündigung. Angesichts von so viel Missachtung bleibt dem Netz nichts anderes übrig, als seinerseits zu massiven Maßnahmen zu greifen. Auf den Informationsveranstaltungen des VAPV betonten die Händler den Schulterschluss. Und man kann ihnen nur den Erfolg ihrer chinesischen Händlerkollegen vor Augen führen, die mit "zurückhaltenden" Bestellungen die Ingolstädter zum Einlenken in einer für sie wichtigen Frage gezwungen haben. Auch wenn es nicht gelingt, dass alle mitmachen, weil einige zu sehr unter Druck stehen. Hier ist Zivilcourage angesagt und ein Zusammenstehen zumindest des Großteils der Händler, um sich nicht um die eigene Existenz bringen zu lassen. Es geht nicht um die Lizenz zum Gelddrucken, aber um Fairness und akzeptable Bedingungen. Das kann der Handel ruhigen Gewissens verlangen.Doris Plate

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